Ist das wirklich nötig? Hat Europa keine anderen Sorgen als das Wohlergehen von Haustieren? Man muss dem Europaabgeordneten Peter Liese von der CDU solche Frage gar nicht erst stellen – er beantwortet sie gleich vorauseilend.

Ja, sagt Liese, der russische Angriff auf die Ukraine, der Krieg im Nahen Osten, der Wirbelsturm namens Donald Trump, die Wirtschaftskrise, der Klimaschutz, das alles sei wichtiger als das Gesetz zum Schutz von Hunden und Katzen, welches die Institutionen der Europäischen Union gerade beschäftigt. Und trotzdem, sagt der Experte für Klima und Gesundheit, bestehe Handlungsbedarf. Das Thema Tiere berühre sehr, sehr viele Menschen, und zu denen zählt sich Liese auch selbst: Sofie heißt der Mischlingshund, den er gemeinsam mit seiner Frau vor einer griechischen Tötungsstation gerettet und mit nach Hause ins Sauerland gebracht hat. Sofie gehört jetzt zur Familie.

70 Millionen Hunde, mehr als 80 Millionen Katzen werden in der EU als Haustiere gehalten

In einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte der Abgeordnete Liese vor zwei Jahren ein Gesetz zum Schutz von Hunden und Katzen, die Kommission erkannte ebenfalls Handlungsbedarf. Mehr als 70 Millionen Hunde und mehr als 80 Millionen Katzen werden ihren Zahlen zufolge als Haustiere in der EU gehalten. In Umfragen äußern laut der Kommission mehr als drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger in der EU den Wunsch, dass der Handel besser reguliert wird: zum Schutz der Tiere, aber auch zum Schutz der Käufer.

Seit der Corona-Pandemie ist der Markt für die Haustiere in Europa explodiert. Auf 1,3 Milliarden Euro jährlich wird das Geschäftsvolumen geschätzt. 60 Prozent der Verkäufe werden mittlerweile über das Internet abgewickelt. In manchen europäischen Ländern – genannt werden immer wieder Rumänien und Bulgarien – haben sich mafiöse Strukturen gebildet, die mit Hunden und Katzen viel Geld verdienen. Von „Welpenfabriken“ ist die Rede.

Hunde in einer Tagesstätte. Mehr als 70 Millionen Hunde werden in der EU gehalten.Hunde in einer Tagesstätte. Mehr als 70 Millionen Hunde werden in der EU gehalten. (Foto: Daniel Bockwoldt/Daniel Bockwoldt/dpa)

Deutschland gilt als das wichtigste Abnahmeland für Katzen und Hunde. Und die Tiere, die hier ankommen, sind häufig in einem erbärmlichen Zustand – zu früh vom Muttertier getrennt, verängstigt, dehydriert, nicht tiermedizinisch untersucht, nicht geimpft und damit auch eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen.

Deshalb sollen alle verkauften oder verschenkten Hunde und Katzen in der EU in Zukunft, im Prinzip, mit einem Mikrochip versehen und in einer europaweit harmonisierten Datenbank registriert werden. Diese Pflicht zur Registrierung soll, im Prinzip, für alle gelten, die ein Tier verkaufen oder verschenken – auch für Züchter aus Drittstaaten, die in der EU Katzen und Hunde auf den Markt bringen. Dadurch soll die Herkunft der Tiere möglichst lückenlos nachverfolgbar werden, auch für staatliche Aufsichtsbehörden. Die Käufer sollen die Sicherheit haben, dass die Tiere ordentlich behandelt wurden. Und nebenbei erhofft man sich auch eine Entlastung der Tierheime, denn entlaufene oder ausgesetzte Katzen und Hunde lassen sich dank des Chips identifizieren.  Das ist der Kern des Gesetzes, über das die Europaabgeordneten an diesem Donnerstag im Straßburger Plenum abstimmen werden.

Wie streng sollen die Regeln für Züchter sein? Darüber wird noch debattiert

Wie weit diese Pflichten gehen sollen und für wen genau sie gelten, darüber gibt es im Parlament aber noch einigen Dissens. Er schlägt sich in vielen Änderungsanträgen nieder, über die an diesem Donnerstag mit abgestimmt wird.

Peter Liese stellte die Eckpunkte des Gesetzes am Mittwoch gemeinsam mit der Fraktionskollegin Manuela Ripa vor, die sich im Umweltausschuss federführend damit befasste. Dort, im Umweltausschuss, ist die Hausmacht der Tierfreunde besonders groß. Im Agrarausschuss dagegen versuchte man, die Regeln zu entschärfen. Begründung: Der Schutz von Landwirten und generell „Entbürokratisierung“ –  das ist derzeit das große Modewort im Brüsseler Politikbetrieb.

Katzen, die auf Bauernhöfen leben, sollen deshalb nach dem Willen der Agrarexperten im Parlament von der Chip-Pflicht ausgenommen werden. Die Pflicht zur Registrierung soll zudem nicht für kleine Züchter gelten. Als „klein“ definiert werden könnte ein Züchter, wenn er weniger als fünf Hunden und vier Katzen hat. Tierschutzverbände warnen, damit würden allzu große Schlupflöcher geschaffen.

Streit gibt es auch darüber, ob sich nur professionelle Züchter an die Regeln für Unterbringung, Pflege und den Umgang mit den Tieren halten müssen, die in dem Gesetz festgeschrieben werden sollen. Welpen und Kätzchen sollen demnach erst vom Muttertier getrennt werden, wenn sie mindestens acht Wochen alt sind.

Unabhängig davon, welche Mehrheiten sich im Europaparlament bilden: Fertig wird das Gesetz damit ohnehin nicht sein. Denn danach beginnen die finalen Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und den 27 EU-Regierungen. „Trilog“ nennt man das im Brüsseler Gesetzgebungsverfahren. Er bleibt auch Hunden und Katzen nicht erspart.