Es ist ein Kommen und Gehen auf dem „Wertstoffhof West“ im Frankfurter Stadtteil Höchst. Mal rollt ein Kombi vor, dessen Kofferraum sich unter einem Berg aus alten Zeitungen biegt. Mal ein Fahrzeug mit ausrangierten Möbelstücken. Oder ein Fußgänger kommt auf den Hof gelaufen, um ein paar leere Batterien loszuwerden. All diese Menschen verbindet nicht nur das Bewusstsein, dass Abfall – in welcher Form auch immer – ordnungsgemäß entsorgt gehört, sondern auch der nachhaltige Umgang mit Ressourcen.
Der „Wertstoffhof West“ in Höchst, betrieben von der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH, ist mitten im Frankfurter Industriegebiet gelegen. Seit 2021 macht er die Wege besonders für die Einwohner der westlichen Stadtteile kürzer. Zusammen mit dem „Wertstoffhof Kalbach-Riedberg“ gehört er zu den größten Abgabeorten in Frankfurt für bestimmte Abfälle und Sperrmüll. Daneben gibt es noch kleinere städtische Höfe, etwa in Bornheim oder Sachsenhausen.
Auf diesen Recycling-Höfen finden scheinbar nutzlose Gegenstände ihren Weg zurück in den Kreislauf. Aber wie? Und welche Rolle spielt das für die Umwelt? Um das zu verstehen, muss man sich das System dahinter anschauen. Es ist ein System, das darauf abzielt, den Bürgerinnen und Bürgern die sortenreine Abgabe so einfach wie möglich zu machen. Ganz nach dem Motto: Je sauberer getrennt wird, desto besser kann das Material recycelt werden.
Am Wochenende kommen 300 bis 400 Leute täglich
Schon bei der Anfahrt fällt die klare Struktur des Geländes auf. Keine chaotischen Haufen. Beschriftete Container reihen sich aneinander, jeweils bereit für eine spezifische Abfallart. Von Altpapier und Kartonagen über Glas (farblich getrennt, versteht sich), Holz, Metallen, Sperrmüll, Elektro-Altgeräten bis hin zu speziellen Containern für Grünabfälle oder sogar Kork – die Vielfalt der abgegebenen Stoffe ist groß. Die angelieferten Mengen sind es auch.
„72 Kubikmeter Sperrmüll kamen allein letzten Donnerstag zusammen“, berichtet Wertstoffhof-Mitarbeiter Çetin Türköz. „Hinzu kommen jeweils 36 Kubikmeter Grünschnitt und Möbelholz.“ Allein unter der Woche. „Am Wochenende wird ein Vielfaches mehr an Material angeliefert“, erklärt er. Gedacht sei der Wertstoffhof grundsätzlich für „Kofferraummengen“, so Türköz.
Die genaue Zahl der abgegebenen Menge an Müll sei dabei schwer zu erfassen. Doch wer den Wertstoffhof einmal an einem Samstag besuche, bekomme eine Vorstellung von den Dimensionen. Die Schlange der Fahrzeuge sei dann deutlich länger. Auch Freitage und Montage gehören neben den Samstagen zu den „Kampftagen“, wie Türköz sie nennt. Das verwundert nicht, bekanntlich wird ja das Wochenende gerne einmal für umfassendere Entsorgungsaktionen oder Umzüge aller Art genutzt.
300 bis 400 Leute täglich sind dem Achtunddreißigjährigen zufolge dann keine Seltenheit. Sie kommen säckeweise mit angefallenen Bauresten, alten Glasflaschen, Grün- und Laubabfällen. „Wenn die Menschen mehr im Garten arbeiten oder ihren Keller entrümpeln, spiegelt sich das auch bei uns wider“, so Türköz. Das habe man insbesondere während der Corona-Pandemie gemerkt. „Zwei bis drei Stunden mussten die Leute teilweise anstehen, um ihren Müll abzugeben.“ Ähnlich verhalte es sich auch in Ferienzeiten.
Çetin Türkoz arbeitet seit 2021 auf dem Wertstoffhof West in Frankfurt.Stefan Nieland
„An solchen ‚Kampftagen‘ sind alle unsere zehn bis zwölf Container meistens randvoll“, so der Wertstoffhof-Mitarbeiter. „Egal, wie viel die Leute abgeben, der Abfall wird einfach nicht weniger.“ Eher im Gegenteil, findet Türköz, der seit Eröffnung 2021 auf dem Wertstoffhof in Höchst tätig ist. „Gefühlt wird es immer mehr Müll“, sagt er. Daran sei die Inflation auch nicht unschuldig. „Reisen sind in den letzten Jahren so teuer geworden, nicht jeder kann sich das noch leisten.“ Die Leute machten also eher Urlaub zu Hause und hätten mehr Zeit zu entrümpeln, beobachtet Türköz.
Um den Besucherstrom aus der Region bewältigen zu können, sind Wertstoffhöfe auf maximale Effizienz ausgelegt. Nach der Ankunft werden die Besucher von einem Mitarbeiter der FES begrüßt, der bei Fragen zur richtigen Entsorgung hilft oder auf Besonderheiten hinweist. „Gerade im Umgang mit Gefahrenstoffen und Sondermüll steht Sicherheit an oberster Stelle“, erklärt Wertstoffhof-Mitarbeiter Türköz.
Die Anlieferer werden gebeten, ihre Gegenstände bereits zu Hause grob vorzusortieren. „Es gibt immer wieder Leute, die erwarten, dass wir die Materialien für sie entsorgen“, sagt der Wertstoffhofangestellte. „Das dürfen wir aber nicht. Wenn dennoch jemand Hilfe benötigt, stehen wir natürlich auch nicht einfach daneben und schauen zu.“ In der Regel jedoch, so Türköz, laufe das selbständige Entladen des Abfalls bei den Bürgern reibungslos ab.
