Ursprünglich in jüdischem Besitz, nach 1933 NSDAP-Hauptquartier und ab 1950 Heimat des US-Konsulats: Das „Little White House“ an der Alster ist eine Augenweide, hat aber auch einige Leichen im Keller. Nun macht sich ausgerechnet ein Münchner daran, es zu einem Hotel umzubauen.

Max Schlereth sitzt in einem Raum und vor den Fenstern liegt ein Ausblick wie man ihn von Marketingkampagnen der Stadt Hamburg kennt. Ein blassblauer Himmel mit kleinen Schleierwolken, darunter die Alster in einem changierenden, dunkleren Blau, über das hie und da die weißen Segel von Booten gleiten. Davor ein grünes Band mit Joggern und Fahrradfahrern. In der Wand hinter Schlereth hängen Kabel lose aus einer Buchse, an der Wand ist die Farbe abgekratzt, oben rechts im Raum sieht man, dass sich unter dem angegrauten Weiß eine Wandmalerei versteckt. Max Schlereth ist Unternehmer, der Spross des Münchner Baulöwen Max Schlereth Senior, und als solcher hat er Großes vor mit dem Gebäude, in dem er sitzt.

Wobei, so richtig sitzt er eigentlich nie, zumindest nicht still. Er beugt sich vor, rückt näher heran, so nah wie man es sonst in Hamburg eher nicht tut, er gestikuliert ausladend, schaut verträumt, lacht und schwört. Kurzum, schnell wird klar: Der ist nicht von hier. Der Münchner ist geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Derag Unternehmensgruppe und hat es auf Objekte im sogenannten „Longstay-Segment“ abgesehen. Der jüngste Neuzugang in seinem Portfolio ist das Gebäude des ehemaligen US-Konsulats an der Hamburger Außenalster, im Volksmund auch „Little White House“ genannt. Eine echte Perle, wenn nicht die Perle an der Alster.

Max Schlereth erzählt, wie er sich aus dem Stand heraus in das Haus verliebt habe. Es stand zum Verkauf, es gab eine beachtliche Zahl an Mitinteressenten, allerdings zog am Horizont schon eine schwere Immobilienkrise auf, die dazu führte, dass der Run auf das Objekt zwar groß war, aber nicht so groß wie zu besseren Zeiten. Er erzählt, wie er dann doch noch wie geplant mit der Familie in den Skiurlaub gefahren und nicht schnell nach Hamburg geflogen ist. Direkt nach dem Urlaub, in den Tagen nach Neujahr 2024, flog er nach Hamburg, durchmaß die große Eingangshalle, zu der die Tür des Raumes, in dem er sitzt, führt. Und da war das Ding klar. „Muss ich haben.“ Die Rede ist vom Gebäude des ehemaligen US-Konsulats.

Andere hätten vielleicht erst einmal noch einen Termin mit einem Gutachter machen wollen, schließlich unterliegt das Objekt dem Denkmalschutz. Max Schlereth aber setze sich hin und schrieb eine Mail an das für Immobilien im Ausland zuständige Außenministerium, „in der ich den Amerikanern erklärte, was ich mit dem Haus vorhabe“. Dass er sich der Tradition des Ortes, aber auch der Geschichte bewusst sei – was zu diesem Zeitpunkt nicht gelogen war, allerdings hatte er zu diesem Zeitpunkt noch keinen blassen Schimmer von der Tragweite der Geschichte in dem Haus. Dass er daraus ein Boutiquehotel machen wolle, das nicht in ein paar Jahren an eine x-beliebige Hotelkette verscherbelt werden soll, sondern im Besitz des Familienunternehmens verbleiben solle. Kurzum, dass er das Objekt gerne kaufen würde. Von da an ging alles recht schnell. Dabei wäre der Deal beinahe gar nicht zustande gekommen. Als Trump im Juli 2017 anlässlich des G-20-Gipfels zu Besuch in Hamburg war, fand er das Konsulatsgebäude so „stunning georgeous“ dass er meinte, so etwas solle man bloß nicht verkaufen. Zu spät. Die Entscheidung der Amerikaner, sich von der Immobilie zu trennen, war damals schon gefallen.

Man muss diese Vorgeschichte kennen, um zu begreifen, was das für ein Mann ist, der sich nun daran macht, das Objekt in ein Hotel umzuwandeln. Wann der Umbau startet, ist ungewiss, was es kosten wird, darüber herrscht Stillschweigen. Die Rahmendaten hören sich jedoch vielversprechend an: 80 Zimmer soll das Boutiquehotel umfassen, circa 28 davon werden in den vorderen Altbauten, zum Teil mit Blick auf die Alster liegen. Die weiteren in einem dezenten Erweiterungsbau, der am rückseitig gelegenen Hof hinter dem rechten Teil des Gebäudes befindet. Geplant ist eine Terrasse, die vom einstigen „Ballroom“ des Konsulats an der linken Seite des Gebäudes einen Blick auf die Alster gewährt. Die Front, so wie man sie seit Jahren kennt, soll erhalten bleiben. Im Inneren aber wird man eine Idee davon bekommen, dass der Komplex ursprünglich aus zwei Villen besteht. Die Verbindung schufen die Amerikaner in 1950, indem sie die beiden Gebäude mittels eines Neubaus verbanden und die in Anlehnung an das Weiße Haus in Washington weiße Säulen davorsetzte. Die jetzige Eingangshalle, in der man auf Empfangsschalter hinter schusssicherem Glas zuläuft, soll aufgebrochen und mit viel Glas als lichter Durchgang fungieren. Der vier Meter hohe Zaun um das gesamte Areal kommt weg und so sollen nicht nur die Außenanlagen aufwendig neu gestaltet werden, sondern auch der Innenhof auf der Rückseite, der jetzt eine brachliegende, versiegelte Fläche ist.

