Das Wort Fotografie stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Zeichnen mit Licht“. Der Fotograf leitet mit Hilfe von Lichtstrahlen das Abbild eines Motives durch das Objektiv in die Kamera, wo es auf einem Träger (Film oder Sensor) fixiert wird. Dabei kann der Fotograf das bildliche Ergebnis mehr oder weniger durch verschiedene Parameter beeinflussen – wie etwa durch die Wahl der Blendenöffnung, durch Nähe oder Distanz zum Motiv, durch den Blickwinkel, den Bildausschnitt und vor allem, wenn er das Motiv nach eigenen Vorstellungen zuvor arrangiert.
Wenn er etwa eine zu fotografierende Person an einer bestimmten Position buchstäblich ins rechte Licht rückt und ihr vorgibt, wie und in welche Richtung sie blicken soll. Der Fotograf als Künstler also, der das Foto nach seinen Vorstellungen gestaltet. Oder der Fotograf als objektiver Bildberichterstatter, der eine Begebenheit genauso ablichtet, wie sie sich selbst, ohne sein Zutun, ereignet.
Ausstellung: Öffnungszeiten und Führungen
Die World-Press-Photo-Ausstellung ist noch bis einschließlich Sonntag, 29. Juni, in der Stadthalle Balingen zu sehen.
Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 19 Uhr, sonntags ab 11 Uhr, dienstags und donnerstags bis 21 Uhr (letzter Einlass 30 Minuten vor Schließung).
Öffentliche Führungen: dienstags um 16 Uhr, donnerstags um 17 und 19 Uhr, samstags um 14 und 15 Uhr, sonntags um 11.30 und 14 Uhr (Kosten: 5 Euro zuzüglich Eintrittspreis).
Die World Press Photo Foundation empfiehlt für den Ausstellungsbesuch ein Mindestalter von 14 Jahren.
Die World Press Photo Foundation (WPPF) zeichnet sei 70 Jahren Pressefotografen und Fotojournalisten aus, die per Definition ihrer Berufsbezeichnung der Objektivität verpflichtet sind und gewisse Kriterien und Standards der WPPF erfüllen müssen. Dennoch wird ihnen ein gewisses Maß an künstlerischer Freiheit eingeräumt. Mariana Rettore Baptista beschäftigt sich als Kuratorin der WPPF in Amsterdam seit vier Jahren eingehend mit den besten Pressefotos der Welt.
Frau Rettore Baptista, was macht für Sie ein gutes Pressefoto aus? Wieviel Objektivität muss sein, wieviel künstlerische Freiheit darf sein?
Es gibt viele Faktoren, die Einfluss darauf haben, was ein gutes Foto ausmacht, und es ist wichtig, zwischen verschiedenen Arten der Pressefotografie zu unterscheiden, zum Beispiel Spotnachrichten, Porträts und Dokumentararbeiten. Jedes Format erfordert eine andere Herangehensweise, und der World-Press-Photo-Wettbewerb spiegelt dies wider, indem er die Beiträge in verschiedene Kategorien einteilt: Einzelfotos, Geschichten und langfristige Projekte. Für mich sollte ein gutes einzelnes Foto mehrere Ebenen bieten, die helfen, das Bild in einen Kontext zu stellen. Enthält es ein Element der Überraschung? Was ist im Hintergrund zu sehen? Was ist der weitere Kontext? Wer oder was erscheint auf der ersten Ebene – und was offenbart sich bei näherer Betrachtung?
Das Pressefoto des Jahres: Erst auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter, dass er beide Arme verloren hat, so die Kuratorin. (Foto: Samar Abu Elouf for The New York Times)
Nehmen wir zum Beispiel das Foto des Jahres: Auf den ersten Blick scheint es ein schönes Porträt eines kleinen Jungen zu sein, der tapfer und ruhig wirkt. Auf den zweiten Blick erkennen wir, dass er beide Arme verloren hat. Dieser Moment der Erkenntnis lädt den Betrachter dazu ein, mehr zu verstehen – den Kontext hinter dem Bild zu suchen, die Bildunterschriften zu lesen und die verheerenden Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung und die langfristigen Folgen für die Kinder in Gaza zu erkennen.
