Im großen Wort Heimat steckt das Zurückkehren zu den Ursprüngen, das Besinnen auf die eigene Herkunft. Heaven Shall Burn füllen das auf ihrem zehnten Album brutalstmöglich mit Leben: Ohne zu vernachlässigen, was sie in über 25 Band-Jahren an Erfahrung, Einflüssen und Können angesammelt haben, erinnert HEIMAT in vielerlei Hinsicht an frühe Veröffentlichungen – als Metal-, Hard- und Deathcore noch präsentere Anteile am Stil hatten als (Melodic) Death Metal. Ehrlicher Zorn, unpolierter Klang, geradeaus in den Pit zielendes Songwriting – klar sind das Stichworte, die auf jedes Heaven Shall Burn-Album Anwendung finden können. Und doch schlagen die zehn neuen Stücke (dazu kommen Intro, Intermezzo und Outro) über weite Strecken schnörkelloser und brutaler ein, als zuletzt vom hittigen VETO (2013) oder dem ausladenden Doppelalbum OF TRUTH AND SACRIFICE (2020) gewohnt.

Stattdessen fühlt man sich zum 2006er-DEAF TO OUR PRAYERS zurückversetzt – diesem intensiven Bastard aus Death Metal und Metalcore, dem endgültigen Durchbruchswerk für die Thüringer. Mit derselben Energie starten sie auf HEIMAT den Frontalangriff. ‘My Revocation Of Compliance’ klingt im besten Sinne nach Heaven Shall Burn alter Schule. Marcus Bischoff brüllt und grollt selbst für seine Verhältnisse angepisst, und spätestens im Hardcore-Wüterich ‘Those Left Behind’ muss man sich Sorgen um das Wohlergehen seiner Stimmbänder machen. Eine große Verbeugung vor der Vergangenheit stellt auch ‘Numbered Days’ dar – die Killswitch Engage-Cover-Version mit deren Sänger Jesse Leach kommt noch wuchtiger rüber als das Original.

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‘Dora’ lässt inmitten kriegerischer Zerstörung Raum für nur ein Quantum Melodie, während ‘A Whisper From Above’ wunderbare Harmonien als Gegengewicht zu Black Metal-artigem Blastbeat-Wüten und Bolt Thrower-Wucht setzt. Es ist also längst kein stumpfes Durchballern: Wenn sich im erst elektronisch zuckenden, dann Stakkato-Riff-groovenden ‘Confounder’ die Melodie endlich durchsetzt, packt sie umso mehr; ‘Ten Days In May’ vertont den Mut der Verzweiflung im Wechsel aus Wutattacken und mitreißenden Motiven, und ‘Empowerment’ klingt bei aller Heaviness regelrecht beschwingt – Parkway Drive lassen grüßen!

‘War Is The Father Of All’ und ‘A Silent Guard’ wirken auf ganz verschiedene Weise monumental: hier stoisch bollernder Thrash Metal mit opulenter Orchestration, dort gebremst, mit anrührend schönen Klängen und Akustik-Passagen. Aus dieser meisterlich ausgespielten Dynamik schöpft HEIMAT seine Kraft. Die ungeschliffen wirkende, offen und zugleich dicht klingende Produktion trägt ihren Teil dazu bei, dass Heaven Shall Burn schmerzhaft intensiv klingen. Headbanger mit Luftgitarre, Moshpit-Stürmer mit Hummeln im Hintern und Schöngeister auf der Suche nach musikalischem und lyrischem Tiefgang finden hier einhellig zusammen. Ein schwermetallisches Kunststück, das Heaven Shall Burn auch international kaum jemand nachmachen kann!

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