Werther/La Foux d’Allos. Gut zehn Jahre ist es her, als sich ein unfassbares Unglück in den französischen Alpen ereignete. Am 24. März 2015 stürzt ein Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings in das Bergmassiv Trois-Évêchés. Alle Insassen kommen bei dem Absturz ums Leben. Unter den Toten ist auch das Ehepaar Rosse aus Werther. Während der Ermittlungen zur Ursache stellt sich schnell heraus, dass es kein Unfall war.
In dieser Folge von „Ostwestfälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, sprechen Birgitt Gottwald und die ehemalige Bürgermeisterin von Werther, Marion Weike, über das Flugzeugunglück, das die Stadt Werther lange beschäftigt hat.
Vom Absturz erfahren hatte Marion Weike aus dem Radio. „Am Tag des Unglücks hatten wir abends eine Ausschusssitzung im Stadtrat“, sagt sie und erinnert sich, dass während der Sitzung schnell das Gerücht aufkam, dass sich an Bord der Unglücksmaschine auch Personen aus Werther befunden haben sollen. „Die Lufthansa hatte ein Infotelefon eingerichtet“, sagt sie weiter. Als sie dort nachfragt, wird bestätigt, dass sich das Ehepaar Rosse unter den Opfern befand. Nicht nur die Bürgermeisterin, sondern auch viele Einwohner sind von den Nachrichten erschüttert. „Alle standen unter Schock und konnten es nicht fassen“, sagt sie.
Erweiterter Suizid – der Fall im Überblick:
- Am 24. März 2015 stürzt eine Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ab. Schnell wird festgestellt, dass es sich um einen bewusst herbeigeführten Absturz handelte.
- Der Co-Pilot beging einen erweiterten Suizid und riss 150 Menschen mit in den Tod.
- An Bord der Maschine befand sich auch das Wertheraner Ehepaar Rosse. Die Nachricht von dessen Tod versetzt viele Bewohner der Stadt Werther in einen Schockzustand. Er herrscht tiefe Trauer.
- Während der Ermittlungen kommt heraus, dass der Co-Pilot an Depressionen und einer Psychose litt und er zum Zeitpunkt des Unglücks flugunfähig war.
- Die Hinterbliebenen der Opfer verklagten die Lufthansa auf Schmerzensgeld. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Zu Dieter Rosse hatte Marion Weike ein ganz besonderes Verhältnis, denn er war nicht nur ein langjähriges Ratsmitglied, sondern auch ihr damaliger stellvertretender Bürgermeister. Seine Frau Ursula war bis zu ihrer Pensionierung Erzieherin in der Kita Nazareth. Sie und ihr Mann engagierten sich sehr für die Stadt Werther, etwa in der Gemeinde, im Heimatverein oder der Freiwilligen Feuerwehr. Dass sie aufgrund eines erweiterten Suizids aus dem Leben gerissen wurden, „machte uns alle fassungslos“, sagt Weike.
Denn schnell stand damals fest, dass der Absturz kein Unglücksfall war. Die gefundene Blackbox der Maschine brachte die Erkenntnis, dass der Co-Pilot den Airbus, der von Barcelona nach Düsseldorf unterwegs war, ganz bewusst zum Absturz brachte. Nachdem der Flugkapitän die Kabine verlassen hatte, leitete sein Co-Pilot einen Sinkflug der Maschine ein. Der Airbus zerschellt auf einer Höhe von gut 1.500 Metern im Bergmassiv der französischen Alpen. An Bord kamen 144 Insassen und die sechs Besatzungsmitglieder ums Leben. Unter den Opfern ist neben dem Ehepaar Rosse, dass von einem Besuch des Bruders von Ursula Rosse kommt, auch eine 10. Schulklasse aus Haltern am See.
Inmitten von Blumen steht eine steinerne Gedenkstele mit der Aufschrift „In Erinnerung an die Opfer des Flugzeugunglücks vom 24. März 2015“ in den vier Sprachen Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch.
(© picture alliance / dpa)
Co-Pilot litt an Depressionen und einer Psychose
Die damaligen Ermittlungen brachten ans Tageslicht, dass der Co-Pilot, der mit seinem Suizid fast 150 Menschen mit in den Tod riss, nicht mehr flugtauglich war. Es kam heraus, dass er an einer Psychose litt und Depressionen hatte. Ein Arzt hatte ihn zwei Wochen vor dem Absturz deshalb krankgeschrieben, dies jedoch aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht dem Arbeitgeber mitgeteilt.
Für das verunglückte Ehepaar Rosse gab es in Werther eine Gedenkfeier, an der rund 300 Leute teilnahmen. Im Kölner Dom wurde kurze Zeit später ebenfalls eine Trauerfeier mit 1.600 Teilnehmern veranstaltet. Marion Weike erinnert sich noch gut an diesen Moment: „Alle Angehörigen der Opfer waren gekommen. Es gab Reden von verschiedenen Personen, darunter vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und von Hannelore Kraft“, sagt sie. Ihr selbst ist diese Feier noch in lebhafter Erinnerung.
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Hinterbliebene der Opfer klagten Schmerzensgeld ein
Das Ehepaar Rosse, dessen Identität, wie bei allen anderen Opfern auch, durch einen DNA-Abgleich ermittelt wurde, ist nach der Überführung aus der Unglücksregion auf dem Friedhof in Werther bestattet worden. Die Trauerfeier dazu fand im Juni 2015 statt. Ursula Rosse hinterließ eine erwachsene Tochter und eine Enkeltochter. Ihr Mann Dieter zwei erwachsene Söhne. Für das Paar war es jeweils die zweite Ehe.
Nach dem Unglück stellten viele Hinterbliebene der Opfer vor dem Oberlandesgericht in Hamm eine Berufungsklage hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Co-Piloten gegen die Lufthansa. Sie forderten von der Germanwings-Tochter Schmerzensgeld. Die Klage wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass die medizinische Überwachung eines Piloten nicht die Aufgabe einer Fluggesellschaft sei.
„Für Dieter Rosse müssen die Momente während des Sinkflugs besonders schrecklich gewesen sein“, sagt Marion Weike. Als ausgebildeter Fluglotse und Sprecher der Deutschen Flugsicherung muss ihm bewusst gewesen sein, was passieren würde, ist Weike überzeugt. Verhindern konnte er den Absturz jedoch nicht. Ebenso wenig wie der Flugkapitän. Auf dem ausgewerteten Stimmenrekorder des Cockpits waren noch Schläge gegen die Cockpittür zu hören sowie eine Stimme, die den Co-Piloten aufforderte, die verschlossene Tür zu öffnen.