Ein junger Mann namens Cordeiro Freitas hilft seiner Mutter, Lebensmittel zu tragen – unter der sengenden Sonne Südamerikas. (Foto: Musuk Nolte)
Ein weiteres gutes Beispiel ist einer der Finalisten für das Foto des Jahres von Musuk Nolte. Im Vordergrund sehen wir den Rücken eines Mannes. Der Mann blickt auf eine trockene Sandwüste, und es sieht so aus, als würde er diese Landschaft durchqueren wollen. In einer dritten Ebene des Bildes taucht im Hintergrund der Regenwald auf und enthüllt den Schauplatz: den Amazonas, das Zentrum der Klimakrise.
Das Foto macht die Abwesenheit von Wasser schmerzhaft sichtbar und zeigt, wie sich Landschaften verändern, welche Gemeinschaften am stärksten betroffen sind, und veranschaulicht die Folgen des Klimawandels in einem menschlicheren Maßstab.
Mikhail Tereshchenko hat für die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS eine Reportage über regierungskritische Demonstrationen in Georgien fotografiert. (Foto: Mikhail Tereshchenko, TASS Agency)
Dieses Jahr hat die WPPF erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wieder russische Fotografen ausgezeichnet. Unter anderem Mikhail Tereshchenko, der für die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS eine Reportage über regierungskritische Demonstrationen in Georgien fotografierte. Seine Motive sind technisch professionell, wirken auf den Betrachter durchaus beeindruckend und sie sind offensichtlich ungestellt, zeigen also objektiv ein Geschehen und erfüllen die Zulassungskriterien des World Press Photo Awards (WPPA).
Allerdings lässt Tereshchenko in einem Interview eine pro-russische Haltung erkennen, indem er unter anderem die Zerstörung der ukrainischen Stadt Mariupol als „Befreiung“ bezeichnet. Daraufhin sieht sich die WPPF der Kritik ausgesetzt, sie würde einen russischen Propagandisten auszeichnen und zieht die Aberkennung des Preises in Betracht.
Frau Rettore Baptista, wie sehen Sie diesen Vorfall? Darf bzw. sollte ein Fotograf aufgrund einer subjektiven Aussage disqualifiziert werden, auch wenn seine Fotos eine objektive Aussage transportieren?
Erstens ist World Press Photo nicht mit der Formulierung „Befreiung von Mariupol“ einverstanden, die in einem Interview mit dem prämierten Fotografen am 27. März 2025 verwendet wurde, um die Besetzung der Stadt durch die russischen Streitkräfte zu beschreiben. Wie wir bereits öffentlich erklärt haben: Russland hat am 24. Februar 2022 mit seiner groß angelegten Invasion in der Ukraine begonnen; die russische Bombardierung hat Mariupol verwüstet und zivile Ziele wie eine Entbindungsklinik und ein Theater, in dem Menschen Zuflucht gefunden hatten, getroffen.
Während die russische Regierung und TASS einige dieser Aussagen bestritten haben, halten wir sie für einfache Fakten. Angesichts der zunehmenden Spannungen auf dem europäischen Kontinent wird Michail Tereshchenko nicht mehr zum Preisträgerprogramm und zur Preisverleihung in Amsterdam eingeladen.
Die Organisation ist sich der Herausforderungen bewusst, die die Arbeit unter staatlicher Kontrolle und Propaganda mit sich bringt, ist jedoch der Ansicht, dass auch in einem solchen Umfeld aussagekräftiger und hochwertiger Fotojournalismus entstehen kann.
Kuratorin Mariana Rettore Baptista
Zweitens steht der World Press Photo Contest professionellen Fotografen aus allen Ländern offen – auch aus solchen mit eingeschränkter Pressefreiheit. Die Organisation ist sich der Herausforderungen bewusst, die die Arbeit unter staatlicher Kontrolle und Propaganda mit sich bringt, ist jedoch der Ansicht, dass auch in einem solchen Umfeld aussagekräftiger und hochwertiger Fotojournalismus entstehen kann. Alle Einsendungen für den Wettbewerb werden anonym bewertet. In späteren Phasen des Prozesses wird die Jury über die Nationalität und das Geschlecht des Fotografen informiert und darüber, ob das Projekt in Auftrag gegeben wurde oder persönlich war.
Wie arbeitet die Jury?
Die Jury kennt weder die Namen der Fotografen noch deren Arbeitgeber (falls vorhanden). Der Wettbewerb stützt sich auf eine unabhängige Jury, die sich aus 31 Mitgliedern zusammensetzt, und wird von einem engagierten Team von Redakteuren, Rechercheuren und Faktenprüfern unterstützt, um die Authentizität der Bilder und Bildunterschriften zu gewährleisten; außerdem fordern wir alle Rohdateien für umfangreiche forensische Untersuchungen an.
