Fragt man ihn selbst, ist er unschuldig. Er habe „ein reines Gewissen“, betonte Jens Spahn am Mittwoch im ZDF. Und fügte hinzu, er habe „in der jeweiligen Lage nach bestem Wissen und Gewissen entschieden“. Ob er damit immer richtig gelegen habe? „Nein, sicher nicht.“

Dabei steht Spahn, heute Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, zunehmend unter Druck. Zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 soll Spahn in seiner damaligen Rolle als Bundesgesundheitsminister die Beschaffung von Masken gegen den Rat seines eigenen Hauses an sich gerissen und mit seinem unkoordinierten Vorgehen einen Milliardenschaden verursacht haben. Im Raum steht ein Schaden in Milliardenhöhe.

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Spahns Verteidigungslinie ist dabei seit Jahren dieselbe: Es habe eine Notlage geherrscht, Masken seien rar gewesen, er habe nur versucht, möglichst viele davon, möglichst schnell zu bekommen. Dabei seien Fehler passiert, so Spahn. „Eins weiß ich aber auch“, so der Politiker im ZDF. „Wir sind als Deutschland, als Gesellschaft, gut durch diese stressvolle, schwierige Zeit gekommen, wahrscheinlich besser als die meisten anderen Länder auf der Welt.“

Auch Nina Warken soll vor den Ausschüssen erscheinen

Hält diese Lesart? Oder wird es doch noch einmal richtig eng für Spahn? Dies könnte sich schon im Verlauf der kommenden Tage entscheiden, denn auf den Ex-Minister kommt eine schicksalshafte Woche zu.

Wie der Tagesspiegel aus Haushaltskreisen erfuhr, wird Spahn am Mittwoch im Haushaltsausschuss erscheinen, um dort Fragen der Mitglieder zu beantworten. Auch Spahns Amtsnachfolgerin Nina Warken (CDU) soll sowohl im Haushalts- als auch im Gesundheitsausschuss auftreten.

CDU-Vertreter wie Warken und Spahn haben Aufklärung oft angekündigt, am Ende aber nie geliefert.

Grünen-Politikerin Paula Piechotta blickt skeptisch auf die geplante Veröffentlichung des Sudhof-Berichts.

Dabei können sich die Parlamentarier bei ihren Fragen womöglich auf neue Erkenntnisse stützen. Denn nach Wochen des öffentlichen Drucks kündigte Gesundheitsministerin Warken zuletzt an, den Untersuchungsbericht von Sonderermittlerin Margarete Sudhof zumindest dem Haushaltsausschuss vorlegen zu wollen. Sudhof war im vergangenen Sommer von Karl Lauterbach (SPD) eingesetzt worden, um Spahns Rolle bei der offenbar fehlgeschlagenen Beschaffung aufzuklären.

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Allerdings werden auch die Parlamentarier den Bericht nur in einer geschwärzten Version zu sehen bekommen, wie Warken mit Verweis auf den Datenschutz ankündigte: „Es bleibt als Verschlusssache eingestuft. Noch mehr Transparenz geht leider nicht“, sagte die Ministerin.

Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin der grünen Bundestagsfraktion für den Gesundheitsetat, fürchtet deshalb, dass Warken eine Version vorlegen könnte, die wenig zur Aufklärung beiträgt: „CDU-Vertreter wie Warken und Spahn haben Aufklärung oft angekündigt, am Ende aber nie geliefert“, sagt sie. „Die Erfahrung zeigt: Wenn die Union Transparenz verspricht, folgt häufig nur Nebel. Auch diesmal droht mehr Verschleierung als Aufklärung.“

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Wie vernichtend der Bericht für Spahn sein könnte, kommt derweil in Häppchen ans Licht. Bereits vor mehr als einer Woche zitierte unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ einen Teil des Dokuments, das Spahns zweifelhafte Entscheidung für das Logistikunternehmen Fiege als Hauptverteiler der Masken bemängeln soll.

Hatte Fiege etwas gegen den Minister in der Hand?

Brisant dabei: Fiege, ein mittelständisches Unternehmen, hat seinen Sitz im Nachbarwahlkreis Spahns. Nachdem der Corona-Krisenstab bereits ein Beschaffungskonzept mit den Branchenriesen DHL und Schenker erstellt hatte, soll Spahns Ministerium sich gegen den Willen des zuständigen Beschaffungsamts an das übergeordnete Innenministerium gewandt und „händeringend“ darum gebeten haben, „die Firma Fiege als Logistiker zu beauftragen“. Nach Ansicht der Sonderermittlerin soll die Logistikkette in der Folge „kollabiert“ sein. Sowohl Fiege als auch Spahn bestreiten das.

Darüber hinaus wirft ein Bericht des „Spiegel“ neue Fragen zur Verbindung zwischen Spahn und Fiege auf: So soll sich der damalige Minister persönlich dagegen entschieden haben, juristisch gegen das Unternehmen vorzugehen. Und das, obwohl sowohl Spahns Ministerium als auch externe Berater erhebliche Versäumnisse beim Unternehmen gesehen haben sollen. Das berichtet das Magazin mit Verweis auf einen weiteren Auszug des Sudhof-Berichts.

Lesen Sie mehr zum Thema bei Tagesspiegel Plus: Spahns Masken und der Untersuchungsausschuss Plötzlich ist von Verantwortung nichts mehr zu hören Schwere Vorwürfe rund um Maskenbeschaffung So gefährlich wird die Milliardenaffäre für Spahn „Unsere Erinnerung ist nicht verlässlich“ Wie das Vertrauen in der Pandemie verloren ging

Aber warum verschonte Spahn Fiege? Laut „Spiegel“ soll sich das Unternehmen zu jeder Zeit verdächtig sicher gefühlt haben. Als Erklärung soll Sudhof zwei Möglichkeiten in Betracht ziehen: Einerseits sollen die Verträge zwischen Fiege und dem Bund „keine konkrete Leistungsbeschreibung“ enthalten haben. Also könne man dem Logistiker auch keinen Verstoß nachweisen. Das wäre ein schwerer juristischer Fehler.

Und zweitens soll Fiege fest davon ausgegangen sein, dass der Bund nicht klagen werde – aus Angst vor der Öffentlichkeit. So zitiert der „Spiegel“ zumindest Sudhofs Bericht: „Fiege hat den öffentlichen Druck, den ein ordentliches Gerichtsverfahren auf das Ministerium ausüben würde, mehrfach als Druckmittel in Gesprächen genutzt“, heißt es.

In einer ersten Version dieses Artikels war von einem möglichen Schaden von elf Milliarden Euro für die Steuerzahler durch die Maskenbeschaffung des Gesundheitsministeriums in der Corona-Pandemie die Rede. Für diese Zahl fehlen allerdings ausreichende Belege. Wir haben den Satz gelöscht.