Die Medien feiern First Ladys – aber nur, wenn sie ganz exakt dem zeitgeistigen Frauenbild entsprechen. Charlotte Merz passt da offensichtlich nicht rein: zu unproblematisch, zu präsent, zu falsch verheiratet. Über eine Rolle, die früher Couture war und heute als Fehlkauf gilt.

Mit Charlotte Merz hätte Deutschland theoretisch wieder eine First Lady. Im Klatsch-Boulevard ploppt der Begriff vorsichtig auf, nach Jahren eines nicht erwähnenswerten Kanzlergatten und einem Jahr Britta Ernst (zur Erinnerung: das ist die Frau von Olaf Scholz) fremdelt man hierzulande noch mit dem glamourös besetzten Wort. In „seriöseren“ Medien wird das Thema First Lady gleich komplett ignoriert. Warum eigentlich? Charlotte Merz scheint nicht völlig abgeneigt, sich – in welcher Weise auch immer – in dieser Funktion zu präsentieren. Neben ihrer Tätigkeit als Richterin hat sie gerade noch ein paar Urlaubstage freigeschaufelt, um ihren Mann zum G-7-Gipfel zu begleiten. Hört sich nach einer modernen, glücklich realistischen, stabilen Ehe an, die die First Lady da – jetzt vor aller Augen – lebt.

Eigentlich doch ein schönes Empowerment-Stück für „Zeit Online“? Aber nein, sämtliche Redakteurinnen sind in der Frauen-gegen-Merz-Instagram-Gruppe und da reicht schon die geheuchelte Solidarität, um klarzustellen: die Frau von – und dann auch noch die Frau von Merz – kommt hier nicht vor. Man ist ohnehin schon ein paar Schritte weiter Richtung Matriarchat, grundsätzlich nicht in romantischer Stimmung, glorifiziert gerade lieber Scheidungen oder zählt den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß, den die Hochzeit von Jeff Bezos verursacht.

Auch bei den Haupstadtjournalist*innen des ÖRR ist das Verhältnis zu Charlotte Merz gespalten. Einerseits hat man sie für ihren höflichen Kommentar zur Leitkultur beim Parteitag in Berlin im vergangenen Jahr genüsslich gemobbt, andererseits beim Bundespresseball zwischen gratis Champagner, gratis Häppchen und Selfies womöglich feststellen müssen, dass die Merzens ja doch keine Nazis sind. Also schreibt man lieber gar nichts und verzichtet auf verlässliche Klicks.

Michelle oder nichts

Die Medien feiern First Ladys – aber eben, nur wenn sie ganz exakt dem Frauenbild entsprechen, das man gerne in „New York Times“-Essays und mit „Vogue“-Covern vermitteln möchte. So wie Michelle Obama. Sie war die richtige Frau von, mit dem richtigen Hautton, dem richtigen Ivy-League-Abschluss und der richtigen „Haltung“. Die linksintellektuelle Elite liebt es, sich selbst im Spiegel „progressiver“ Vorzeigefiguren zu betrachten. Michelle Obama war genau dieser Spiegel: Eine Frau, die gegen Rassismus ist, die Gleichheit predigt – und gleichzeitig ihre wichtigtuerischen Memoiren mit 65 Millionen Dollar Vorschuss verkauft.

Jackie Kennedy kam in ihrer Zeit ebenfalls gut an. Sehr schön, sehr gebildet, sehr gut erzogen, sehr katholisch, sehr sophisticated, sehr gut gekleidet in Chanel. Als Frauen noch äußerst geringe Ambitionen aufs Präsidentenamt hegten, rückte sie als First Lady erstaunlich nah ans Machtzentrum. Beizeiten überstrahlte sie sogar ihren Ehemann, sodass Jack Kennedy sich in Paris einmal als der „Mann von Jackie Kennedy“ vorstellte. Nach seinem Tod war sie wesentlich mitverantwortlich für das aufpolierte Erbe ihres Mannes, den heutigen Mythos JFK.

Eine traditionelle First Lady wie Jackie Kennedy wäre auch Melania Trump gerne geworden. Das hat sie 1999 in einem Interview mit einem Reporter von ABC News erzählt, der sich vorstellen konnte, dass Trump, damals noch Knauss, die nächste glamouröse First Lady werden könnte. Auf die Frage, ob sie dafür ihre Modelkarriere aufgeben würde, antwortete sie lässig: „I will stand by man“.

Trotz interessanter Persönlichkeit wird ihr später jede Anerkennung verwehrt. Die Medien verachten Donald Trump oder haben Angst vor ihm, also boykottieren sie auch die First Lady. Weil er sie immer wieder respektvoll in Reden erwähnt? Weil er sie nicht öffentlich betrügt, wie seine Vorgänger Kennedy und Clinton? Oder weil die beiden sich privat nichts erlauben, worüber man sich das Maul zerreißen kann? Melania reagiert mit Würde, greift zum Hut, schirmt sich ab und erledigt ihre karitativen Dienste mit einer beeindruckenden Egal-Haltung. Sie interessiert sich nicht dafür, was man von ihr denkt und bleibt lieber zu Hause, als sich beim G-7-Gipfel von Ursula von der Leyen schräg mustern zu lassen. Auf Umwegen wurde sie so zur selbstbestimmtesten First Lady, die es je gab.

Von Chanel zu Ohrfeigen

Mit der Bereitschaft, jede First Lady zu canceln, die nicht zur eigenen Weltanschauung passt, ist man im Grunde dabei, die Rolle – eigentlich eine wirkmächtige, diplomatisch wichtige und möglicherweise effektivere als ein G-7-Gipfel mit Klassenfahrtcharakter – abzuschaffen. Zunehmend zeigt sich die First-Lady-Krise nun auch in anderen Ländern. Etwa bei Brigitte Macron, die nach ihrem Gastauftritt in „Emily in Paris“ (ein Bild französischer Repräsentation, das in L.A. entworfen wurde, nicht in Paris) in Frankreich selbst vor allem Stirnrunzeln auslöste. Dazu kommt der übergreifende Antisemitismus, den ihr Mann neuerdings kultiviert. Jedenfalls scheint auch bei Madame Macron die Lust am Repräsentieren verflogen. Das zumindest erzählt die Ohrfeige vor laufender Kamera.

Hat Charlotte Merz nun First Lady Ambitionen, oder nicht? Die Antwort liegt wie immer im Outfit. Im Fall des G7-Trips ein grauer Hosenanzug, der nicht deutlicher sagen könnte „ich will nicht thematisiert werden“. Nachvollziehbar, siehe oben. Vielleicht ist die Rolle der First Lady einfach zu widersprüchlich für eine Zeit, die lieber weiter an Frauenbildern feilt, als sich mit echten Frauen zu beschäftigen.