Zuerst veröffentlicht am
19/06/2025 – 7:00 MESZ
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In Barcelona, Lissabon und Neapel haben am Sonntag Tausende gegen die „Touristifizierung“ ihrer Städte demonstriert. Warum sind Urlauber so unbeliebt?
In den vergangenen Jahren ist der Massentourismus in Europa und anderswo aufgrund mehrerer Faktoren sprunghaft angestiegen: „Mehr verfügbare Einkommen in den Mittelschichten vieler Länder“, „erschwinglichere Reisen in Bezug auf Flugkapazitäten, aber auch auf Flugpreise“ und „Grenzübertrittsmöglichkeiten, die sich im Laufe der Jahrzehnte radikal verändert haben“, zählt Sandra Carvao, Leiterin der Abteilung für Marktforschung und Wettbewerbsfähigkeit im Tourismus bei der UN, gegenüber Euronews auf.
So stieg die Zahl der internationalen Touristenankünfte laut der UN-Tourismusorganisation von 416 Millionen im Jahr 2005 auf über 747 Millionen im Jahr 2024 an.
Portugal zum Beispiel verzeichnete zwischen 2019 und 2024 einen Anstieg der internationalen Touristenankünfte von 18,1 Prozent, Spanien von 12,3 Prozent und Frankreich von 12,2 Prozent, so die UN. Im Gegensatz dazu gingen die Zahlen in Italien im selben Zeitraum um 10,5 Prozent zurück.
Tourismus schafft viele Arbeitsplätze – aber zu welchem Preis?
Auf der einen Seite schafft dieser Besucherzustrom Arbeitsplätze und Einnahmen für die Tourismusregionen. „Es ist ein beschäftigungsintensiver Sektor, also schafft er sehr, sehr viele Arbeitsplätze. Mehr als 50 Prozent dieser Arbeitsplätze werden von Frauen besetzt“ und „mehr als 80 Prozent der Unternehmen im Tourismus sind kleinere und mittlere Unternehmen“, so Sandra Carvao.
Im Jahr 2023 nahm Spanien nach Angaben der UN rund 80 Milliarden Euro im Zusammenhang mit internationalen Touristen ein. Frankreichs Einnahmen beliefen sich auf 62 Milliarden Euro, Italien und Portugal haben im Jahr 2023 49 beziehungsweise 24 Milliarden Euro durch den internationalen Tourismus eingenommen.
Aber zu welchem Preis? Staus, überfüllte Innenstädte: Der Massentourismus bringt zahlreiche Beeinträchtigungen für die Einheimischen mit sich.
Vor allem die Zunahmen von kurzfristigen möblierten Vermietungen ist ein Problem. Die Preise für Wohnugen und Immobilien steigen und macht es für Einheimische immer schwieriger, eine Bleibe zu finden.
Immobilienpreise exorbitant gestiegen
Zwischen 2015 und 2023 stiegen die Immobilienpreise in der Europäischen Union laut dem Statistischen Amt der EU, Eurostat, um durchschnittlich 48 Prozent. Diese Anstiege waren in Ungarn (+172,5%) am stärksten und in Finnland (+5%) am geringsten. Die Immobilienpreise stiegen im selben Zeitraum in Portugal um 105,8 Prozent, in Spanien um 47,7 Prozent, in Frankreich um 31,3 Prozent und in Italien um 8,3 Prozent.
Für die steigenden Mietpreise sind aber auch andere Faktoren wie steigende Baukosten und höhere Mietinvestitionen verantwortlich.
Viele Städte sind Opfer ihrer eignen Beliebtheit geworden und versuchen sich des Problems anzunehmen: Amsterdam hat den Bau neuer Hotels verboten und Dubrovnik hat die tägliche Anzahl von Kreuzfahrtschiffen, die anlegen dürfen, begrenzt.
„Die Branche selbst muss festlegen, wie hoch die Belastbarkeit an bestimmten Reisezielen ist“, meint Sandra Carvao von der UN-Tourismusorganisation. „In dieser Situation helfen die neuen Technologien, weil man mit der Verfolgung der Bewegungen von Menschen viel erreichen kann. Sie können mehr Daten haben und Sie können bessere Informationen bekommen“, fügt sie hinzu.
Ein weiterer Ansatzpunkt: „Es gibt Richtlinien, die eine Diversifizierung der Nachfrage über das Jahr hinweg beinhalten, sodass weniger Menschen zu bestimmten Zeiten reisen, sodass der Druck auf die Ressourcen des Reiseziels geringer ist“, fügt sie hinzu.
Auch Urlauber können etwas tun, indem sie weniger überlastete Reiseziele bevorzugen. Tatsächlich konzentrieren sich 42 Prozent der Touristen nur auf zehn Länder weltweit, darunter Frankreich, Spanien, die USA, aber auch Deutschland.