Das Projekt Proteste in Georgien wurde nach diesen Grundsätzen ausgewählt. Die Jury hob das Projekt hervor, weil es sich auf demokratische Bewegungen konzentriert, die militarisierten Polizeikräften gegenüberstehen. Sie betonte die Bedeutung des Ereignisses und die Qualität der visuellen Erzählung – unabhängig vom Hintergrund oder der Zugehörigkeit des Fotografen. Während die Stiftung zur Integrität der Auswahl steht, erkennen wir auch die Notwendigkeit, unsere Regeln zu verfeinern – insbesondere in Bezug auf Arbeiten, die von Fotografen eingereicht werden, die mit staatlich kontrollierten Agenturen verbunden sind.
World Press Photo ist bestrebt, sich mit Fachleuten aus politisch komplexen Regionen zu beraten und seine Verfahren weiterzuentwickeln, um den ethischen und praktischen Herausforderungen des modernen Fotojournalismus besser gerecht zu werden. Um diese Diskussionen in den Ausstellungsraum zu bringen, haben wir auch ein neues Panel zum Thema Visual Literacy vorbereitet. Das Panel lädt zum Nachdenken über die Frage ein: Ist es wichtig, wer das Foto macht? Die Absicht der Stiftung ist es, Raum für Dialog, Reflexion und Verständnis zu schaffen – und dem Publikum zu helfen, sich mit der Komplexität unserer heutigen Welt auseinanderzusetzen.
Zum sechsten Mal ist Balingen nun WPP-Ausstellungsstadt und steht in einer Reihe mit London, Rom, Sidney, São Paulo, Madrid oder Jakarta. In den jährlich jeweils drei Ausstellungswochen zog es bislang durchschnittlich 5600 Besucher in die Stadthalle. Das Interesse ist nach wie vor groß. Allerdings wird im Publikum immer häufiger diskutiert, dass die WPP-Motive fast ausschließlich das negative Weltgeschehen dokumentieren – Kriege, Klimawandel, soziale Missstände. Viele Besucher würden sich über einen größeren Anteil von Bildern mit positiver Botschaft freuen.
Frau Rettore Baptista, wie sehen Sie die Gewichtung zwischen negativen und positiven Gewinner-Bildern? Würden Sie sich auch mehr positive Motive wünschen?
Wir bei WWP sind stolz auf die vielfältigen Themen und Geschichten, die unsere Ausstellung dem weltweiten Publikum nahebringen kann. Es stimmt zwar, dass die meisten dieser Geschichten harte Motive zeigen, aber sie bieten die Möglichkeit, erneut über drängende und aktuelle Probleme unserer Welt nachzudenken, Empathie aufzubauen und das Bewusstsein für verschiedene Themen zu schärfen: von Krieg und Konflikten bis hin zu Migration und Klimakrise. Die Stiftung setzt sich in ihrem Kern auch für die Pressefreiheit ein, und das in einer Zeit, in der die Pressefreiheit in der Welt immer weiter abnimmt – eine harte Realität, auf die wir aber dringend aufmerksam machen müssen.
Das Foto, das Tamale Safalu zeigt, ziert auch die Plakate der World-Press-Photo-Ausstellung in Balingen. (Foto: Marijn Fidder)
Dennoch weiß die WPP-Stiftung, wie wichtig es ist, der Öffentlichkeit auch Lösungsjournalismus und inspirierende Geschichten zu präsentieren. Aus diesem Grund haben wir einige Änderungen an unserem Wettbewerb vorgenommen, um mehr Geschichten aus den Bereichen Natur, Sport und Resilienz in unsere Schau aufnehmen zu können. Das Porträt von Marijn Fidder über den Bodybuilder Tamale Safalu zum Beispiel zeigt auf eindrucksvolle Weise die Stärke und Widerstandsfähigkeit eines Sportlers, der mit einer Behinderung lebt.
Das Foto von André Coelho zeigt den Moment der größten Freude der Botafogo-Fußballfans in Brasilien. (Foto: André Coelho)
Eine weitere positive Geschichte ist das Einzelfoto von André Coelho, die den Moment der größten Freude der Botafogo-Fußballfans in Brasilien zeigt, oder das unglaubliche Foto von Gabriel Medida, dem Surfer, der an den Olympischen Spielen 2024 teilnimmt, aufgenommen von Jerome Brouillet.
Eine spannende Momentaufnahme, die bei den Olympischen Spielen 2024 entstanden ist. (Foto: Jerome BROUILLET / AFP)
Vielen Dank!