Es geht nicht um alles, aber doch um viel, wenn sich die Länderchefs am Mittwochmittag mit dem Bundeskanzler zusammensetzen. Am Morgen beraten die Länder zunächst untereinander: Im historischen Rezessionsjahr drei wartet die Wirtschaft dringend auf Wachstumsimpulse der Politik. Die schwarz-rote Koalition verspricht auch eifrig zu liefern, einen Wachstumsbooster hat das Bundeskabinett Anfang des Monats bereits beschlossen. Was aber keinesfalls das Ende, sondern nur der Anfang eines neuen Streits sein sollte und womit wir beim Mittwoch im Kanzleramt wären: Im Ziel ist man sich einig. Die Wirtschaft entlasten, das wollen alle, dafür zahlen sollen bitte nach Möglichkeit die jeweils anderen.
Eine verbesserte Abschreibung bei Investitionen durch Unternehmen, eine geplante Absenkung der Körperschaftssteuer, eine Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, eine höhere Pendlerpauschale – was nach den Wünschen von Schwarz-Rot alles neues Wachstum stimulieren soll, wird den Staat Milliarden kosten. Sei es an direkten Transfers oder in Form von Steuereinnahmeausfällen. Was wiederum auch die Haushalte der ohnehin schon klammen Länder und Kommunen belastet. Weshalb die sich bislang weigern und auf das Prinzip verweisen: Wer bestellt, soll bitte schön auch zahlen und die Rechnung an die Bundesregierung weiterschieben wollen.
Aus dem Bund wiederum ist sinngemäß die Antwort zu hören: Stellt euch mal nicht so an, der Bundeshaushalt ist auch maximal auf Kante genäht. So schlecht geht’s den Ländern nun auch wieder nicht.
Die Bundesregierung drängt, denn das Paket soll vor der Sommerpause durch den Bundesrat. Eine erste Beratungsrunde vor zwei Wochen endete ohne Ergebnis, weil Friedrich Merz zum Antrittsbesuch in die USA reiste. Und bis zum Sommer, so hatte es aus der Union stets geheißen, solle für die Bevölkerung ein spürbarer Stimmungsumschwung her. Das Wirtschaftspaket wäre ein wichtiger Teil davon. Es muss gelingen, will Merz eines seiner zentralen Wahlversprechen von neuem Wachstum einlösen.
Kann der Föderalismus Reformmotor sein?
Die gegenseitige Blockade ist aus Sicht eines jeden Akteurs für sich genommen rational und gut zu argumentieren, in Summe der Einzelteile ergibt sich allerdings ein verheerendes Bild. Weil das Beste für das Land eben oft genug heißt, im Zweifel zulasten Dritter, etwa des Bundes, zu regieren. Und umgekehrt. Not In My Backyard, besser: Not In My Haushalt.
© Lea Dohle
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Genau so wächst struktureller Stillstand. Und der führt zu Frust. Mal wieder, muss man betonen. Vor etwas mehr als einem Jahr haben die Länder auf ebendiese Weise die Wachstumsinitiative der damaligen Ampelregierung beinahe halbiert. Dass die föderalen Mühlen verantwortlich für den ausbleibenden Aufschwung und dieser wiederum ursächlich für die Klatsche bei der Bundestagswahl gewesen sein soll, wäre sicher übertrieben. Wenn aber jeder Wirtschaftsbooster im institutionellen Dickicht zu verdursten droht, ist das auf Dauer sicher kein Konjunkturprogramm für die Parteien der politischen Mitte. Weder im Bund noch in den Ländern.
Interessenausgleich kann nicht heißen Stillstand
Den meisten Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und Start-ups dürfte es am Ende egal sein, wer sie entlastet bei Steuern und Abgaben, an welcher Stelle der Bürokratiedschungel zurückgeschnitten wird, und wo ein neues Förderprogramm wächst, ob das beim Bund, den Ländern oder den Kommunen ist. Ebenso wie es nicht interessiert, wer letztlich hauptverantwortlich wäre, sollte es nicht zu einer Einigung kommen. Dann dürfte es ganz schnell wieder heißen: Die da (oben), die können es halt alle einfach nicht.
Ein Scheitern wäre somit eine Blamage für alle Beteiligten, nicht nur für den Kanzler, der alles ganz anders machen wollte als die Ampel. Der eine Wirtschaftswende versprochen hatte und zumindest atmosphärisch ein neues Miteinander mit den Ländern. Beschädigt wären ebenso die Gegenüber in den Staatskanzleien, die im Zweifel über die Kommunen als Erstes spüren, wenn weiterhin die Wirtschaft dümpelt und Unternehmen schließen, statt zu investieren.
Die staatstragenden Parteien, die in Bund und Ländern (noch) die Mehrheit stellen, wollen – und müssen – zeigen, dass sie gemeinsam einen Aufschwung organisieren können. Und dass das föderale System, und sei es über einen Vermittlungsausschuss, nicht nur Hemmschuh sondern Reformmotor sein kann. Weil fairer Interessenausgleich zwischen den Ebenen nicht bedeuten muss: Es geht im Zweifel nichts voran. Sondern weil das Ziel ein Kompromiss sein sollte, der mehr ist als nur die halbe Wegstrecke zwischen zwei Extremen; das wäre bundesrepublikanische Tradition – und ein Mittel gegen Staatsverdruss und Vertrauensverlust.