Es ist Sonntag und Mohammad Hammoudeh baut gerade mit seiner Gruppe im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark die Hütchen für eine Torschuss-Übung auf. Die Übung könnte Teil eines jeden Trainings sein. Von außen verteilt er Lob, wie „guter Abschluss“ oder nimmt Spieler zur Seite, wenn die Übung nicht nach seinen Vorstellungen ausgeführt wird.

Kurz darauf erzählt Hammoudeh stolz, dass er fünfmaliger Deutscher Meister ist. Mit den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB) tritt er in der 1. Inklusiven Fußball-Liga Berlin an. Auch dieses Jahr konnte er sich mit seiner Mannschaft für die Deutschen Meisterschaften in Duisburg qualifizieren.

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Um aber wirklich Mannschaften zu trainieren, stehen Menschen wie Hammoudeh, die eine geistige Beeinträchtigung haben, nicht gerade die Türen offen. Deshalb ist er hier im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark.

Zusammen mit seinem Sportlehrer Oliver Zeidler, der mit Hammoudehs Mannschaft Athletiktraining macht, nimmt er an der Tandemausbildung „Doppelpass“ der Fußballlandesverbände aus Brandenburg (FLB) und Berlin (BFV), sowie den Behinderten- und Rehabilitationssportverbände (BSB) aus Berlin und Brandenburg und der AOK Nordost teil.

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Dieses Projekt soll Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen helfen, eine offizielle Trainerlizenz zu erhalten. Über drei Wochenenden wird in Tandems – eine Person mit Beeinträchtigung, eine ohne – die Grundqualifikation für den Erwerb einer Trainerlizenz erreicht. In eineinhalb Wochen, am Sonntag, bekommen die Teilnehmer ihre Zertifikate.

Hammoudeh ist nicht der Einzige, der die Ausbildung zum DFB-Basis-Coach macht. Insgesamt finden sich 20 Teilnehmer mit verschiedensten Hintergründen bei bestem Wetter im Jahnsportpark zusammen und unterstützen sich gegenseitig auf dem Weg, Trainer zu werden.

Nachdem im März der Pilot-Lehrgang in Brandenburg stattgefunden hatte, startet das inklusive Ausbildungsformat im Juni erstmals in Berlin. Der Initiator und Schirmherr des Projekts ist Lars Mrosko, der auch mal Scout unter Felix Magath war.

Mrosko ist seit Juni 2023 Inklusionsbeauftragter des FLB und Trainer der Landesauswahl Brandenburg für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Zu ihm seien immer wieder Menschen mit geistiger Beeinträchtigung gekommen, die Trainer werden wollen. Ihnen sei jedoch immer gesagt worden, „komm wieder, wenn du eine Trainerlizenz hast“. Diesen Menschen will er helfen.

Akuter Trainermangel, aber keine Förderung

Zudem gibt es laut Mrosko akuten Trainermangel, vor allem im Breitensport. Was für ihn die Frage aufwirft, warum nicht auch Menschen mit Beeinträchtigungen gefördert werden und diesem Mangel entgegenwirken können.

Das Projekt trifft beim DFB auf wenig Unterstützung, wie Mrosko erzählt. Warum kann er sich auch nicht erklären. Er ist der Meinung, dass der Inklusionslehrgang verpflichtend in das Programm von jedem Verband aufgenommen werden sollte.

Zwei Referenten der Landesverbände leiten den Lehrgang. In 40 Stunden über sechs Präsenztage verteilt, werden praktische und theoretische Inhalte vermittelt.

Mohammed Hammoudeh (links) und Oliver Zeidler nehmen im Tandem am Lehrgang teil.

© BFV

Der Tag beginnt mit einer Wiederholung und einem Quiz zu den Themen vom Vortag. Dann geht es auf den Platz – Ball führen mit dem starken und dem schwachen Fuß zum Aufwärmen. Die angehenden Trainer sind größtenteils versierte Dribbler.

Anschließend fangen die Teilnehmer an, in Kleingruppen Trainingseinheiten auszuarbeiten. Nach dem gemeinsamen Mittagessen kommt die Praxis auf dem Feld. Die Einheiten werden ausgeführt und anschließend mit allen reflektiert.

Immer wieder werden Methoden angewandt, die auf das Teilnehmerfeld abgestimmt sind. So werden zum Beispiel die gelernten Inhalte nach persönlicher Wichtigkeit in so etwas wie Fächer sortiert, um es anschaulicher zu gestalten. „Sowas sollte man in allen Lehrgängen anwenden“, meint Mrosko.

Die Leute kommen mit geknickter Körperhaltung hier an und gehen mit breiter Brust wieder raus.

Lars Mrosko, über die Entwicklung der Teilnehmer des Lehrgangs

Es wird auf jede Person und die jeweiligen Bedürfnisse Rücksicht genommen. Die ehemalige Torhüterin Kathrin Lehmann, die 2009 die Champions League der Frauen mit dem FCR Duisburg gewann, ist als Schirmherrin auch im Jahnsportpark vor Ort. In einer Fragerunde gibt sie Teilnehmenden Tipps, wie sie beispielsweise ihr Torwartspiel verbessern oder wie sie mit Diskriminierung umgehen können.

Lehmann nimmt auch an den vorgeführten Trainingseinheiten als Mitspielerin teil. Sie feuert die Teilnehmer an und wenn ein Tor fällt, springt sie dem Torschützen in die Arme. Auch sie vermittelt das Gemeinschaftsgefühl, welches während des gesamten Lehrgangs herrscht.

Die Teilnehmer nehmen aber auch außerhalb des Fußballs wertvolle Lektionen mit. Menschen, die vorher kaum in Prüfungssituationen waren oder frei reden mussten, werden hier ins kalte Wasser geworfen. „Die Leute kommen mit geknickter Körperhaltung hier an und gehen mit breiter Brust wieder raus“, beschreibt Lars Mrosko die Entwicklung, welche die Teilnehmer durchlaufen.

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Das Projekt nimmt so langsam Fahrt auf, im September findet der dritte Lehrgang statt und Mrosko ist mit den Verbänden aus der Schweiz und der Türkei im Gespräch, Lehrgänge dieser Art auch dort anzubieten.

Mit prominenten Gästen und der bald erhofften Unterstützung durch den DFB nimmt ein stetig wachsendes Projekt weiter Formen an. Aus dem ersten Lehrgang in Brandenburg haben es immerhin vier Teilnehmer geschafft, heute als Trainer tätig zu sein. Vielleicht auch bald Mohammad Hammoudeh.