Die Schauspielerin Ulrike Folkerts kennt man als Ludwigshafener „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal. Doch sie kann auch anders, wie sie Andrea Dittgen verriet.

Sie sind „Tatort“-Kommissarin in Ludwigshafen. Was ist der schönste Ort in Ludwigshafen?
Der schönste Ort ist die Blaue Lagune. Das ist ein Baggersee. Da haben wir auch schon gedreht. Da vergisst man, dass man in Ludwigshafen in einer Industriestadt ist. Es ist eine absolute Idylle. Außerdem mag ich wahnsinnig gern das Ludwigshafener Filmfest, das am Rhein ist und so viele Leute anzieht und eine schöne Atmosphäre hat. Den Pfalzbau kenne ich auch, da habe ich schon gespielt. Ein Gastspiel von meinem ersten Engagement in Oldenburg, Ende der 80er-Jahre, das Kinderstück „Peterchens Mondfahrt“. Ich war Annegret, die Schwester von Peterchen. Das ist lange her.

Ihre Auftritte am Nationaltheater in Mannheim sind auch lange her …
Die genauen Zahlen vergesse ich immer. Es war eine Gastrolle, das ist fünf, sechs Jahre her, ein schönes Stück von Noah Haidle „Für immer schön“. Da durfte ich die Hauptrolle spielen und hatte ein supertolles Ensemble, das mit mir dieses Stück auf die Bühne gebrachte habe, das war eine tolle Erfahrung, weil ich parallel gedreht hab. Da habe ich das ganze Filmteam eingeladen, und die waren überrascht, dass die Ulrike Folkerts, die sie nur als Lena Odenthal kennen, auch Theater spielen kann.

Wie schlimm ist es, dass die Leute Sie nur als Lena Odenthal kennen?
Das ist nicht schlimm. Das habe ich mir ja eingebrockt. Wenn man das so lange macht, ist es in die Stirn eingraviert. Aus der Nummer komme ich nicht mehr raus.

Im Prinzip ist es ja ein Glücksfall, dass man so eine Rolle fürs Leben hat…
Genau, es ist ein Glücksfall. Ich habe über viele Jahre kontinuierlich an dieser Rolle arbeiten können und wachsen können, Regisseure und Regisseurinnen kennengelernt und wahnsinnig viele Kollegen und Kolleginnen kennengelernt und Kostümbildnerinnen. Ich habe Kamerafrauen groß werden sehen, die waren Assistentinnen, als ich angefangen habe, jetzt sind sie an meiner Seite und drehen den Film. Ich habe den Moment, wo ich hätte gehen können sollen, verpasst. Und jetzt werde ich einen Teufel tun und damit aufhören.

Gab es so einen Moment?
Ja, es gab den Moment, wo ich traurig war über langweilige Bücher. Wir hatten so eine Art Fibel, was eine Kommissarin nicht. Sie darf keinen Alkohol trinken, sie soll nicht rauchen. Sie ist schließlich Vorbild. Sie darf sich auch nicht verlieben, weil das ihre Intelligenz schwächt. Das fand ich unmöglich, es war wie in einer Korsage. Da habe ich das Gespräch gesucht mit den Verantwortlichen, dass wir da wieder freier werden, mutiger vor allen Dingen.

Ist Ihnen ihr „Tatort“ mutig genug?
Manchmal sind sie da sehr mutig, wir haben experimentell gearbeitet, damals mit Axel Ranisch als Regisseur („Babbeldasch“, 2017). Ein improvisierter „Tatort“ war schon bemerkenswert und mutig.

Aber die Kommissarin darf keine Freundin haben und mit ihr zusammenwohnen …
Das wollte ich selbst nicht. Mein Coming-out war in einer Zeit, wo es echt heikel war. Und da hat man besser nicht darüber geredet, vor allem nicht in dieser Branche. Weil ich mir meinen Berufsweg nicht vermasseln wollte. Dann wird man nicht mehr als Ehefrau besetzt, als Objekt für die heterosexuelle Welt, das wollte ich vermeiden. Die Lena Odenthal hat da am Anfang kleine Liebesaffären, aber die Beziehung fand immer nicht statt, weil der Job zu wichtig wurde. Und ich habe gesagt: nein, die Odenthal wird nicht lesbisch. Es gab nach 15 Jahren die Idee, die könnte ja eine Beziehung haben mit einer Frau, aber ich wollte es nicht, weil es zu nah an mir persönlich ist.

Konnten Sie darauf einwirken, als Kopper gegangen ist, dass eine Frau an Ihre Seite kommt?
Sie war schon da, als Kopper noch da war. Es gab eine Veränderung, die war fällig. Und es war auch der Plan, dass es eine Frau werden muss, dass wir einen größeren Frauenanteil haben. Da war ich auch dran beteiligt.

Auch daran, dass Frauen inszenieren? Meistens inszenieren Männer den „Tatort“. In diesem Jahr haben sie einen gedreht mit einer Regisseurin, die aus der Pfalz stammt, Franziska Margarete Hoenisch aus Zweibrücken …
Richtig. Am Anfang gab es mal eine Frau, Nina Grosse, dann gab es immer mal wieder eine Frau. Die Frauenquote in der Regie wird tatsächlich seit mehreren Jahren eingefordert, und langsam spiegelt sich das auch in der Realität wider, dass 50-, 60-jährige männliche Regisseure angepisst sind, weil sie so lange an ihrem Status gearbeitet habe, und jetzt werden bevorzugt Frauen besetzt.

Hat es Sie nicht gereizt, selbst Regie zu führen?
Nein, nie, ich spiele viel zu gerne.

In welcher Weise darf Lena Odenthal alt werden im „Tatort“? Ich merke nicht, dass sie ruhiger wird …
Es gibt jetzt schon mal kleine Sätze, in denen sich Vorgesetzte lustig machen über Frau Odenthal, dass ihre Kolleginnen und Kollegen immer jünger werden und dass ihre Tage gezählt sind, aber eigentlich gibt es keine äußeren Merkmale, die zeigen, Frau Odenthal ist eine alte Tante und muss bald in Rente. Sie ist eine erfahrene älter Frau, die ein Team leiten kann.

Jetzt sind Sie gerade eine Boxtrainerin gewesen in Soko Stuttgart …
Da habe ich einen Ausflug gemacht.

Werden Sie häufiger für solche sportlichen Rollen angefragt?
Leider nicht, es steht in meiner Vita, dass ich sportlich bin und vieles kann, aber das ist nicht gefragt. Wann sehen Sie Filme, wo Frauen sportlich oder körperlich agil sind und das Teil der Rolle ist? Frauen sind entweder Bitches oder böse Chefinnen oder verlassene Ehefrauen oder eine verfolgte Mutter … die Rollen müssen noch geschrieben werden. Jetzt habe ich eine Drehbuchautorin kennengelernt, die schreibt etwas über Aktivistinnen und eine der Aktivistinnen war eine ehemalige Stuntfrau, die würde sie gerne mit mir besetzen. Das mache ich sofort.

Drehbuchschreiben können Sie doch auch!
Vor zwei Jahren habe ich angefangen, mir eine Geschichte auszudenken, letztes Jahr habe ich mich bei der Filmwerkstatt München beworben für einen Drehbuchworkshop, bin auch genommen worden und war neun Monate mit dem Drehbuchschreiben beschäftigt. Das heißt, zwei Monate schreiben, ein toughes Wochenende mit Dozenten und zehn anderen Kolleginnen und Kollegen, an dem Stoff arbeiten bis die Geschichte einigermaßen rund ist. Dann kommt am Ende ein Produzentenessen, bei dem wir den Stoff angeboten haben. Da waren tatsächlich drei Produzenten, die sich für das interessieren, was ich vorhabe, und jetzt bin ich motiviert, weiterzuschreiben. Das mache ich, wenn ich Zeit habe. Ob es mal ein Film wird? Reden wir in zwei bis drei Jahren mal drüber.

Welches Genre?
Eine Tragikomödie, wenn es mir gelingt. Es ist mir wichtig, dass ich beim Cast den Fokus auf Schauspielerinnen lege, die Ü50, Ü60 sind. Ich brauche einfach Hauptrollen für meine Altersklasse, das fehlt mir!

Es gibt da eine Rolle, die aus dem Rahmen fällt: „Ein Sommer in Amsterdam.“ Mit einer romantischen Lena Odenthal. Wie kam es dazu?
Ich wurde gefragt. Ich habe auch schon einen Rosamunde-Pilcher-Film gedreht. Das geht wohl über die Quote. Folkerts bringt Quote. Weil ich gerne mal etwas anderes probiere, habe ich ja gesagt. Es war ein bisschen skurril, aber ich mochte die Geschichte.

Kommt noch etwas in dieser Richtung?
Letztes Jahr habe ich einen „Friesland“-Krimi gedreht, da habe ich eine Reederin gespielt. Sonst ist nichts in der Pipeline.

