Für viele ist Mozarts „Don Giovanni“ die „Oper aller Opern“, der Komponist stand 1787 bei der Uraufführung in Prag persönlich am Pult. Heute hat das Werk über den notorischen Frauenverführer zumindest inhaltlich mehr also nur ein Gschmäckle. Rein musikalisch aber ist sie ein Fest, auch für Konstantin Krimmel, 32, dem Star im Ensemble der Bayerischen Staatsoper. „Was mich natürlich reizt, ist überhaupt diese Rolle mal zu singen und zu spielen, wie sich das anfühlt. Dann die Komplexität rauszuarbeiten. Die vielen verschiedenen Farben und Charakterzüge.“ Der junge Bariton singt am Freitag, 27. Juni, die Titelpartie in der Neuinszenierung von Regisseur David Hermann, der ersten Premiere der bei den diesjährigen Münchner Opernfestspiele, die auch bei Oper für alle am 6. Juli zu erleben sein wird. Vladimir Jurowski dirigiert.
Montag: Orchesterhauptprobe
Es ist Premierenwoche. Nach knapp sechs Wochen Proben unserer „Don Giovanni“-Neuproduktion sind wir auf der Zielgeraden. Heute Abend ist die OHP (Orchesterhauptprobe). Die zweitletzte Probe. Die vergangenen Wochen waren sehr intensiv und anstrengend. Viel wurde ausprobiert, verworfen, neu entwickelt, sodass wir jetzt eine tolle neue Sichtweise auf dieses wundervolle und grandiose Stück haben. Nach einem ruhigen Morgen, der Gassi-Runde der zwei Alpinspitzweibchen (im Volksmund auch Chihuahua genannt), einer Joggingrunde über die Felder des Münchner Südens und einem späten Brunch, mache ich mich auf den Weg in die Oper. Für die Maskenzeit bin ich Eineinhalbstunden früher da. Einsingen, Maske, nochmal die Notizen im Klavierauszug checken … und los geht’s mit dem Durchlauf.
Dienstag: Ab in die BergeSein Markenzeichen, das Pumuckl-Käppi, ist bei Konstantin Krimmel auch auf dem Sulzkogl dabei. (Foto: privat)
Heute ist glücklicherweise frei. Ich nutze solche freien Tage zwischen Proben oder Vorstellungen immer sehr gerne, um den Kopf freizubekommen und mache mich auf den Weg in die Berge – Klettern, Bergsteigen. Irgendwas, um sich körperlich zu betätigen und das Hirn mit neuen Impressionen füttern. Oder ich fahre ins DAV-Kletterzentrum Thalkirchen – perfekt zum Bouldern, auch bei Regen. Bei gutem Wetter zieht es mich weiter hinaus, zum Beispiel nach Lenggries ans Brauneck, ins Zugspitzgebiet oder auch ins Kühtai in Tirol: ein herrliches Bergsteig- und Skitouren-Areal, westlich von Innsbruck, mit ganz vielen Möglichkeiten und Schwierigkeitsgraden.
Mittwoch: Abendessen beim Lieblings-InderAll die wundervollen Gewürze: Konstantin schätzt die indische Küche, sein indisches Lieblingsrestaurant trägt passenderweise den Namen „Indian Lovestory“ und liegt nicht weit von der Oper. (Foto: Imago)
GP – Generalprobe. Wenn Generalproben nicht gut laufen, dann wird es eine gute Premiere. So die Sage, der Mythos. Der Tag heute wird ziemlich ähnlich zu Montag. Mit den Hunden über die Felder, Frühstück, der Stimme „Hallo“ sagen und schauen, ob sie heute Lust hat. Noch ein paar Mails checken und ab in die Oper. An Proben oder Vorstellungstagen übe ich selbst nicht so wahnsinnig viel zusätzlich, wird schon genug gesungen. Die Routine bleibt gleich: Einsingen, ab in die Maske und sich richten lassen, neben schönen Gesprächen, ein letzter Check der Bühne und des Kostüms. Und dann beginnt der letzte Durchlauf vor der Premiere. Danach vielleicht noch ein Abendessen bei Indian Lovestory – mein Lieblings-Inder: grandioses Essen, nicht weit von der Oper, im Tal.
Donnerstag: Vitamin D tanken an der IsarIn München gibt es unzählige schöne Strecken zum Laufen, eine führt über den Flauchersteg. (Foto: Robert Haas)
Durchatmen. Erholen, nachwirken lassen, viel schlafen. Solche Tage sind ideal, um sie bei gutem Wetter in den Bergen oder an der Isar zu verbringen. Die Hunde bekommen ihren Auslauf, man selbst das so wichtige Vitamin D. Nachdem ich in meinem „Beruf“ ja so gut wie immer drinnen bin, nutze ich jede Gelegenheit an der frischen Luft. Auch die Premierengeschenke wollen noch organisiert werden. Ein Gespräch mit meiner Agentin steht an, ein Interview via Zoom für eine Konzertankündigung und sonst Text lernen für kommende Projekte und Konzerte. Texte auswendig lernen – Story of my life.
