Berlin – Der Horror-Unfall vor der „Mall of Berlin“ (Berlin-Mitte) vom März 2024 hat bundesweit für Entsetzen gesorgt: Eine Mutter (41) und ihr kleiner Sohn (4) wurden damals auf dem Radweg von einem Ford Mondeo erfasst und tödlich verletzt.
Der Todesfahrer Peter R. (84) aus Charlottenburg steht jetzt vor dem Amtsgericht. Vorwurf: fahrlässige Tötung und Körperverletzung sowie gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.
9 Uhr, Saal 500: Viele Medienvertreter und Zuschauer. Vorn auf der Anklagebank, rechts neben seinem Verteidiger: der Rentner in Poloshirt und grauem Sakko. Sein Blick geht starr geradeaus ins Nichts.
Der Angeklagte Peter R. im Gerichtssaal
Foto: Olaf Wagner
„Am 9. März 2024 gegen 10.02 Uhr befuhr er mit dem Pkw Ford Mondeo die Leipziger Straße bis zum Ende der Busspur mit ca. 70 bis 90 km/h, obwohl hier eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h vorlag“, beginnt der Staatsanwalt die Anklageverlesung.
Peter R. soll bei Rot über eine Kreuzung gefahren sein, dann weiter auf dem Radweg, an den im Stau stehenden Autos vorbei. Mit Tempo 89 kam es dann zum Crash.
Unfallopfer 30 Meter durch die Luft geschleudert
Touristin Emeline C. aus Belgien und ihr in einem Buggy sitzendes Söhnchen Guy, die schon fast über die Straße waren, hatten keine Chance. Sie wurden 30 Meter durch die Luft geschleudert, starben wenig später im Krankenhaus. Grausam: Ihr Lebensgefährte musste alles mit ansehen. Wie auch die Schwester der Toten. Beide waren vorausgegangen, hatten den sicheren Fußweg schon erreicht.
Der völlig zerstörte Buggy am Unfallort an der Leipziger Straße in Berlin.
Foto: spreepicture
Der Angeklagte krachte noch gegen einen anderen im Stau stehenden Skoda, dann gegen einen Pfeiler am Straßenrand.
„Können Sie mich verstehen?“, fragt Richterin Franziska Bauersfeld. Der schwerhörige Angeklagte nickt. Seine Aussage zur Person: Rentner, verwitwet. Früher Fernfahrer. Führerschein seit 1962.
Der Todesfahrer mit seinem Anwalt im Gerichtssaal
Foto: Olaf Wagner
Raser-Rentner erinnert sich in Prozess an nichts
Und zum furchtbaren Geschehen: „Ich kann dazu nichts sagen.“ Dafür lässt er seinen Anwalt sprechen: Es tue ihm unendlich leid, dass es zu dem Unfall mit den schrecklichen Folgen kam. Er sei am Morgen auf dem Weg zum Grab seiner Frau in der Kolonnenstraße gewesen, als das Unfassbare geschah. Erinnern könne er sich daran nicht.
Im Gegensatz zu den Hinterbliebenen der Opfer: Ehemann Gregory D. (42) und Laurie C. (42), die Nebenkläger. „Es geht ihnen schlecht“, sagt ihr Anwalt. „Sie fühlen sich nicht in der Lage, zum Prozess zu kommen.“
Ein Rettungswagen an der Unfallstelle nahe der Mall of Berlin
Foto: spreepicture
Gregory D. könne bis heute nicht als Feuerwehrmann arbeiten. Nicht mal in der einstigen gemeinsamen Wohnung leben: „Eine Familie wurde zerstört.“ Eine Familie, die sich auf ihren ersten Wochenendtrip nach Berlin gefreut hatte.
Auch Unfallzeuge Erdal U. (48, Schlosser) kämpft bis heute mit quälenden Gedanken. Er kündigte den Job beim ADAC, weil er Unfallsituationen nicht mehr ertragen könne: „Ich ließ damals die Frau mit dem Kind vor mir die Straße überqueren, als dieses Auto plötzlich angeschossen kam.“ Dann quietschten die Reifen, Trümmerteile flogen. Er sei sofort nach vorn gerannt, habe in den Ford gegriffen, den Motor ausgemacht.
Viele Zeugen standen unter dem Eindruck des Geschehens
Foto: spreepicture
Nach dem Unfall hob er seinen kaputten Spiegel auf
Und der Fahrer? „Er stieg aus, besah sich erst mal sein Auto.“ Ein anderer Zeuge: „Er hob seinen kaputten Spiegel auf. Kein Blick auf das, was er Schlimmes angerichtet hatte. Für mich ein unnormales Verhalten.“
Skoda-Fahrer Peter K. (64, Tierarzt und Nebenkläger) erlitt beim Zusammenstoß u. a. einen Bandscheibenvorfall. Litt danach an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sein Auto: ein Totalschaden (13.086 Euro). Er sei heute ängstlicher, wenn er fahre. Auch andere Augenzeugen mussten in psychologische Behandlung.
Der Unfallgutachter: Der Ford hatte keine technischen Mängel. Der Angeklagte hätte bei rechtzeitigem Bremsen den Unfall vermeiden können. Bei 30 km/h. Aber auch noch bei an die 90 km/h.
Lesen Sie auchTotraser drohen höchstens vier Jahre Haft
Im Falle einer Verurteilung drohen Peter R. eine Geldstrafe bis maximal vier Jahre Haft (Höchststrafe am Amtsgericht). Allerdings prüft ein medizinischer Gutachter im Prozess auch, inwieweit er überhaupt schuldfähig ist. Seinen Führerschein hat er danach abgegeben.
Prozess-Fortsetzung: Mittwoch, 25. Juni. Der Strafrahmen reicht eigentlich bis zu 5 Jahren Haft. Allerdings wird der Fall am Amtsgericht verhandelt, und das kann maximal bis zu 4 Jahren gehen. Das scheint bei einem bisher Unbestraften unwahrscheinlich.