Der Berliner Integrationsstaatssekretär Max Landero hat der Einschätzung von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hinsichtlich möglicher Fehler beim Umgang mit dem homosexuellen Lehrer Oziel Inácio-Stech widersprochen. Der Lehrer hätte Hilfe und Unterstützung gebraucht, sagte Landero (SPD) im Bildungsausschuss. „Wir sehen schon Ansätze, dass wir dort strukturelles Versagen haben.“ Es gehe nun darum, gemeinschaftlich zu versuchen, es besser für die Zukunft zu machen.

Die Senatorin Günther-Wünsch hatte zu einem früheren Zeitpunkt erklärt, es könne nicht von einem kollektiven Versagen oder einem Versagen des Systems gesprochen werden.

Inácio-Stech ist nach eigenen Angaben an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit von Schülern monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt worden. Er beklagte zudem Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin. Er kritisierte Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung, ihm nicht geholfen zu haben. In dem Zusammenhang sprach er von einem „kompletten Systemversagen“.

Senatorin lehnt Beschwerdestelle ab

Landero sagte, er selbst habe Inácio-Stech noch nicht getroffen. Der Ansprechpartner Queeres Berlin, Alfonso Pantisano, habe aber frühzeitig mit ihm Kontakt aufgenommen. Es habe eine Reihe von Gesprächen gegeben – „im ersten Schritt eher emotional-stützend“ angesichts der Leidensgeschichte, die einen erheblichen Druck für die betroffene Person bedeute.

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Landero ist Staatssekretär für Integration und Antidiskriminierung in der Sozialverwaltung von Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Dort ist auch die Stelle des Ansprechpartners Queeres Berlin angesiedelt.

Oziel Inácio-Stech ist nach eigenen Angaben an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit von Schülern monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt worden. 

© picture alliance/dpa/Hannes P Albert

Erneuten Forderungen nach einer unabhängigen Beschwerdestelle erteilte Günther-Wünsch im Bildungsausschuss eine Absage. Die Senatorin wies auf organisatorische und nicht zuletzt finanzielle Hürden hin. „Der entscheidende Punkt ist, dass die Finanzverwaltung angesichts der aktuellen Lage weniger denn je als vorher überhaupt keine Möglichkeit sieht, das Ganze finanziell und personell zu unterlegen“, sagte Günther-Wünsch. 

„Nichtsdestotrotz bin ich sehr gerne bereit, darüber zu sprechen, welche Strukturen überarbeitet, ergänzt, optimiert werden können.“ Die Senatorin hatte sich schon zuvor skeptisch geäußert und gewarnt, es gebe bereits viele mögliche Ansprechpartner. Es sollte eher darüber beraten werden, ob sich das Angebot für Betroffene übersichtlicher gestalten lasse. 

Gewerkschaft hält die bisherigen Angebote für unzureichend

Unter anderem die Grünen-Fraktion hatte eine unabhängige Beschwerdestelle für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Beschäftigte gefordert. Auch die Berliner GEW vertritt diesen Standpunkt. Das aktuelle Beschwerdemanagement sei nicht ausreichend, kritisierte die Gewerkschaft anlässlich der Ausschusssitzung. 

Vor der Sitzung des Schulausschusses am Donnerstag hatte der Landesbeirat des pädagogischen Personals den Bildungssprecher:innen im Abgeordnetenhaus ein Konzept für eine Beschwerdestelle für das pädagogische Personal vorgelegt. Pädagog:innen an Berliner Schulen, insbesondere Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher, stünden unter wachsendem Druck, heißt es darin. „Neben strukturellen Belastungen häufen sich Berichte über Mobbing, Diskriminierung, Machtmissbrauch oder unangemessenes Verhalten durch Behörden.“

Der Vorschlag: Eine von der Bildungsverwaltung unabhängige Anlaufstelle, die vertraulich agiert, Lösungswege initiiert, vor Repressalien schützt und als „neutrale Instanz zwischen Betroffenen, Behörden und Schulleitung etc.“ moderieren und vermitteln kann. Darüber hinaus soll sie „strukturelle Missstände erkennen und systemische Verbesserungen anstoßen“.

Das aktuelle Beschwerdemanagement sei nicht ausreichend, teilte die GEW Berlin am Donnerstag mit. „Die existierenden Strukturen sind entweder zu sehr im System verankert – damit entsteht das Risiko der Befangenheit – oder es sind zivilgesellschaftliche Stellen außerhalb der schulaufsichtlichen Strukturen, die wiederum keine Eingriffsrechte haben, wenn Diskriminierung vorliegt“, erklärte Detlef Mücke von der AG Schwule Lehrer der GEW.

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Nötig seien bezirkliche qualifizierte Beschwerdestellen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, „außerhalb der Hierarchie für schulisches Personal“. Die GEW fordert seit Langem unabhängige Beschwerdestellen für Diskriminierung und hat dazu bereits 2016 auch ein Rechtsgutachten vorgelegt.

Der Fall Oziel Inácio-Stech habe ihn sehr berührt, sagte Mücke dem Tagesspiegel. Er lege offen, dass das Beschwerdemanagement bei Mobbing oder Diskriminierung nicht richtig funktioniere, weshalb es eine unabhängige, nicht weisungsgebundene Beschwerdestelle brauche. (mit dpa)