Seit mittlerweile neun Jahren wartet Zweitligist Hannover 96 auf die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga. Mit der Verpflichtung von Trainer Christian Titz erhalten diese Hoffnungen nun neue Nahrung. Laut den Daten könnten sich da zwei gesucht und gefunden haben. Nur Torwart Ron-Robert Zieler könnte ein Problem bekommen.
Am Ende war es doch recht deutlich – fünf Punkte fehlten dem Zweitligafünften 1. FC Magdeburg, um zumindest in die Aufstiegs-Relegation zu kommen. Die Hoffnungen auf den ganz großen Wurf – der FCM lag am 31. Spieltag selbst noch auf Rang drei – wurden zwar enttäuscht. Aber auch so hat Titz den Club in seinen viereinhalb Jahren in Sachsen-Anhalt zurück auf die Fußball-Landkarte geführt: vom mittelmäßigen Drittliga-Club zu einem ernsthaften Bundesliga-Anwärter.
1. Christian Titz (Hannover 96) – 66,18
2. Daniel Thioune (Fortuna Düsseldorf) – 64.04
3. Torsten Lieberknecht (1. FC Kaiserslautern) – 61.95
4. Stefan Leitl (Hertha BSC) – 61.87
5. Thomas Stamm (Dynoma Dresden) 61.51
6. Florian Kohfeldt (SV Darmstadt 98) – 60.18
7. Miron Muslic (FC Schalke 04) – 59.56
8. Christian Eichner (Karlsruher SC) – 59.16
…
Titz „absolut bundesligatauglich“
Gelingt Titz, der bei 96 einen Vertrag bis 2027 unterschrieben hat, mit Hannover der Sprung in die Bundesliga? Während Magdeburg noch nie in der Ersten Liag gespielt hat, soll der 54-Jährige Hannover aus der nunmehr neun Jahre andauernden Fußball-Diaspora führen. Und die Daten von Global Soccer Network (GSN) geben durchaus Grund zur Hoffnung. In Bezug auf den Coach stellen die Analysten fest: „Mit einem GSN-Indexwert mit 66,18 gehört Titz nicht nur zu den besten Trainern der 2. Bundesliga, er ist fachlich auch absolut bundesligatauglich“.
Nach langem Poker einigten sich beide Zweitligisten auf eine Ablösesumme für den früheren HSV-Coach, der 96 in die Bundesliga führen soll.
Hannover 96 muss sich auf Titz‘ System einlassen
Seine Arbeit in Magdeburg tauge als „Modell für moderen Trainerfußball“ – und Titz biete „als Trainer viel Potenzial, Hannover 96 weiterzuentwickeln“. Sogar den Aufstieg halten die Datenexperten für „möglich und realistisch“. Es folgt jedoch ein großes Aber: Der Vereine müsse „bereit sein, sich konsequent“ auf Titz‘ System „einzulassen“. Und auch wenn die Club-Verantwortlichen Marcus Mann und Ralf Becker offenbar einen Trainer gefunden haben, der gut zu 96 passt, wird dieses Einlassen nicht ohne schmerzliche Einschnitte funktionieren.
Und ein „Opfer“ des Trainerwechsels könnte ausgerechnet der prominenteste Spieler der „Roten“ sein: 2014er-Weltmeister Ron-Robert Zieler.
Torhüter hat entscheidende Rolle im Titz-Fußball
Die Position des Torhüters spielt im Titz-Fußball eine entscheidende Rolle. Das wurde schon in der Zeit des Trainers beim HSV in Hamburg (2018) deutlich, als der damalige Keeper Julian Pollersbeck noch in der Bundesliga auf dem Platz fast einen Libero spielte. In der Zwischenzeit hat Titz sein System optimiert, aber es ist dabei geblieben, dass der Mann zwischen den Pfosten im wahrsten Sinne des Wortes ein mitspielender Schlussmann ist. Magdeburgs Keeper Dominik Reimann hat die meisten angekommenden Pässe in der Zweiten Liga gespielt – wohlgemerkt auch mehr als alle Feldspieler.
