Es duftet wie Zuhause. Als Mama das Feuer anwarf, ihre Kesselgerichte kochte und alles hineinwarf, was der kleine Michael ihr aus dem Garten brachte. Aus dem Jungen ist der große Michael Richter geworden. Und der schwingt gerade die Suppenkelle. Gleich kommen die ersten Gäste in sein ungarisches Restaurant Csárda, das er Anfang des Jahres eröffnete. Hat es schon mal einen Ungarn in Schwerin gegeben?

Für Letscho-Fans kommt auch bald was auf die Speisekarte

Das hat sich Michael Richter auch gefragt und gedacht: „Ich füll’ mal die Lücke.“ Seitdem kocht er leckere Eintöpfe, wie er es von seiner Mutter gelernt hat. Einen Kesselgulasch mit Rind, Schwein, Kassler, Kartoffeln und Paprika. Einen Kesseltopf mit Hack, Pilzen, Mais und Käse. Und ein Kessel Buntes für Veganer und alle, die gern Knackiges aus dem Gemüsegarten mögen.

Weil Gäste nicht nur in Eintöpfen rühren wollen, gibt es auch Szegediner Gulasch und jeden Donnerstag ist Lángos-Tag. Da wird die Spezialität der ungarischen Küche in allerlei Variationen gereicht. Neuerdings auch als Lángos-Burger. Weil Letscho-Fans drämmeln, will Michael Richter demnächst noch Hackfleisch-Spießchen mit Reis und Letscho anbieten. Auch gefüllte Paprikaschoten soll es bald geben.

Lángos-Burger

Lángos-Burger (Foto: Meer)

Noch hat das Csárda eine kleine Speisekarte

Noch ist seine Speisekarte klitzeklein. Das ist besser so am Anfang, denkt sich der frisch gebackene Gastronom. „Mein Csárda muss erst mal bekannt werden.“ Das Lokal liegt zwar nur fünf Gehminuten vom Marienplatz entfernt, dennoch läuft an seinem Fenster kein Fußvolk vorbei. Darum muss er rotieren. Zum Appetit machen, versenkt Michael Richter unermüdlich selbst gestaltete Werbezettel in den Schweriner Briefkästen.

„Ich war nahe dran, nach Schleswig-Holstein auszuwandern“, erzählt der Mann, der seit zehn Jahren in Schwerin lebt und arbeitet. „Dort hätte ich sofort passende Räumlichkeiten für ein Restaurant gefunden. Hier in der Stadt musste ich lange suchen.“ Schließlich hat es doch noch geklappt.

Giesela Meer sorgt im Csárda für frische Blumen.

Giesela Meer sorgt im Csárda für frische Blumen. (Foto: Anja Bölck)

Sehr zur Freude von Giesela Meer. Sie ist eine langjährige gute Freundin und die beiden teilen ihre Leidenschaft fürs Theater. Läuft ein schönes Stück, ziehen sie zusammen los. Um ihrem Freund zu helfen und damit ihr als Rentnerin zu Hause nicht die Decke auf den Kopf fällt, wie sie beteuert, packt sie im Restaurant als Minijobberin mit an. Die gehäkelten Deckchen und frischen Blumen, die überall auf den Tischen stehen, gehen auf ihre Kappe.

Fleutendörper Krog in Schwerin mit langer Geschichte

Gerade spannt Giesela Meer eine riesige Stofffahne draußen vorm Eingang. Donnerstag Langos steht da drauf. Die Leute, die in der Straßenbahn vorbeifahren, sollen es sehen. An der Fassade über ihrem Kopf prangt in großen Lettern Fleutendörper Krog. Der neue Ungar ist also da, wo es schon immer hoch die Tassen hieß.

Giesela Meer hängt die Fahne auf.

Giesela Meer hängt die Fahne auf. (Foto: Anja Bölck)

Giesela, die seit den 1970er-Jahren in Schwerin lebt, kann sich an den Fleutendörper Krog erinnern. „Wir gehen in die Flöte, hießt es damals. Freunde von mir sind zu DDR-Zeit hier manchmal zum Kegeln gegangen. Und ich war auch mal mit den Kindern da. Entstanden ist das Haus so um 1880. Im Nachbargebäude war das Militär untergebracht. Schwerin war ja Militärstandort. In diesem Haus, wo heute unser Csárda drin ist, war vermutlich von Anfang an eine Gaststätte.“

In den vergangenen Jahren wurde der Fleutendörper Krog dann als Sky Sportsbar genutzt. „Seit wir aufgemacht haben, schauen immer mal ehemalige Gäste rein“, erzählt Michael Richter. „Sie erinnern sich gern an den vorherigen Gastwirt, er schien beliebt gewesen zu sein. Manche staunen, wie sich das Restaurant verändert hat.“

Einfach war es nicht, Frische in die ehemalige Raucherkneipe zu kriegen. Dreimal mussten Michael Richter und Giesela Meer streichen, immer wieder kamen die gelben Flecken durch. Allein in der Decke haben die beiden ein paar hundert Euro an Farbe versengt. Die lila Wände sind verschwunden und die dunklen Holzpaneele haben sie abgeschliffen. Ungarisch rustikal kommt das Lokal jetzt daher. Volkstümlich kleiden sich die Wirte selbst – mit weißen Oberteilen, auf die kleine bunte Blümchen gestickt sind.

