Flagge von China, Russland und Iran

China und Russland unterstützen den Iran – doch bis zu welchem Punkt?

(Bild: Barks/Shutterstock.com)

Israel überfällt den Iran. Wie reagieren Beijing und Moskau auf die neue Lage? Was im Hintergrund getan, gelernt und gedacht wird. Eine Einschätzung.

Für die westliche Staatenwelt ist die Lage klar: Der „staatsgewordene Antisemitismus“ namens Iran darf unter keinen Umständen eine Atombombe besitzen, unabhängig davon, ob er dies tatsächlich plante oder dazu in der Lage ist.

Doch in Moskau und Beijing regt sich Widerstand, zu tief sind die Gräben zum Globalen Norden geworden, die Narben jahrhundertelanger Ausbeutung und zu frisch sind die Erkenntnisse aus den „Regime Changes“ in Libyen, Afghanistan oder dem Irak.

Während der Kreml mit Blick auf die Ukraine im tiefsten Clinch mit EU-Europa und der Nato liegt, hat die chinesische Führung die Signale des Zollstreits und des Säbelrasselns im Südchinesischen Meer verstanden. Es geht ums Ganze: Die US-israelische Lunte am Pulverfass Iran zum dritten Weltkrieg noch ausgetreten werden?

Chinesischer Öl-Kolonialismus?

Der Iran ist Teil der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI). Aus chinesischer Perspektive ist der Iran vor allem ein Transitkorridor für Energierohstoffe und andere Waren. Er ebnet den Weg aus Zentralasien gen Europa und in die Türkei.

Insbesondere China plant, in den kommenden Jahren noch Milliarden im Iran zu investieren. Die Investitionen hatten sich von 200 Millionen Dollar im Jahr 2022 auf 2 Milliarden Dollar im Jahr 2024 nahezu verzehnfacht. Dabei sollte jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass sich Beijing und Teheran auf ein Volumen von 400 Milliarden Dollar geeinigt hatten – bisher sind nach iranischen Angaben nur Bruchteile der Summe investiert worden.

Für die chinesische Strategie der „Perlenkette“ stellt der Iran, wenn auch ein wichtiges, nur ein Glied in einer langen Abfolge wichtiger Partner dar. Der Iran beliefert China primär mit billigem Rohöl. Nahezu 90 Prozent seiner täglichen Produktion landen im „roten Riesenreich“.

Oft wurde der Charakter des chinesisch-iranischen Energiekontraktes diskutiert. Dieser sei „kolonial“ geprägt, da China Druck auf den sanktionsbedingt gebeutelten Iran ausüben könne. Zudem bezahle China die Ware in Renminbi, was letztendlich nur eine Re-Investition in China übriglasse.

Tatsache ist jedoch auch, dass sich die Partnerschaft auf weit mehr als Energieexporte erstreckt. Gemeinsame Militärmanöver, iranischer Gebrauchsgüterimport, technologische, akademische und diplomatische Abkommen fügen ein Gesamtbild zusammen.

Wie The Telegraph berichtet, gab es in den vergangenen Tagen mehrere unbekannte Flugbewegungen von China in Richtung Iran. Am Freitag hob ein Frachtflugzeug in Richtung des Landes ab, das später vom Radar verschwand. Mögliche Waffenlieferungen zur Unterstützung? Auch erhält der Iran möglicherweise Unterstützung durch chinesische Satellitenaufklärung.

Gemeinsamer Gegner

Für Russland wie für China wäre ein prowestlicher Regimewechsel eine „Black Box“, in dessen Folge zunächst unklar bliebe, ob die jeweiligen Interessen gewahrt werden könnten. In Beijing und Moskau dürfte man der theokratischen Ausrichtung der Islamischen Republik Iran wenig Sympathie entgegenbringen.

Zwar regiert in beiden Staaten in der Außenpolitik ein professioneller Pragmatismus, dieser sollte jedoch nicht mit Blindheit für ideologische und innenpolitische Verwerfungen verwechselt werden. Insbesondere Moskau hat seine Lektion aus dem Libyen-Verlust gelernt.

In der Islamischen Republik fand Moskau einen militärischen Kooperationspartner. Russland greift die Ukraine wiederholt mit aus iranischer Produktion stammenden Shahed-Drohnen an. Russland im europäischen Osten und der Iran in Westasien waren und sind die beiden zentralen geopolitischen Gegenspieler der Nato-Hegemonie in der westlichen Hemisphäre.

Nicht vergessen werden sollte, dass beide Staaten jahrelang auf der annähernd gleichen Barrikade auf Seiten der Assad-Regierung kämpften. Beide eint, dass ihr Einfluss auf Damaskus verschwunden ist und ihre Waren in Syrien nicht mehr abgesetzt werden dürfen.

Letztlich entscheidend ist, dass der Iran in die chinesisch-russischen Bündniskonstellationen eingebunden ist: die BRICS+, die Eurasische Wirtschaftsunion und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Diese sind wiederum durch bilaterale Abkommen miteinander verknüpft.