„Ich denke, ich muss nicht mehr betonen, was 96 und Hannover mir bedeuten. Das weiß jeder.“
96-Torhüter Ron-Robert Zieler bei seiner Vertragsverlängerung im Januar
GSN sieht bei seiner Kaderanalyse die Torhüterposition als „zentrale Schwachstelle“. Zieler bringt demnach „nicht die notwendige Spielkompetenz am Ball mit“. Gleiches gelte für Ersatzkeeper Leo Weinkauf. Titz benötige für seine Spielidee „einen aktiven, pressingresistenten und mutig mitspielenden Torwart“. Die Analysten empfehlen deshalb „die Verpflichtung eines fußballerisch starken Keepers mit hoher Passqualität, antizipativem Stellungsspiel und Mut zur Risikoeröffnung“.
Keine Zukunft für Zieler?
Der mittlerweile 36-jährige Zieler hatte erst im Januar seinen Vertrag am Maschsee um ein weiteres Jahr verlängert. Dem Vernehmen nach hat der Kontrakt noch eine an Einsätze gekoppelte Verlängerungsoption. Insgesamt spielt Zieler schon mehr als zehn Jahre für 96. „Ron-Robert ist ein Gesicht dieses Clubs. Er hat Hannover 96 in den zurückliegenden Jahren mitgeprägt“, hatte Mann gesagt. Doch das könnte schon in naher Zukunft ganz anders aussehen.
Das Ziel: Maximale Kontrolle über das Spielgeschehen
Titz möchte laut GSN „das Spiel von Beginn an diktieren – und zwar in allen Phasen: im Aufbau, im Umschalten, im Pressing und in der Ballzirkulation“. Das Ziel sei somit „die maximale Kontrolle über das Spielgeschehen“. Erreicht werden soll dies durch „präzise Bewegung, Passspiel, Raumöffnung und saubere Staffelungen“. Auch wenn das Spiel unter Titz für den Außenstehenden ruhig und organisiert wirken mag, „laufen unter der Oberfläche doch hochkomplexe Mechanismen und Rollenwechsel ab“.
Der Torwart ist dabei explizit Teil des Systems – und deshalb regelmäßig auch vor dem Strafraum platziert. Als „Aufbauorganisator“, „Raumöffner“, „Passspieler“ und Lösung beim Pressing des Gegners.
- Ballbesitz ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Kontrolle
- Das Spielfeld wird in Zonen gedacht – jede Position ist Teil einer kollektiven Raumaufteilung
- Tempo und Rhythmuswechsel entstehen bewusst aus Struktur und Ordnung
- Jeder Spieler, inklusive des Torhüters, ist in den Aufbau eingebunden
- Ballverlust bedeutet nicht Defensive, sondern unmittelbare Ballrückeroberung
Quelle: GSN
Sein System hat Titz in den vergangenen Jahren von einem 4-3-3 zu einem sehr variablen 3-4-3 umgebaut. In der vergangenen Saison konnten die Magdeburger ohne Probleme zwischen verschiedenen Formationen wechseln. Besonders im 3-3-3-1 war der Torwart nicht nur eine Absicherung, sondern mitten ins Positionsspiel eingebunden – laut GSN „ähnlich einem zentralen Innenverteidiger mit Spielmacherqualitäten“.
Mit der Hilfe von KI haben die Analysten für alle Spieler berechnet, wie gut sie zu den Anforderungen unter Titz passen. Zieler erreicht mit einer Übereinstimmung von gerade einmal 28,37 Prozent den geringsten Wert aller Profis.