Den ungarischen Wein bringt Michael Richter von seinen Urlaubsreisen mit. Meist von einem Weingut am Balaton.

Den ungarischen Wein bringt Michael Richter von seinen Urlaubsreisen mit. Meist von einem Weingut am Balaton. (Foto: Anja Bölck)

Zu Hause wurde immer ungarisch gekocht

Kann Michael Richter denn Ungarisch sprechen? Wenn er redet, sächselt er jedenfalls, was das Zeug hält. „Nee du, dis iss nisch waa! Meine Mutter ist nach dem Krieg als junges Mädchen von Ungarn nach Sachsen gekommen. Dort bin ich geboren und aufgewachsen“, erzählt er. „Bei uns wurde Zuhause nie Ungarisch gesprochen, aber immer ungarisch gekocht. Nur manchmal bestand Papa darauf, dass es auch mal Pellkartoffel mit Quark gab. Was er an der ungarischen Küche nicht mochte, waren die Mehlklößchen in der Gemüsebrühe. Die schmeckten wie Kaugummi. Ich liebte sie als Kind. Später hatte ich die Idee, sie mit Ei und Grieß zu verfeinern und dann hat er sie auch gegessen.“

Im Fleutendörper Krog befindet sich das Csárda.

Im Fleutendörper Krog befindet sich das Csárda. (Foto: Anja Bölck)

Im Haus nebenan lebte der Opa, der Hühner und Schweine hielt. Er hatte noch mal geheiratet. Auch eine Ungarin. Also duftete es überall ständig nach Paprika. Und es dauert nicht lange, bis sein Enkel selber begeistert am Herd steht. Edelsüßes Paprikapulver verbraucht Michael Richter heute in seinem Restaurant Csárda kiloweise. „Ich mache damit eine Paprikaschwitze, ähnlich wie eine Mehlschwitze“, erzählt er. „Sie gibt den Gerichten den Pep und die schöne Farbe.“ Csárda werden in Ungarn übrigens die Lokale auf den Dörfern genannt, das Wort heißt übersetzt Dorfkrug.

Mit Csárda den Traum vom eigenen Restaurant erfüllt

Von einem eigenen Restaurant hat Michael Richter eigentlich sein ganzes Leben geträumt. Sich aber nie getraut und immer eingeredet, dass man davon nicht leben kann. Also wurde er zu DDR-Zeit Gemeindepädagoge und blieb es bis zum Schluss. Die letzten zehn Jahre arbeitete er bei der Schweriner Petrusgemeinde als Pädagoge. Er hat sich um Kinder, Jugendliche und Familien gekümmert und auf vielen Freizeitreisen für alle gekocht.

Jetzt oder nie, dachte sich der Schweriner als er Rentner wurde. Statt entspannt im Sessel zu versinken, startete er in der Gastro-Branche in die Selbständigkeit. Ein paar Monate versuchte er es mit der Theaterkantine und dann mit einem eigenen Lokal. Seitdem lodert es in ihm, das ungarische Feuer und er fühlt sich so jung wie lange nicht. Fröhlich begrüßt er seine Gäste. Als Vorspeise gibt es ein Schwätzchen.

Csárda Spezial heißt dieser Kesseltopf mit Hack, Pilzen, Paprika und Tomaten. Bei Abendsonne auf der Terrasse serviert.

Csárda Spezial heißt dieser Kesseltopf mit Hack, Pilzen, Paprika und Tomaten. Bei Abendsonne auf der Terrasse serviert. (Foto: Anja Bölck)

Noch hat das Csárda nur von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Aber im Herbst möchte Michael Richter noch Montag öffnen für einen Dödölle-Tag. „Das ist ein uraltes ungarisches Gericht“, erzählt er. „Das war in Vergessenheit geraten und blüht in den letzten zehn Jahren wieder in Ungarn auf. Benannt ist es nach der Stadt Dödölle. Es finden sogar Wettkämpfe statt.“

Solche Ideen bringt er von seinen Urlaubsreisen durch Ungarn mit. Ebenso die Weine vom Balaton oder die Brände aus Budapest. Und weil die Ungarn nach dem Essen gern Süßspeisen verputzen, rührt Michael Richter in seinem Lokal den ein oder anderen Nachtisch an oder Teig für den Palatschinken, der aussieht wie ein Crêpe. Jeden Sonntagnachmittag lockt er mit frisch gebackenem Kuchen auf die nigelnagelneue Terrasse, die der Verpächter spendiert hat und über der die Sonne manchmal so wie am Balaton lacht.

Restaurant Csárda: öffnet Donnerstag 12–14 Uhr und 17–22 Uhr, Freitag bis Samstag von 17 bis 24 Uhr und Sonntag 12.30-16.30 Uhr
Friedensstraße 2, 19053 Schwerin, www.csarda-schwerin.de
Tipp: Spieleabend am 4. Juli ab 20 Uhr