Die Welt verändert sich, und wer sich nicht trotzig die Augen zuhält, dem bleibt nichts anderes, als sie mitzugestalten. In der Architektur kommen da gleich viele Ebenen zusammen: der Einfluss, den das Bauen wegen seiner Zement- und Müllproduktion auf den Klimawandel hat. Die sozialen Zusammenkünfte, die mit jedem Bauwerk ermöglicht oder verhindert werden. Und nicht zuletzt die Ästhetik dessen, was uns umgibt.
Ein Plakat für den Tag der Architektur.
© Teresa Roelcke
Den Berliner Architektinnen und Architekten ist das ganz offensichtlich bewusst. Gerade haben sie die Vertreterkammer ihrer Kammer neu gewählt. Mit zwölf Vertreter:innen sind mehr als ein Viertel der 41 Mitglieder von den Architects for Future, die sich für die Bauwende einsetzen, also klimaschonendes Bauen und Planen.
Der neu gewählte Präsident Eike Roswag-Klinge steht für die Forschung an nachhaltigen Baustoffen. Und wenn man besichtigt, was Berliner Architekturbüros aktuell planen und entwerfen, dann findet man etliche Ideen für die Zukunft.
Vieles davon lässt sich am Tag der Architektur besichtigen, am 28. und 29. Juni, an dem neue Bauwerke von Berliner Büros der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, mit oder ohne Führung, und an dem auch viele Büros selbst ihre Türen öffnen.
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Die Kita von Ludloff Ludloff in Lichtenberg ist zirkulär gebaut.
© Teresa Roelcke
Umsehen kann man sich dann zum Beispiel in und um die Kita, die Ludloff Ludloff Architekten im Auftrag des Bezirksamts Lichtenberg in der Gudrunstraße gebaut haben. Komplett zirkulär ist sie gebaut: Quasi alles ist aus Holz, noch nicht einmal verschraubt oder verklebt wurden die Holzteile miteinander.
Neuartiges Bauen mit kleinem Budget
Stattdessen sind die einzelnen Holzelemente per Steckverbindungen miteinander verbunden, sodass man sie auch wieder auseinander nehmen und an einem anderen Gebäude weiterverwenden könnte. Selbst der Aufzug ist aus Holz.
Alles ist aus Holz zusammengesteckt in der Kita von Ludloff Ludloff in Lichtenberg.
© Teresa Roelcke
„Wir hatten dafür kein besonderes Budget, sondern es war ein ganz normales öffentliches Bauvorhaben“, sagt Architektin Laura Fogarasi-Ludloff. „Wir wollten zeigen, dass man auch mit normalem Budget zirkulär bauen kann.“
Das Kita-Gebäude ist nicht nur wegen seiner klimafreundlichen Bauweise besonders, sondern auch durch die räumlichen Details, die Nutzungsmöglichkeiten für die Kinder eröffnen: Neben der großen, „offiziellen“ Küche gibt es zum Beispiel auch eine Kinderküche, in der sie selbstständig Mahlzeiten zubereiten können. Und in den Sanitärbereichen sind die Wickeltische mit kleinen Treppchen ausgestattet, sodass die Kinder ohne fremde Hilfe hoch und herunter klettern können.
Tag der Architektur
Am Tag der Architektur können am 28. und 29. Juni bundesweit neue Bauwerke und Architekturbüros besichtigt werden. An vielen Orten gibt es auch Führungen.
In Berlin gibt es Besichtigungsmöglichkeiten in allen zwölf Bezirken, in einigen Fällen ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Das Programm finden Sie hier.
Ein anderes Projekt, das am Tag der Architektur besichtigt werden kann, sind die Atelier Gardens in Tempelhof. Auf dem Gelände der ehemaligen Ufa-Filmstudios entsteht aus den Bestandsgebäuden ein neuer Gewerbe-Campus, auf dem sich vor allem soziale und nachhaltige Unternehmen ansiedeln sollen.
Blick aufs Tempelhofer Feld vom Dachpavillon der Atelier Gardens aus.
© Teresa Roelcke
Vom Tempelhofer Feld weithin sichtbar ist das Haus 1: ein einst unscheinbares Bürohaus aus den 1990er-Jahren, das nun in das sonnengelbe Entrée-Gebäude für den Campus umgewandelt wurde, mit einem neuen Dachpavillon aus Holz, neuen flexiblen Bürolandschaften im Inneren und einer skulpturalen Metalltreppe außen, die selbstverständlich auch nur geschraubt und nicht geschweißt ist, damit das Metall auch andernorts weitergenutzt werden kann. Das Regenwasser, das auf dem Holzpavillon auf dem Dach gesammelt wird, spült im Hausinneren die Toiletten durch.
So ist das, wenn man mit wiederverwendeten Materialien baut: Es entsteht ein etwas rougher Charakter.
Markus Hirschmüller, Architekt
Markus Hirschmüller vom Büro Hirschmüller Schindele Architekten hat die Gebäudetransformation mit erarbeitet. Das Architekturbüro hat inzwischen auch seinen Sitz im gelben Haus. Die Glastrennwände im Büro und auch die Türen sind wiederverwendet.
Insgesamt etwas rau
Bezüglich der Glaswände, die außen noch mit einem zusätzlichen Holzrahmen eingefasst sind, weist Hirschmüller darauf hin: „Die passen nicht ganz, man sieht hier etwas skurrile Fugen. So ist das, wenn man mit wiederverwendeten Materialien baut: Es entsteht ein etwas rougher Charakter.“ Aber genau das wollen sie in ihrem Büro auch sichtbar machen.
Auf den neuen Campus der Atelier Gardens ist kürzlich auch das Bauhaus Erde gezogen, ein „Think und Make Tank“, das sich zum Ziel gesetzt hat, nicht nur dazu beizutragen, dass die gebaute Umwelt künftig keine CO₂-Schleuder mehr ist, sondern sogar die Emissionen absenkt.
Neben Büroräumen hat das Bauhaus Erde auch eine Werkstatt auf dem Gelände, und auch sie kann im Rahmen des Tags der Architektur besichtigt werden.
Patricia Jeglitsch forscht in der Werkstatt des Bauhaus’ Erde an neuen Baustoffen.
© Teresa Roelcke
In dieser Werkstatt forscht Patricia Jeglitsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin für experimentelle Bauforschung, an innovativen Baumaterialien. Ein Experimentierfeld sind zum Beispiel Lehmbausteine aus Aushub-Material, die komplett recycelt werden können. Ein solcher Lehmbausteintyp mit Aushub aus Marzahn wurde bereits zugelassen, berichtet Jeglitsch.
Auch in puncto Wohnungen und Wohnungsbau führt der Tag der Architektur einiges vor: In der Kreuzberger Yorckstraße zeigt zum Beispiel der Architekt Van Bo Le-Mentzel, wie er mit seiner fünfköpfigen Familie auf 57 Quadratmetern wohnt – mit dem Anspruch, dass trotzdem jeder seinen eigenen Rückzugsort hat. Und in Spandau am Havelufer Quartier ist durch die Planung von Bollinger + Fehlig Architekten eine kleine Siedlung von Townhouses entstanden, unter dem Dach einer denkmalgeschützten Scheddachhalle, die weiter genutzt wird.
Die Autorin ist Mitglied im Beirat des Tags der Architektur.