Am Montag, dem 7. April, legte Finanzbürgermeister Torsten Bonew auch den – noch vorläufigen – Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2024 vor. Ein Abschluss, der einerseits ein wenig Freude erzeugt, weil Leipzig – wieder einmal – einen Jahresabschluss im Plus vorgelegt hat. Aber dahinter steckt eben auch die leise Erkenntnis, dass die Stadt ihre dringend notwendigen Investitionen immer stärker nur noch über Kredite finanzieren kann und die Schuldenlast der Stadt auf einen neuen Rekordstand gestiegen ist.

Das kann nicht dauerhaft gut gehen. Auch wenn es der Stadt gelungen ist, durch deutlich höhere Steuereinnahmen ein Defizit im Gesamtergebnis in ein Plus zu verwandeln.

„Die Ratsversammlung hat die Haushaltssatzung der Stadt Leipzig für das Haushaltsjahr 2024 mit einem, aus der Corona-Pandemie resultierenden, negativen Gesamtergebnis in Höhe von rund -12,5 Mio. EUR im Ergebnishaushalt beschlossen“, beschreibt das Finanzdezernat die Ausgangslage. Zwischenzeitlich wurde sogar ein Minus von 65 Millionen Euro erwartet.

Doch Gesamtausgaben von 2,67 Milliarden Euro standen am Ende Einnahmen von 2,72 Milliarden Euro gegenüber. Das Gesamtergebnis nach Abzug des Sonderergebnisses beziffert das Finanzdezernat auf 50 Millionen Euro. Da noch einige Abrechnungsposten offen sind, geht das Finanzdezernat derzeit von einem mögliche Gesamtergebnis von 30 Millionen Euro aus.

Der höchste Schuldenberg seit 1990

Aber das bedeutet eben nicht, dass Leipzig in Geld schwimmt. Im Gegenteil. Wie in keinem der letzten Jahre musste die Stadt größere Kredite aufnehmen, um seine Investitionen zu stemmen.

Das klingt dann in der Vorlage des Finanzdezernats so: „Der Schuldenstand aus Krediten für Investitionen steigt von 524,3 Mio. EUR per 31.12.2023 um 483,2 Mio. EUR auf 1.007,5 Mio. EUR per 31.12.2024. Die Pro-Kopf-Verschuldung steigt damit um 792 EUR von 862 EUR auf 1.654 EUR.“

1 Milliarde Euro – das ist ein neuer Höchststand.

Nur zur Erinnerung: Den höchsten Schuldenstand der letzten 35 Jahre hatte Leipzig im Jahr 2004 mit 911 Millionen Euro. Eine Summe, die damals so bedrohlich wirkte, dass die Stadt ein über Jahre anhaltendes rigides Sparprogramm auflegen und sich gegenüber der Landesdirektion verpflichten musste, jährlich in Millionenraten die Kreditsumme zu senken.

Nur funktionierte das auch über Jahre ganz gut, solange die Stadt ihre Ausgaben auch selbst regulieren konnte. Aber das kann sie seit zwei Jahren nicht mehr, weil immer mehr Sozialausgaben, die eigentlich der Bund beschlossen hat, nun zu immer größeren Teilen aus kommunalen Geldmitteln finanziert werden müssen.

Das merkt das Finanzdezernat in seinem Bericht auch deutlich an: „Ungeachtet dessen, ist die Stadt Leipzig angehalten, gerade wegen der steigenden Pflichtaufgaben im Bereich Soziales und Migration, auch mit Blick auf die Planung des Doppelhaushaltes 2025 und 2026, sich einem freiwilligen Haushaltsstrukturkonzept zu unterziehen, um auch künftig einen Cash-Flow (Zahlungsmittelsaldo) aus laufender Verwaltungstätigkeit zu erreichen, mit welchem die durch die 2023 und 2024 aufgenommenen Investitionskredite deutlich gestiegene Tilgung auch bedient werden kann.“

Falsche Steuerpolitik und Kommunen am Ende ihrer Möglichkeiten

Denn genau diese Tilgung kann derzeit nicht mehr erwirtschaftet werden. Und für 2026/2027 ist dann absehbar, dass auch die Grenze der vom Freistaat Sachsen genehmigten Schuldenaufnahme erreicht wird, dass dann also auch kein Geld mehr für Investitionen verfügbar ist. Aber bislang verhallen alle Mahnungen etwa des Deutschen Städtetages. Alle diskutieren über das lächerliche 500-Milliarden-Investitionspaket, für das der Bundestag auch noch die Verfassung ändern musste, weil dort die neoliberale und völlig kontraproduktive Schuldenbremse verankert ist.

Aber währenddessen laufen die Kommunen im ganzen Land in ein Finanzierungsdesaster, das viel größer ist und viel mehr Schaden anrichten wird.

„Besonders dramatisch ist, dass dieses Defizit weitreichende strukturelle Gründe hat, vor denen wir seit Jahren warnen: Die Ausgaben steigen und steigen, die Einnahmen der Kommunen stagnieren. Im Ergebnis übersteigen die Ausgaben der Kommunen ohne eigenes Verschulden ihre Einnahmen inzwischen deutlich. Bund und Länder haben uns in der Vergangenheit immer mehr Aufgaben zugewiesen, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie finanziert werden können. Die Kommunen tragen etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben, haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das kann so nicht weitergehen“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, am 1. April.

„Es braucht weitreichende Reformen in der Finanzordnung von Bund, Ländern und Kommunen. Das Defizit ist so hoch, dass es von den Kommunen nicht ansatzweise aus eigener Kraft aufgefangen werden kann.“

Aber von einer Neuordnung ist nichts zu sehen. Denn diese würde eine gründliche – und gerechte – Steuerreform zur Voraussetzung haben. Und das in einem Land, in dem die Bürger ihre Stimmen vor allem Parteien gegeben haben, die auch noch milliardenschwere Steuersenkungen versprochen haben.

Die – das darf auch betont werden – das Land noch tiefer in die Schulden stürzen würden.

Ein klares Zeichen dafür, dass sowohl die meisten Wahlbürger als auch die meisten Politiker von Finanzen nicht sehr viel Ahnung haben und über das Niveau von Milchmädchenrechnungen nicht hinauskommen. Lieber laufen sie den falschen Märchen hinterher, Steuersenkungen würden den Wohlstand mehren und die Konjunktur ankurbeln. Doch das ist ein neoliberales Märchen.

Nur entscheidet sich gerade in den Kommunen, wie die so verführten Bürger dann die gelebte Demokratie tatsächlich erleben. Und nichts ist deutlicher im Lebensumfeld zu sehen als der Rückbau von kommunalen Dienstleistungen, Entlassungen und der Stopp dringend notwendiger Investitionen, nachdem das Land nun schon seit 30 Jahren systematisch heruntergespart wurde. Mit zukunftsfähiger Politik hat das nichts mehr zu tun.