In den beiden Altbauten sollen alle Zimmer bzw. Suiten einen anderen Grundriss haben, im Erweiterungsbau werden die Zimmer standardisierten Grundrissen folgen. Mit dem Projekt beauftragt wurde das Architekturbüro Störmer Murphy & Partner. Wann mit einem Baubeginn zu rechnen ist? „Ganz ehrlich: Keine Ahnung. Wir hoffen, dass wir so zügig und so sorgfältig wie möglich vorankommen“, so Kasimir Altzweig. Die laufende Analyse gebe die Herangehensweise vor, das sei so ziemlich das Gegenteil von dem, was sonst oft üblich sei. Was es kosten wird? „Viel. Es braucht Mut, das anzugehen“, so Kasimir Altzweig.

Aktuell seien Denkmalschützer im Haus, die prüfen, welche versteckten Schätze es gebe. Und davon gibt es einige. Unter den schnöden Rasterdecken, die Mitarbeiter des Konsulats etwa im ersten Stock des rechten Gebäudes anbringen ließen, versteckte sich eine bestens erhaltene Stuck-Decke mit aufwendigen Intarsien. „Jeder Raum wird eine eigenständige Gestaltung aufweisen. Das ist Fluch und Segen zugleich, in erster Linie aber eine große Chance. Die Herausforderung wird sein, für das Gesamtobjekt einen roten Faden zu finden“, so Kasimir Altzweig. Er sei positiv überrascht von der konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt. „Auch die Kollegen dort verstehen sehr gut, dass es kleine Eingriffe braucht, damit das Gebäude anders genutzt werden kann.“

Viel Licht und viel Schatten

Derzeit sei ein Team aus Historikern dabei, Licht in die Geschichte der beiden Häuser zu bringen. Entworfen und errichtet wurden beide Villen von Architekt Martin Haller, der auch das Hamburger Rathaus mit erdachte. Die linke Villa wurde für den Kaufmann Michaelsen in 1882 erbaut, sie befand sich bereits im Bau, als ein Jahr später die Eheleute Reé ihr Anwesen hier errichten ließen. Relativ früh, die Rede ist von zehn Jahren, hätten beide Villen schon wieder die Besitzer gewechselt. Der Kaufmann Anton Friedmann kaufte die Villa Michaelsen, eine Familie namens Sanders die Villa Reé.

Dann beginnt das dunkle Kapitel des Hauses. Offiziell heißt es, die Erben beider Familien hätten in 1933 der NSDAP die Häuser vermietet. Das linke wurde als Sitz des Hauptquartiers genutzt, das rechte zur Zeit des Krieges als Büroraum. Allerdings ließen die Nazis bereits zu diesem Zeitpunkt bauliche Veränderungen vornehmen, die ungewöhnlich umfassend sind für ein gewöhnliches Mietverhältnis. In 1950 erwarben die Amerikaner beide Häuser. Die geschichtliche Lücke gilt es nun zu schließen, eine Arisierung wird vermutet. Als er das Gebäude kaufte, erzählt Max Schlereth, kannte er die Vergangenheit des Hauses nicht. Für ihn sei klar, dass Gedenken und Erinnerung im Haus stattfinden muss und dafür gebe er sein Wort. Als er jene Räume im Keller des Hauses betrat, in denen Vermutungen zufolge Verhöre stattgefunden haben sollen, habe er „Beklemmungen“ gehabt.

In welchem Konzept Gedenken möglich sein soll, dazu könne er noch nichts sagen. Aber die schallgeschützten Verhörräume, die auch als Tresorräume genutzt wurden, würden sich dafür anbieten. Nach der Höhe des Kaufpreises und dem Volumen der Umbaukosten gefragt, zuckt Max Schlereth mit den Schultern. „Es wird kosten, was es kosten wird und irgendwann wird es fertig sein.“ Erfahrungen mit derart kniffeligen Objekten hat er. In Düsseldorf baute sein Unternehmen das De Medici um, ein ehemaliges Stadthaus, ehemaliger preußischer Regierungssitz und ursprünglich Jesuitenkloster. Ebenso jener Komplex diente als Hauptquartier der Gestapo. Auch an der Alster fühle er sich nun verpflichtet, der Geschichte des Ortes Rechnung zu tragen. Er sage es ganz ehrlich, so wie es gewesen sei. „Ich habe das Ding gesehen und war schockverliebt.“ Und er habe auch sofort den Namen „The Jefferson“ im Kopf gehabt, benannt nach dem dritten US-Präsidenten und hauptsächlichen Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. „Dass er es war, der sich noch vor seiner Präsidentschaft dafür einsetzte, dass sein Land in Hamburg eine Ständige Vertretung haben solle, das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht“, sagt er.