96-Kader und der neue Coach passen gut zusammen
Ansonsten passt der aktuelle Hannover-Kader laut GSN erstaunlich gut zu Titz. In allen Parametern des Spiels kommen 96 und Titz zu einer Gesamtübereinstimmung von 80,7 Prozent. Abzüge gibt es unter anderem wegen des Spieltempos und der Risikofreude in der Spielweise – da müssten die Hannoveraner sich noch anpassen. 96 habe bisher „traditionell eine etwas ruhigere und kontrollierte Spielweise bevorzugt“, auch die Verteidigung müsse „konsequenter und proaktiver“ werden. Außerdem werde die Pressingintensität höher und das Umschaltspiel schneller.
Enzo Leopold ist wie gemacht für den Titz-Fußball
Bestens geeignet für das Titz’sche System ist der Analyse nach der „spielintelligente“ Innenverteidiger Boris Tomiak mit einer Übereinstimmung von 90,41 Prozent. Auch die Neuzugänge Jonas Sterner (87,96 Prozent), der variabel im Mittelfeld eingesetzt werden kann, und Bastian Allgeier (85,52), der auf der rechten Außenbahn zu Hause sind, passen sehr gut ins Spiel. Für Benedikt Pichler, dessen Transfer erst am Montag bekannt gegeben wurde, ist mit 70,89 Prozenz die höchste Übereinstimmung bei den Stürmern notiert.
Sogar als „idealtypischen Spieler für Christian Titz“ beschreibt GSN Mittelfeldmann Enzo Leopold. „Er ist pressingresistent, passsicher, raumintelligent und spielt mit Übersicht. Im Zentrum kann er das Spiel strukturieren, sich intelligent in Zwischenräume bewegen und das Tempo bestimmen. Ob als Achter, Verbindungsspieler oder tiefer Spielmacher.“ Damit dürfte ihm nicht nur von seiner Position her eine zentrale Rolle zukommen.
Drei weitere Neuzugänge sind unbedingt nötig
Mit Pichler, Sterner, Allgeier, Marius Wörl, Benjamin Källman, Maurice Neubauer und Franz Roggow hat 96 schon sieben Neuzugänge präsentiert. Neben einem neuen Torhüter empfiehlt GSN aber mindestens zwei weitere Transfers: 1. Einen kombinationsstarken Angreifer mit Tempo und Übersicht, der nicht nur Zielspieler ist. 2. Einen technisch starken Mittelfeldspieler mit Offensivqualitäten. Zudem könnte der Kader (auch in der Breite) noch einen rechten Innenverteidiger für die Dreierkette und Verstärkung auf den Außenbahnen gebrauchen.
Alle Zu- und Abgänge der norddeutschen Fußball-Zweitligisten Kiel, Hannover 96 und Eintracht Braunschweig in der Saison 2025/2026 im Überblick.
Durch den Abgang von Mittelstürmer Nicolo Tresoldi nach Brügge, der selbst zwar auch nicht perfekt ins Profil gepasst hätte, aber besser geeignet gewesen wäre als die anderen, ist allerdings auch Geld in der Transfer-Kasse. Der deutsche U21-Nationalstürmer hat den Niedersachsen nach Clubangaben im Gesamtpaket eine Rekordablöse beschert.
Auf dem Weg „zum spielerisch dominanten Team der Liga“?
Ohne diese gezielten personellen Nachbesserung wird es aus Sicht der Datanalysten erneut nicht klappen mit dem Aufstieg. Ein weiterer Erfolgsfaktor wird zudem sein, wie schnell sich das kickende Personal auf den sehr anspruchsvollen Spielstil von Titz einstellt. GSN veranschlagt dafür, wenn es gut läuft, acht bis zehn Spieltage. Die Spielidee birgt allerdings auch große Gefahren und könnte den Gegner zum Toreschießen einladen.
Wenn allerdings ein Rädchen ins andere greift, so prognostiziert es GSN, könnte 96 „zum spielerisch dominanten Team der Liga reifen“. Und nach dann zehn Jahren könnte im kommenden Jahr endlich die Rückkehr in die Bundesliga gefeiert werden.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Zusammenarbeit zwischen NDR und GSN.