In Berlin-Köpenick entsteht mit dem „Klimahaus“ der Degewo ein Neubauprojekt, das auf nachhaltige Bauweise und energieeffiziente Technik setzen will. Während die Fassade im oberen Bereich bereits fertiggestellt ist, laufen die Arbeiten an den unteren Geschossen weiter. Trotz ökologischer Zielsetzungen wirft das Projekt Fragen nach Gestaltung, Wohnqualität und sozialer Durchmischung auf.
Die Fassade des Neubaus zeigt eine gleichmäßige, funktionale Gliederung mit regelmäßig angeordneten Balkonen und Fenstern – typische Merkmale effizienter, aber gestalterisch zurückhaltender Architektur im sozialen Wohnungsbau. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Mit dem Bauprojekt an der Salvador-Allende-Straße verfolgt die DEGEWO das Ziel, neue Maßstäbe für den kommunalen Wohnungsbau zu setzen. Der achtgeschossige Neubau soll im Herbst 2025 fertiggestellt werden und umfasst 112 Mietwohnungen sowie eine Gewerbeeinheit. Das Gebäude entsteht in Holzhybrid-Bauweise, die Beton mit tragenden Holzelementen kombiniert, um Emissionen zu senken und Ressourcen zu schonen.
Nach Angaben der DEGEWO soll das Haus den Effizienzhausstandard 40 NH erfüllen. Die CO₂-Emissionen pro Quadratmeter und Jahr sollen unter 24 Kilogramm liegen. Für die nachhaltige Ausrichtung strebt die DEGEWO Zertifizierungen von DGNB und dem Bundesqualitätssiegel QNG-PLUS an.
Energie- und Wasserkonzept des Klimahauses: Photovoltaik, Wärmepumpen und Zisternen zur Ressourcenschonung
Die DEGEWO stattet das Gebäude zusätzlich mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach aus. Diese erzeugen Strom für die Wärmepumpen, den Hausbetrieb und – anteilig – für Mieterstrom. Nur in Spitzenzeiten soll Fernwärme zum Einsatz kommen.
Darüber hinaus setzt die DEGEWO auf ein Regenwassermanagement, das den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes weiter verringern soll. Gründächer halten Wasser zurück, während Zisternen überschüssige Mengen speichern. Diese nutzt die DEGEWO später zur Bewässerung der Außenanlagen.
Architektur und Baustand des Neubaus: Funktionale Gestaltung, angepasste Kubatur und zurückhaltende Erscheinung
Vor Ort zeigt sich, dass die Arbeiten an der Fassade der oberen Geschosse weit fortgeschritten sind. Ein graubeiger Putz in Kombination mit weißen Brüstungen prägt das äußere Erscheinungsbild. Die Balkone sind regelmäßig angeordnet, die Fenster folgen einem klaren Raster. In den unteren Geschossen sind die Bauarbeiten noch im Gange. Der Bereich rund um das Erdgeschoss mit Gewerbeflächen und Hauseingängen ist noch nicht final ausgebaut.
Die Grundform des Gebäudes ist dennoch bereits gut erkennbar: ein klar gegliederter massiver Baukörper mit regelmäßiger Fensteranordnung, flacher Dachkante und zurückhaltender Farbgebung. Gestalterische Experimente sucht man vergeblich. Vielmehr erscheint der Baukörper klotzartig und funktional. Damit fügt sich das Gebäude in das von mehrgeschossigen Plattenbauten geprägte Umfeld ein. Höhe, Volumen und Anordnung folgen den vorhandenen Strukturen – wenn auch ohne architektonische Weiterentwicklung.
Genossenschaftsprojekt in direkter Nachbarschaft: Neue Wohnungen, enge Bebauung und Kritik aus der Bevölkerung
Nur wenige Meter vom DEGEWO-Projekt entfernt hat die Wohnungsbaugenossenschaft „Amtsfeld“ eG zwei neue Wohnhäuser mit insgesamt 77 Mietwohnungen errichtet. Die Gebäude sind bereits fertiggestellt und bezogen. Viele der Wohnungen wurden barrierefrei oder rollstuhlgerecht gebaut, was den sozialen Anspruch des Projekts unterstreicht.
Allerdings gab es im Umfeld auch deutliche Kritik. Anwohnende bemängelten die geringe Distanz zwischen den neuen Häusern und dem vorhandenen Bestand. Tatsächlich stehen die Neubauten der Genossenschaft sehr nah an den bestehenden Wohngebäuden. Ein schmaler Grünstreifen dient lediglich als räumliche Trennung. Zudem führte die notwendige Fällung mehrerer Bäume zu öffentlichen Diskussionen. Die Genossenschaft sicherte jedoch Ersatzpflanzungen zu und ergänzte das Projekt durch Solaranlagen auf den Dächern.
Zwischenbilanz an der Salvador-Allende-Straße: Pilotcharakter trifft auf praktische Umsetzung
Mit dem sogenannten „Klimahaus“ verfolgt die DEGEWO das Ziel, energieeffizienten und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen. Die eingesetzten Mittel – von der Holzhybridbauweise über Photovoltaik bis hin zur Regenwassernutzung – zeigen, dass technologische Lösungen im kommunalen Wohnungsbau zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Gleichzeitig verdeutlicht das Projekt aber auch eine strukturelle Herausforderung im geförderten Wohnungsbau: Um wirtschaftlich und förderfähig zu bleiben, liegt der Schwerpunkt oft auf Effizienz und Funktionalität. Dabei geraten gestalterische Qualitäten und wohnumfeldbezogene Aspekte schnell in den Hintergrund. Hinzu kommt, dass die Lage des Neubaus – eingebettet in ein homogenes Umfeld aus Großwohnsiedlungen – wenig Impulse für eine soziale Durchmischung bietet. Es entsteht der Eindruck, dass bezahlbarer Wohnraum räumlich konzentriert und planerisch funktionalisiert wird, ohne dass urbane Vielfalt bewusst gefördert wird. Wie sich dies langfristig auf das Quartier auswirkt, bleibt abzuwarten.
Blick auf das Degewo-Klimahaus an der Salvador-Allende-Straße: Die oberen Geschosse sind bereits mit einem hellen, strukturierten Putz versehen, während im Erdgeschossbereich noch Ausbauarbeiten stattfinden. / © Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Zwei neue Wohngebäude der WBG „Amtsfeld“ eG ergänzen das Quartier mit 77 Mietwohnungen. Viele davon sind barrierefrei. / © Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Zwischen Neubauten und Bestandsgebäuden verläuft lediglich ein schmaler Grünstreifen – ein Umstand, der in der Nachbarschaft wegen mangelnder Abstände und Verschattung kritisch diskutiert wurde. / © Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Quellen: DEGEWO, WBG „Amtsfeld“ eG, Architektur Urbanistik Berlin, Berliner Woche