Steinhagen. Das Stichwort „Flüchtlinge“ lässt die Sozialen Medien zuverlässig explodieren. Zum Vergleich: Berichtet das „Haller Kreisblatt“ über eine Hochzeit, finden sich bei Facebook drei bis fünf Kommentare. Eine Wirtschaftsnachricht? Drei bis fünf Kommentare. Ein heftiger Unfall? Zehn Kommentare, vielleicht zwanzig. Ein Hotel wird zum Wohnheim für Geflüchtete? 61 Kommentare – dann beschränkt unsere Online-Redaktion den Zugang, um rechte Trolle abzuhalten, die solche Debatten natürlich auch anzieht.

An den Plänen, aus dem Graf-Bernhard 1344 eine Unterkunft für Asylbewerber zu machen, scheiden sich in Steinhagen die Geister. Die einen erkennen an, dass es sinnvoll und notwendig ist, die anderen verurteilen die Idee – entweder aus Angst vor den künftigen Bewohnern oder aus grundsätzlicher Abneigung gegen die Politik, so scheint es. Geld würde sinnlos „verpulvert“, statt es für die Bürger zu nutzen, heißt es in einer Facebook-Debatte oder auch einfach „Total bekloppt!“

Immer wieder wird der Ton dabei scharf, zum Teil beleidigend. Grund genug für viele, sich aus den aufgeladenen „Facebook-Debatten“ herauszuhalten. Eine, die sich dem trotzdem immer wieder aussetzt, ist Steinhagens Bürgermeisterin. Mit einer FAQ-Liste versucht Sarah Süß derzeit, den vielen Fehlinformationen und den aufgeheizten Gemütern im Netz etwas entgegenzusetzen.

Steinhagener Hotel Graf Bernhard 1344 wird Unterkunft

Im ehemaligen Hotel-Restaurant Graf Berhard werden bald Geflüchtete untergebracht. - © Jonas Damme

Im ehemaligen Hotel-Restaurant Graf Berhard werden bald Geflüchtete untergebracht.
(© Jonas Damme)

In einem Faktencheck beantwortet die 33-Jährige Fragen, die in der Debatte immer wieder auftauchen. Vorbehalte gegen den Umgangston in den Sozialen Medien oder gar Sorge, in einen „Shitstorm“ zu geraten, hat sie nicht. „Natürlich gibt es auch mal Kommentare, die man nicht gut findet“, sagt sie diesbezüglich. „Aber dann gibt man halt eine sachliche Antwort.“ Tatsächlich nutze sie nicht nur Facebook, sondern auch Instagram und einen WhatsApp-Kanal, um mit den Menschen in der Gemeinde ins Gespräch zu kommen.

Aus ihrer Sicht seien diese Plattformen eine gute Möglichkeit, mit den Menschen zu kommunizieren. Das würde heute zunehmend schwieriger. „Es ist einfach eine sehr niedrige Hemmschwelle. Viele Leute nehmen ja heute nicht mehr den Hörer in die Hand. Da ist das schon wichtig“, so Süß. Dass sie dafür manchmal noch abends auf dem Sofa weiterarbeite, nehme sie bewusst in Kauf.

Mehr zum Thema: Was sie zur Hotel-Flüchtlings-Unterkunft wissen müssen

Auch außerhalb des Internets hatte der Plan, im seit Jahren leer stehenden Hotel-Restaurant am Brückhof ab August Geflüchtete unterzubringen, viele Frage aufgeworfen. „Viele Anwohner haben uns kontaktiert“, berichtet die Verwaltungschefin. Mancher habe sie oder die Kollegen vom Sozialamt angerufen, andere seien auch im Rathaus gewesen oder hätten sie auf der Straße angesprochen. „Dabei fallen oft die gleichen Fragen“, berichtet Süß. Ihre Erfahrung zeige, dass auch die Informationen, die bereits in der Zeitung standen, nicht allgemein bekannt seien.

Steinhagens Bürgermeisterin gegen Falschinformationen

Steinhagens Bürgermeisterin Sarah Süß. - © Gemeinde Steinhagen

Steinhagens Bürgermeisterin Sarah Süß.
(© Gemeinde Steinhagen)

Das habe sie darauf gebracht, den Frage-Antwort-Katalog ins Netz zu stellen. „Manche glauben, da ziehen bald 44 Männer ein. Das stimmt nicht“, erklärt die Politikerin. Wer genau einziehe, sei noch gar nicht geklärt, es würden aber nur verträgliche Personen und Familien ausgewählt, die den Flüchtlingsberatern gut bekannt seien.

Fast in jedem Gespräch würde auch über eine „generelle Angst“ gesprochen, die die Pläne in der Nachbarschaft auslösten. Deshalb betone sie immer wieder, dass es für solche Ängste keinen Grund gebe: die Bewohner seien bekannte, vernünftige Leute. Auch darüber hinaus habe man bisher „durchweg positive“ Erfahrungen gemacht.

Lesen Sie auch: Integration von Geflüchteten in Containern gescheitert?

Da das Hotel direkt an einem Wohngebiet liegt, soll es auch einen Sichtschutz geben. „Der Zugang erfolgt über den rückseitigen Eingang. Zusätzliche Sichtschutzmaßnahmen sind geplant“, erklärt Sarah Süß. Überhaupt werde das Gebäude noch umgebaut, die Kosten trägt der Eigentümer, eine Haller Unternehmerfamilie.

Steinhagener Rathaus-Pläne stoßen auf Widerstand

Falsch ist der wiederkehrende Vorwurf, durch die Anmietung würden Steuergelder „verpulvert“. Tatsächlich ist es für den Steuerzahler deutlich günstiger, so ein leer stehendes Hotel zu mieten, als die bekannten Wohncontainer. „Container anzumieten ist extrem teuer, das Hotel ist definitiv günstiger“, so die Bürgermeisterin. Mit dem Graf-Bernhard werden die Wohncontainer am Hallenbad überflüssig. Zum Teil wurden sie bereits abgebaut, bis zum Ende des Jahres sollen sie komplett verschwinden. Das spart erhebliche Summen. Die konkreten Zahlen nennt das Rathaus nicht.

Zuletzt hatte ein Anwohner sogar Unterschriften gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Nachbarschaft gesammelt. 140 Menschen hätten sich auf der Liste eingetragen, berichtet Sarah Süß. Tatsächlich habe sie aber mit vielen der Betroffenen schon direkt gesprochen, das seien meist konstruktive Gespräche gewesen. „Wenn man mit den Menschen spricht, klingt es oft nicht so feindselig, wie es bei Facebook rüberkommt.“

Mehr als ein Dutzend Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, werden Steinhagen nach wie vor jeden Monat zugewiesen. Die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten endet also nicht mit der Anmietung des Hotels. Das Rathaus ist weiter auf der Suche nach geeigneten Immobilien. Wer Fragen zum Projekt hat, erreicht Sarah Süß unter Tel. 05204 997200 und die zuständige Sozialamtsleiterin Birgit Pape unter Tel. 05204 997208.

Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK