Schon winzige Mengen, so groß wie Salzkörner, können tödlich sein. Das synthetische Opioid Fentanyl ist eine sehr viel stärkere Droge als Heroin und etwa hundertmal potenter als Morphium. In den USA sind im vergangenen Jahr mehr als 48.000 Menschen an synthetischen Opioiden gestorben – überwiegend an Fentanyl. Anfang des Jahres wurde Fentanyl in Frankfurter Straßenheroin festgestellt. Ist die Droge auch im Bahnhofsviertel angekommen?
Vornehmlich werden dort Crack und – noch immer – Heroin konsumiert. Doch bei Tests Anfang des Jahres haben Mitarbeiter des Drogenkonsumraums der Integrativen Drogenhilfe (IDH) 48 Verpackungen von Heroin auf Spuren von Fentanyl getestet. Mehr als die Hälfte davon war positiv.
Bisher spielten in Frankfurt nur Fentanyl-Pflaster eine Rolle, erklärt Oliver Müller-Maar, stellvertretender Leiter des Frankfurter Drogenreferats. Die Pflaster, die bei starken Schmerzen verschrieben werden, werden von den Konsumenten ausgekocht, injiziert, gekaut oder auf die Haut geklebt. Reines Fentanyl-Pulver spiele bisher keine Rolle beim bewussten Konsum, so Müller-Maar. „Der andere Fall ist, wenn Fentanyl-Pulver unbemerkt dem Straßenheroin beigemischt ist.“
Beigemischtes Fentanyl ist eine große Gefahr
Das sei bedrohlich, sagt Gabi Becker, Geschäftsführerin der IDH. Denn so wüssten die Klienten nicht, wie hoch sie ihren Stoff dosieren müssten, eine Überdosis werde wahrscheinlicher. „Fentanyl als Substanz ist sehr, sehr gefährlich“, sagt Becker. Bei einer Opioid-Überdosis setzt die Drogenhilfe auf das Gegenmittel Naloxon. Eine Überdosis durch Fentanyl hat es nach Beckers Wissen noch in keiner ihrer Einrichtungen gegeben.
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Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes des Vereins Jugendberatung und Jugendhilfe, will nicht von einer Opioid-Krise wie in den USA sprechen. Fentanyl tauche auch in anderen Großstädten eher vereinzelt auf, als Streckmittel für Heroin. Aber eine Gefahr sei die hochpotente Substanz dennoch. Um darüber zu informieren, veranstaltet das Drogenreferat am Mittwoch einen internationalen Fachtag zum Thema synthetische Opioide.
Konsum von Heroin in Frankfurt rückläufig
Auch die in Frankfurt vorgenommene und vom Drogenreferat geförderte Szenebefragung MoSyD (Monitoring-Systems Drogentrends), die jedes Jahr die aktuellen Entwicklungen auswertet, zeigt das. Der Anteil der Befragten, die Fentanyl konsumiert haben, ist deutlich zurückgegangen. Allerdings nimmt die Zahl der Teilnehmer zu, die angeben, in den 24 Stunden vor der Befragung Drogen konsumiert zu haben. „Das hängt aber mit der aktuellen Versorgungslage zusammen und nicht mit der Beliebtheit von Fentanyl“, erklärt Bernd Werse, Leiter der Studie. Insgesamt zeige die Szenebefragung, dass Fentanyl eine geringere Bedeutung im Konsumverhalten der Drogensüchtigen habe, so Werse. Auch der Konsum von Heroin sei rückläufig.
Er vermutet, dass Fentanyl eher in geringen Dosen Heroin beigemischt wird, um die schlechte Qualität des Stoffes zu „verbessern“ und ihn damit zu strecken. Denn es gibt erste Anzeichen für eine Verknappung des in Europa verfügbaren Heroins. Die Experten vermuten, dass das mit der Machtübernahme der Taliban zusammenhängt. Denn diese bekämpfen den Anbau von und den Handel mit Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird. Als Folge dessen wird Heroin durch synthetische Opioide wie Fentanyl oder auch Nitazene gestreckt.
Heroin mit Fentanyl oder Nitazenen gestreckt
Nitazene sind laut Werse noch stärker und gefährlicher als Fentanyl, da extrem schnell eine Toleranz entwickelt werde, was zu immer höheren Dosen führe. Ist nicht bekannt, wie viel genau im Stoff enthalten ist, kann das zu potentiell tödlichen Überdosen führen. Bisher spielen Nitazene nach Angaben der Experten keine wesentliche Rolle in Frankfurt. Allerdings mussten die Mitarbeiter von Becker vor einigen Wochen bei einer Überdosis durch Nitazene eingreifen. „Da waren wir ganz erstaunt“, sagt Becker. Eigentlich seien diese Stoffe eher in osteuropäischen Ländern und Irland verbreitet.
Um Überdosen durch unwissentlichen Konsum von Fentanyl oder anderen Opioiden zu vermeiden, fordern Experten und auch Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) schon seit Langem vom Land Hessen, den Einsatz von Drug-Checking zu ermöglichen. Eine Rechtsgrundlage dafür gibt es bereits.
Hauptgrund für Überdosierungen ist laut Studie der Konsum mehrerer Substanzen. Das bestätigt Müller-Maar. Die Szene habe sich insofern verändert, dass die Menschen zum Großteil und sehr intensiv Crack rauchten, „daneben aber auch nahezu alles konsumieren, was gerade verfügbar ist“. Dieser polyvalente Konsum „war noch nie so ausgeprägt wie aktuell“.
Die Drogenexperten sind „überzeugt“, dass das von Voitl geplante Suchthilfezentrum ein wichtiger Faktor sein wird, um die Lage im Bahnhofsviertel zu verbessern. Denn es biete Mehrfachkonsumenten einen geschützten Rahmen, der verhindere, dass sich Fentanyl oder andere Opioide unkontrolliert ausbreiteten, so Müller-Maar. Auch die Chance, tödliche Überdosierungen zu verhindern, sei im Suchthilfezentrum größer, sagt Becker.