Diplomatie statt Militär

Der chinesische Präsident Xi und sein russischer Kollege Putin erklärten gemeinsam, dass es einer entschiedenen De-Eskalation statt weiterer militärischer Auseinandersetzungen bedürfe. Beide legten den Finger in die Wunde und riefen die „Hauptmacht“ im Hintergrund – gemeint sind die USA – dazu auf, den Konflikt „abzukühlen“.

Damit erteilten sie einer US-amerikanischen Einmischung eine klare Absage und signalisierten, dass sie die weiteren Schritte Washingtons genau beobachten werden. In einem am Donnerstag stattgefundenen Telefonat verurteilten sie zudem die israelische Aggression, welche UN-Recht und internationale Regularien verletzt, aufs Schärfste. Dies geht aus einer Mitteilung des Kremlberaters und ehemaligen russischen Botschafters in Washington, Yuri Ushakov, hervor.

In einem Statement des chinesischen Präsidenten wurden beide Seiten zum Frieden aufgerufen, Israel jedoch insbesondere zu einem Waffenstillstand, um ein Übergreifen der Auseinandersetzung zu einem großen Krieg zu verhindern.

Deutlich wird dabei, dass sich sowohl Beijing als auch Moskau für eine deeskalierende Position einsetzen, die durch russische Vermittlung erreicht werden soll. Ihr Agieren wirkt auf höchster Ebene abgesprochen, wodurch ein Versuch der Etablierung eines Gegengewichtes zum aggressiven Verhalten des Westens erkennbar wird.

Während Bundeskanzler Merz die Israelis die „Drecksarbeit“ machen lassen will, basteln Russland und China an einer diplomatischen Gegenöffentlichkeit. Sie positionieren sich als alternative Ordnungsmächte, vergleichbar mit der saudischen Rolle in den Ukraine-Gesprächen, und errichten damit eine Art Gegengewicht zum Westen.

Ein- und Widersprüche

Zurzeit muss offen bleiben, ob der russisch-chinesische Einfluss ausreicht, um Israel und die USA von ihrem offenkundigen Vorhaben eines Regimewechsels im Iran abzubringen. Mindestens eine militärische Rettung des Khamenei-Regimes steht jedoch nicht zur Disposition: Russland ist in der Ukraine gebunden und China müsste ein hohes Risiko gegen die USA eingehen und mit seiner Tradition der Nicht-Einmischung brechen.

Der russische Einfluss auf Israel dürfte begrenzt sein. Nach dem 7. Oktober kühlten die Beziehungen merklich ab: Russland empfing keine zwei Wochen danach eine Hamas-Delegation, schlug pro-palästinensische Töne an und übte im UN-Sicherheitsrat mit Resolutionen Druck auf die israelische Regierung aus.

Chinas Einfluss dürfte größer sein, schließlich ist Beijing ein ernstzunehmender und bis dato integrer Handelspartner. Im Jahr 2023 tauschten beide Staaten Waren im Wert von 22 Milliarden US-Dollar aus.

Zudem bot sich Beijing immer wieder als politischer Vermittler an, mit der Tendenz, insbesondere israelische Kriegsverbrechen anzuprangern. In den chinesischen Verhandlungsangeboten fehlen in der Regel die im Westen obligatorischen Hinweise auf den „Terror“ der Hamas. Zudem überragt die Bedeutung des Handelspartners Iran die von Israel um ein Vielfaches.

Die Achse steht (noch)

Erkennbar wird, dass Russland und China ihr diplomatisch-ökonomisches Gewicht zur friedlichen Beilegung des Konflikts in die Waagschale werfen wollen. Interessant ist, dass in allen Verlautbarungen ein klares Bekenntnis zum Leben und Fortbestand der Theokratie und von Khamenei selbst ausbleibt.

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Ist dies ein erster Hinweis darauf, dass hinter den Kulissen an Post-islamistischen Lösungen gearbeitet wird? Sicher ist, dass der Iran-Israel-Konflikt in die Großwetterlage der westlich-multipolaren Konfrontation eingeordnet werden muss. Gelänge die Friedensofferte, wäre dies ein Punktsieg für Beijing und Moskau.

Anders als die arabischen Nachbarn, die sich auf rein rhetorische Schelte Irans beschränken, sind China und Russland willens und in der Lage, nicht tatenlos bei der geopolitischen Umpolung des Nahen Ostens und der „Libyisierung“ – also Aufteilung und Spaltung des Iran entlang ethno-religiöser Konflikte – zuzusehen. Genau dies forderte die Jerusalem Post in einem jüngsten Editorial an Donald Trump gerichtet.

Auch wenn Russland und der Iran erst kürzlich eine strategische Zusammenarbeit für die kommenden 20 Jahre vereinbart haben, sieht diese explizit keinen militärischen Beistand vor.

Die beiden Staaten verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Israels zwar scharf und versuchen, auf diplomatischem Wege zur Lösung beizutragen – die Handlungsmomente liegen jedoch primär in Washington und Tel Aviv.