Welche Rolle würden Sie gerne mal spielen?
In meinem eigenen Drehbuch wäre schon eine Rolle, die ich gerne spielen würde: Eine ü60-Jährige, die im Mittelpunkt steht und etwas über diese Generationen zu erzählen hat, eine Frau mit zwei erwachsenen Kindern, aber mit drei Müttern, weil ihr Vater mit drei Frauen in seinem Leben zusammen war und in dem Moment, wo man sein eigenes Leben leben möchte, hat man mit drei Müttern zu tun, um die man sich kümmern muss, und zwei Kindern, die nicht in die Puschen kommen. Das ist ein bisschen die Story. Ich würde auch gerne wieder Theater spielen, gerne auch mal wieder in einen Thriller spielen wie in „Die Leibwächterin“. Auch eine Komödie. Es kommt drauf an, Man muss mich einfach fragen, eigentlich bin ich zu allem Blödsinn bereit.

Sind Sie noch mit Ihren Lesungen auf Tour?
Ich unterstütze SOS Humanity, das sind die Schiffe, die im Mittelmeer die Flüchtlinge zu retten, da machen wir Lesungen im Theater, dieses Jahr sogar in Berlin, wo ich mitmache, da lesen wir Flüchtlingsgeschichten, um diese Problematik in die Gesellschaft zu bringen – und die brauchen Spenden. Mit meiner Biografie „Ich muss raus“ bin ich immer noch auf Tour.

Aber nicht in Ludwigshafen?
Die haben mich nicht eingeladen.

Aber die Saarbrücker Filmprofessorin und Regisseurin Sung-Hyung Cho („Full Metal Village“) hat sie eingeladen, als Gastprofessorin ein Blockseminar zu halten …
Sung-Hyung Cho hat mir eine bezaubernde E-Mail geschickt und mich eingeladen. Ich habe Rücksprache gehalten, was sie konkret von mir erwartet, da ich das noch nie gemacht habe. Dann hatte ich das Gefühl, ich würde es gerne ausprobieren. Aber ich will mich nicht vorne hinstellen und acht Stunden erzählen oder nur Filme gucken und dann reden wir über Filme. Ich wollte die Studenten zum Arbeiten bringen. Wir haben Schreibübungen gemacht, Szenen, die sie selbst geschrieben haben, gelesen, diskutiert, geprobt, aufgezeichnet, geschnitten. Die waren auch abends immer schön im Kino, hatten noch nie einen „Tatort“ gesehen, was auch amüsant ist. Das hat mich aber überhaupt nicht gestört. Ich habe gemerkt, dass ich sie mit dem Genre überraschen konnte. Sie hatten Spaß, es zu sehen. Meine Erfahrung ist eine positive.

Zur Person

Ulrike Folkerts, geboren am 14. Mai 1961 in Kassel, ist Schauspielerin und seit 1989 in der Rolle der Lena Odenthal in Ludwigshafen die längstdienende und beliebteste Tatort-Kommissarin. Zuletzt war sie 2025 im Tatort „Stelzenmann“ zu sehen. Folkerts steht auch auf der Theaterbühne und übernahm als erste Frau bei den Salzburger Festspielen im Jedermann 2005 und 2006 die Rolle des Tods. Sie veröffentlichte drei autobiografische Bücher, zuletzt „ich muss hier raus“ (2021). Im Juni ist sie Gastprofessorin an der HBK in Saarbrücken.

Termine

Beim SWR Sommerfestival in Speyer gibt es zum einen eine große Festivalmeile mit Bühnenprogramm und Zelten von Altpörtel bis zum Dom eintrittsfrei am Samstag, 28. Juni, 15 bis 21 Uhr und Sonntag, 29. Juni, 12 bis 18 Uhr zum Blick können hinter die Kulissen von Fernsehen, Radio und Online-Welt des SWR. Am Sonntag ist ARD-Familientag, bei dem unter anderem der „Tigerenten Club“ Spiele auf die Bühne. Dort treten außerdem das SWR-Symphonieorchester sowie Moderatoren und Experten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf. Bereits Freitag, 27. Juni, hat um 19.30 Uhr der neue „Tatort“ mit dem Titel „Mike & Nisha“ Premiere in der Gedächtniskirche. Nach Angaben auf der SWR-Website ist diese Veranstaltung ausverkauft. Am 27. Juni ab 19.30 Uhr treten im Technik Museum in Speyer Star-DJ Alle Farben und Agatino Romero auf, am 28. Juni ab 19.30 Uhr dort The Hooters und Wolf Maahn. Den Abschluss macht Helge Schneider, der erstmals mit der SWR-Bigband auftritt, am 29. Juni ab 19.30 Uhr. Tickets: SWR.de/Sommerfestival oder unter 06131 929 21321.