So wie bei einer älteren Frau aus Schwanheim. Sie fährt mit ihrem Kombi auf den Wertstoffhof und entlädt kaputte Fliesen. Wegen eines Wasserschadens im Keller müssten nun die alten Kacheln raus. Sie besuche regelmäßig den „Wertstoffhof West“, um Abfall aus Haus und Garten loszuwerden. Neulich erst mit Laub- und Grünabfällen. Deswegen ist auch ein Paar aus Unterliederbach öfter auf dem Recycling-Hof zugegen. Nach ihrem Umzug vor ein paar Wochen sei sie schon das dritte Mal auf dem Wertstoffhof. Diesmal mit einem alten Baumstamm, drei großen Säcken Grünschnitt – und einer alten Tüte CDs.
Eine radioaktive Uhr
Zwei alte Teppiche sind es bei einer jungen Frau aus Höchst. Eigentlich ein Job für den Sperrmüll-Service, doch sie wohnt nur fünf Autominuten entfernt. Da fährt man gerne einfach schnell vorbei und hat die Dinge eben aus dem Haus. So geht es auch einer Frankfurterin, die mit ihren ausrangierten Elektrogeräten auf dem Hof vorfährt. Ein Drucker und ein Mixer, die den Geist aufgegeben haben.
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Und was passiert nun mit den Unmengen an Materialien, die hier täglich abgegeben werden? Der Wertstoffhof sei die erste Station einer langen Reise, so Çetin Türköz. Altpapier komme zur Papierbank, Möbelholz werde geschreddert, aus alten Glasflaschen entstünden neue, Metallschrott werde eingeschmolzen. Und Grünschnitt werde kompostiert. „Materialien, die wir gar nicht verwerten können, kommen ins Müllheizkraftwerk. Dort werden sie zu Energie umgewandelt“, erklärt er.
An Abfall hat Türköz schon so gut wie alles gesehen. Das Verrückteste aber, erzählt er, sei einmal radioaktives Material gewesen. „Eine Uhr war das“, erinnert er sich. „Das durften wir nicht annehmen, konnten der Dame aber mitteilen, wo sie die Uhr abgeben kann, damit sie fachgerecht entsorgt wird.“ Es gibt auch Materialien, für deren Entsorgung die Bürger zahlen müssen, erklärt Türköz. Dazu gehören Reifen, Bauschutt und Keramik.
Vor allem in Hinblick auf jene Dinge, die der Wertstoffhof nicht annehmen darf, sieht Türköz Verbesserungspotential. Zu denen zählen Glaswolle, Asbest und Teerpappe. Es gebe Deponien, bei denen solche Materialien ordnungsgemäß und kostenpflichtig entsorgt werden könnten. Das Problem jedoch: Manchen Menschen sei das zu umständlich, und so würden die Materialien dann eben auch mal „illegal abgeladen“, sagt Türköz.
Leere Lachgasflaschen sind zu einem großen Problem geworden.Stefan Nieland
Schadstoffe und Sondermüll, die achtlos auf Grünflächen oder im Hausmüll landen, seien ein fortdauerndes Problem. Besonders bemerkbar mache sich das bei der Entsorgung von leeren Lachgasflaschen. Das erkennt auch Saskia Powell, Pressesprecherin der FES. „Es ist ein Problem, das aktuell immer schlimmer wird“, sagt sie. „Zwischen zehn und dreißig Lachgasflaschen am Tag kommen hier an.“ Nach dem Wochenende seien es gut und gerne um die hundert Flaschen.
Powell beobachtet die Entwicklung schon länger. Die Lachgasflaschen seien vor allem bei Jugendlichen stark im Umlauf. „Dass der Verkauf an Kinder und Jugendliche in Frankfurt jetzt nicht mehr erlaubt ist, ist ein guter und wichtiger Schritt. Ebenfalls wichtig wäre ein Pfandsystem“, so Powell. Die Flaschen würden bei der FES zwischengelagert, bis sie von einem Dienstleister abgeholt und fachgerecht entsorgt würden.
„Wenn man die Lachgasflaschen bepfanden würde, könnte es das Problem eindämmen“, so Powell. Und macht auf ein weiteres Thema aufmerksam: Batterien und Akkus. „Es vergeht kaum ein Tag, wo es nicht in irgendeiner Anlage oder in einem Müllfahrzeug brennt“, sagt Powell besorgt.
Trotz mancher Widrigkeiten sind Türköz und Powell optimistisch gestimmt. „Das Bewusstsein für den Umweltschutz wird immer größer“, beobachtet Powell. Das Bewusstsein der jungen Leute für die Endlichkeit der Ressourcen färbe auf die Gesellschaft ab. „Wir erkennen, dass es in der aktuellen Zeit, in Zeiten des Klimawandels, den Menschen ein Anliegen ist, Müll richtig zu trennen oder manchen Dingen sogar ein zweites Leben zu schenken.“
Nicht selten finde auch etwas seinen Weg zum Wertstoffhof, das noch verwendbar sei. „Daran erkennt man, in was für einer Wegwerfgesellschaft wir leben“, ergänzt Türköz. Mit der Aktion „reYOUrS“ unterstützt die FES die Wiederverwertung von nicht mehr gebrauchten, aber noch funktionsfähigen Dingen. Vor allem Unterhaltungselektronik und Dekoratives werde gespendet, ergänzt Türköz.
Man merkt, der „Wertstoffhof West“ in Höchst ist mehr als nur ein Ort, an dem man seinen Abfall loswird. Er ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen die Müllberge und ein täglicher Beweis dafür, dass Ressourcenschonung im Kleinen beginnt.