Freitag: Premierentag mit viel KaffeeEs gibt Sänger, die meiden Kaffee wegen Reflux-Beschwerden. Konstantin Krimmel nicht, er trinkt am Premierentag „Kaffee und noch mehr Kaffee“. (Foto: Robert Haas)
Endlich ist es so weit. Der Tag der Tage. Darauf haben wir alle hingearbeitet. Die Idee unserer Produktion ist relativ komplex und von der Erfahrung von Kollegen wie Vladimir Jurowskis und Regisseur David Hermanns zu profitieren, war und ist eine sehr spannende Aufgabe. Der Vormittag verläuft entspannt. Eine Runde joggen (die Hunde schlafen noch), Kaffee und noch mehr Kaffee, und dann mal schauen, was die Stimme so macht. Premierentage haben eine besondere Stimmung. Wir haben sechs Wochen auf diesen Tag und die folgenden Vorstellungen hingearbeitet. Das Publikum freut sich, und wir uns auch. Bei Neuinszenierungen ist es hier Brauch, dass jeder Mitwirkende ein kleines Geschenk bekommt. Es ist jedem selbst überlassen, für wen und wie viele man diesen Brauch umsetzt. Das kann was zu essen oder trinken sein, oder sonst ein brauchbarer Gegenstand. Dann ab in die Maske und das Spiel beginnt. Nochmal die Bühne checken, bevor der Vorhang aufgeht, und dann heißt es „Toi Toi Toi allen“.
Samstag: Theater oder Kletterhalle?Ins Theater, wenn’s die Zeit erlaubt: Konstantin Krimmel will sich die „Salome“ im Resi anschauen, hier Lisa Stiegler und Nicola Mastroberardino in einer Szene. (Foto: Birgit Hupfeld)
Viel ist heute wahrscheinlich nicht anzufangen. Die Premierenfeier gestern ging bestimmt noch lang. Zum Glück ist die nächste Vorstellung erst am Montag. Also ist das Wochenende tatsächlich frei, was sehr selten vorkommt. Ein Ausflug in die Kletterhalle oder zum Mini-Hofbräuhaus in den Englischen Garten, auch bekannt als Hunde-Biergarten … vielleicht einfach beides. Ohne Zeitdruck zum Klettern, das ist fein. Wenn’s die Zeit erlaubt, schaue ich mir auch gerne andere Opern- oder Theatervorstellungen in München an. Im Volkstheater lief kürzlich „Der Besuch der alten Dame“ – das hätte ich gerne gesehen. Heute Abend geht’s dafür ins Residenztheater: „Salome“ steht auf dem Plan. Davor ein Besuch bei Marta in Schwabing – großartiger Italiener. Oder danach ein Absacker im Weinhäusl in Haidhausen.
Sonntag: Träumen von den LofotenAufwachen in großartiger Landschaft: In der Sommerpause geht’s für Konstantin Krimmel im Camper Richtung Lofoten. (Foto: Imago/Zoonar/Fokke Baarssen)
So ganz nichts tun, bekomme ich nicht hin. Aber alles etwas langsamer angehen. Die Eltern besuchen, etwas Text lernen (irgendwas steht immer an und will gelernt werden), guten Kaffee trinken und sich Zeit lassen … Im Museum war ich lange nicht mehr, aber die letzte moderne Opernproduktion haben wir im Haus der Kunst gemacht, das war toll und eindrücklich: „Hanjo“ von Toshio Hosokawa. Vielleicht geht sich ja doch noch eine kleine Bergrunde aus, wobei es voll sein wird. Dafür wartet dann in der Sommerpause ein größerer Ausflug: Mit dem Camper geht’s Richtung Lofoten. Darauf freue ich mich sehr.
Sänger des Jahres 2024 beim „Opus Klassik“: Bariton Konstantin Krimmel, 32, Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper. (Foto: Daniela Reske Fotografie)
Der deutsch-rumänische Bariton Konstantin Krimmel erhielt seine erste musikalische Ausbildung bei den St. Georgs Chorknaben in Ulm. Seit 2021 ist er Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper. Bereits während des Studiums entwickelte er eine besondere Affinität zum Lied- und Konzertrepertoire – eine Leidenschaft, die ihn bis heute begleitet. Er ist Gewinner zahlreicher Wettbewerbe und war zudem BBC New Generation Artist. 2023 wurde er von den „Oper! Awards“ als bester Nachwuchskünstler sowie von der Zeitschrift Opernwelt als bester Nachwuchssänger ausgezeichnet. Den „Opus Klassik“ gewann er 2024 in der Kategorie „Sänger des Jahres“ und den „Grammophone Award“ für sein Album „Die schöne Müllerin“.