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Russland ist nicht mehr auf der EU-Liste der Hochrisiko-Länder für Finanzkriminalität. Experten wundern sich über diese Entscheidung, da zahlreiche Belege dagegen sprechen.
Brüssel – Der Ton gegenüber Russland ist schärfer denn je. Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine wird die Russische Föderation von der Europäischen Union (EU) mit Sanktionen übersät. Doch bei einer Maßnahme überraschte die Staatengemeinschaft.
Die EU-Kommission veröffentlichte jüngst eine Aktualisierung der Liste mit Hochrisikoländern zur Stärkung der internationalen Bekämpfung der Finanzkriminalität. In dieser Liste wurden sowohl Russland als auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nicht mit einbezogen. Finanzexperten stellen die Entscheidung infrage, und auch bei EU-Abgeordneten stößt die neue Liste auf Unverständnis.
Keine „robusten Beweise“: Neue Geldwäsche-Hochrisikoliste ohne Russland und VAE
„Die nun vorgelegte aktualisierte EU-Liste verdeutlicht, dass wir uns an den internationalen Standards, insbesondere jenen der FATF, orientieren“, schrieb EU-Kommissionsmitglied, Maria Luís Albuquerque, zur aktualisierten Ausgabe. Die Internationale Financial Aktion Task Force (FATF) ist ein internationales Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, welches an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angegliedert ist. Es besteht aus 39 Staaten, darunter die USA, Japan oder auch die BRICS-Staaten, eingeschlossen Russland, und setzt internationale Standards, an denen sich mittlerweile 200 Länder orientieren.
Bei der Bewertung werden die Länder auf zwei verschiedenen Listen gesetzt: Zum eine die „schwarze Liste“, also Hochrisiko-Länder. Diese weisen erhebliche Mängel bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität auf und kooperieren nicht mit internationalen Standards. Sie können damit durch andere Länder sanktioniert werden und haben auch zusätzliche Sorgfaltspflichten. Zum anderen führt die Organisation eine „graue Liste“, deren Länder weiter Mängel aufweisen, jedoch bereits Maßnahmen ergriffen haben. Diese gilt für betroffene Länder als Warnsignal.
Die EU hat Russland und die VAE von der Hochrisiko-Liste für Finanzkriminalität gestrichen. © IMAGO/Christoph Hardt
Vor einigen Wochen noch berichtete die Financial Times, dass die EU erwägt, Russland auf die graue Liste zu setzen. „Es gibt eine breite Unterstützung für die Aufnahme Russlands in die Liste“, hieß es seitens des deutschen Europaabgeordneten, Markus Ferber. Weil das FATF-Gremium den Emiraten Fortschritte im Kampf gegen Geldwäsche zubilligt und Russland „nicht als Hochrisikoland“ eingestuft werde, müsse die Kommission dies berücksichtigen, sagte eine Brüsseler Behördensprecherin dem Spiegel. Weiterhin wies der Sprecher daraufhin, dass falls die EU von dieser Position abweichen wolle, sie „robuste Beweise“ benötige, die nur durch eine „tiefgehende Analyse“ gewonnen werden könnten.
Terrorfinanzierung und Geldwäsche: Belege für Aktivitäten Russlands lägen vor
Fachleute stellen Russland als Partner bei Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung seit geraumer Zeit infrage. Die Zusammenarbeit mit dem Regime Nordkoreas und der Islamischen Republik Iran, welche auch im Juni 2025 auf der schwarzen Liste gelandet sind, wird als kritisch angesehen. In den Staaten bestehe demnach ein hohes Risiko für Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche. Dem Iran wird die Unterstützung von Terrororganisationen wie der Hisbollah oder der Hamas mit Waffen nachgesagt, so Ermittlungen westlicher Geheimdienste.
Zudem unterhält der Kreml auch gute Beziehungen zu den in Afghanistan herrschenden Taliban. Im vergangenen Jahr strich der Kreml die radikalislamische Gruppe von der Liste der Terrororganisationen. Ebenso die finanzielle Unterstützung von privaten Söldner-Truppen wie der Wagner-Gruppe sehen Experten als widersprüchlich zur jüngsten Streichung als Hochrisiko-Staat an. Diese wurde wegen Menschenrechtsverletzungen von der EU sanktioniert. In den USA wurde die Söldnergruppe auf die Liste der „transnationalen kriminellen Organisation“ gesetzt.
Russland hat zudem laut zahlreichen Analysen selbst im Zuge des Ukrainekrieges gezielt Sabotage- und Subversionskampagne auf Infrastrukturen der EU und USA verübt. Erst im vergangene Jahr informierte die britische Justizbehörde darüber, dass ein riesiges kriminelles Kryptonetzwerken aufgedeckt wurde. Die Kriminalpolizei sagte laut US-Berichten, dass mit den Geldern auch russische Spionage für Wladimir Putins hybriden Krieg finanziert würde.
Geldwäsche in den VAE: „Zwielichtige“ Personen führen Luxusleben in Dubai
Die VAE sollen laut Berichten Russland dabei helfen, westliche Sanktionen zu umgehen, indem Öllieferungen aus Sibirien gelagert oder weiterverarbeitet würden. Danach verkaufe man diese weiter an den Westen, wie aus Recherchen hervorgeht. Außerdem wird Ihnen vorgeworfen, ein Paradies für „zwielichtige“ Personen zu sein. Im vergangenen Jahr wurde durch ein Daten-Leak „Dubai unlock“, welches mitunter vom ZDF ausgewertet wurde, bekannt, dass etliche Serienbetrüger, mutmaßliche Mörder und Steuerflüchtige in Dubai ein Luxusleben führen.
Schuld daran waren mitunter großzügige und intransparente Steuerregelungen. An diesen Stellen hätten die VAE jetzt aber nachgebessert. Im April unterzeichnete das Wirtschaftsministerium der VAE eine Reihe von Absichtserklärungen mit mehreren zuständigen nationalen Behörden im Bereich der Geldwäschebekämpfung und der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, wie Medienberichte nahelegen.
2024 lehnte die Mehrheit der EU-Abgeordneten die Streichung der VAE von der Liste ab. Auch in diesem Jahr würde das Land die Bedingungen formell zwar erfüllen, die Beweislage zeichne aber ein anderes Bild, meinen Experten. „[Die Kommission] sollte ihre eigene Arbeit machen. Die FATF bewertet nur den rechtlichen Rahmen und nicht, ob er umgesetzt wird. Das ist für uns nicht genug“, kritisierte der EU-Abgeordnete, Markus Ferber, Anfang Juni.
Hochrisiko-Liste: EU-Abgeordnete fordern bessere Begründung
„Die Streichung der Emirate von der Liste der Hochrisikoländer sendet das falsche Signal und ist ein Risiko für die EU“, bemängelte Rasmus Andresen, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament gegenüber dem Spiegel. Auch Russland müsse wieder in Verzeichnis aufgenommen werden. Außerdem wird von der Kommission verlangt, das Urteil besser zu begründen und mit Fakten zu belegen. Die Debatte im EU-Parlament über die Liste steht in dieser Woche noch an. Die Abgeordneten haben dann innerhalb von zwei Monaten die Chance, die Liste abzulehnen.