Stand: 20.06.2025 20:52 Uhr

Florian Wirtz wechselt für sehr viel Geld von Bayer Leverkusen zum FC Liverpool. Auf den 22-Jährigen wartet eine neue Welt mit riesiger Erwartungshaltung.


Sebastian Hochrainer

Wochenlang war Florian Wirtz selbst nur einer der Millionen Leser, die täglich mit unzähligen Berichten über seine Zukunft versorgt wurden. Der deutsche Nationalspieler hatte sich nicht geäußert, ob er bei Bayer Leverkusen bleibe, ob er sich mit dem FC Bayern München einig sei oder ob er dem Rekordmeister abgesagt habe, um zum FC Liverpool zu wechseln.

Nur einmal meldete sich Wirtz während der ganzen Saga zu Wort, nachdem darüber berichtet worden war, dass er die Rückennummer 10 bei den „Reds“ für sich beanspruche, die eigentlich der argentinische Weltmeister Alexis Mac Allister trägt. In einer Instagram-Story schrieb Wirtz dazu auf Englisch: „Wer sagt, dass ich die 10 will? Ich respektiere Spieler. Glaubt nicht alles, was geschrieben wird.“ Dazu gab es ein Clown-Emoji.

Der FC Bayern konnte Wirtz nicht geben, was er brauchte

Dieses Dementi wurde aber auch als eine Bestätigung dessen gewertet, was schon berichtet worden war: Wirtz hat sich für Liverpool entschieden. Und damit gegen den FC Bayern, was auch damit zu tun gehabt haben soll, dass er bei den „Reds“ ganz klar auf der Zehner-Position eingeplant ist, während es in München keine derart klaren Aussichten gab. Weil mit Jamal Musiala sein kongenialer DFB-Partner, aber auch ein ähnlicher Spielertyp die große Hoffnung auf die Zukunft ist.

Bayern hätte gerne mit Musiala und Wirtz die europäische Spitze angreifen wollen. „Klar war, das hat der ganze Verein kommuniziert, dass der Spieler herausragend ist. Und dass wir uns sehr gut hätten vorstellen können, dass er zum FC Bayern wechselt. Im ersten Schritt sagt man zwar ‚Mist‘. Aber eine Tür geht zu, eine andere geht auf“, sagte FCB-Sportvorstand Max Eberl über den geplatzten Transfer. „Ich weiß gar nicht, ob wir diesen Preis, den Liverpool jetzt anscheinend zahlen muss, hätten bezahlen können.“

Wirtz erstmals in einem hitzigen Umfeld mit medialem Druck

Der Klub hat die Ablösesumme nicht bekanntgegeben. Laut Medienberichten bewegt sich die Sockelablöse, die der englische Meister zahlt, irgendwo zwischen 115 bis 125 Millionen Euro. Durch Bonuszahlungen, etwa im Falle von Titelgewinnen, könnten daraus 150 Millionen Euro werden. Damit könnte Wirtz zum drittteuersten Transfer der Geschichte des Profifußballs aufsteigen. Was nach einer großen Ehre und Auszeichnung aussieht, ist in erster Linie aber vor allem die Lizenz für schwer zu erfüllende Erwartungen.

Wirtz wird eine neue Liga kennenlernen, erstmals in einem anderen Land leben, er ist mit 22 Jahren trotz aller Klasse noch in der Entwicklung und spielte in Leverkusen stets in einem Umfeld, das nicht vergleichbar ist mit der emotionalen Hitze bei Spitzenvereinen wie München oder Liverpool. Angesichts der Summe dürften ihm dennoch keine Anpassungsprobleme eingeräumt werden, gerade die Presse dürfte schwache Leistungen nicht verzeihen. In Leverkusen hatte er unter dem Bayer-Kreuz weitestgehend seine Ruhe.

Kai Havertz hatte in England schwere Jahre

Das hat auch Kai Havertz in aller Härte zu spüren bekommen, der bisher der teuerste deutsche Spieler war und ebenfalls den Sprung von Leverkusen in die Premier League gewagt hatte. Nach seinem 80-Millionen-Euro-Wechsel vor fünf Jahren zum FC Chelsea hatte der heute 26-Jährige zunächst große Probleme – vor allem körperlich brauchte er lange, um sich an die robuste Spielweise zu gewöhnen.

Die Top 5 der Transfers von deutschen Spielern

Spieler
Ablösesumme
Klubs
Florian Wirtz

bis zu 150 Millionen Euro

von Bayer Leverkusen zum FC Liverpool

Kai Havertz

80 Millionen Euro

von Leverkusen zum FC Chelsea

Kai Havertz

75 Millionen Euro

von Chelsea zum FC Arsenal

Timo Werner

53 Millionen Euro

von RB Leipzig nach Chelsea

Leroy Sané

52 Millionen Euro

von Schalke 04 zu Manchester City

Quelle: transfermarkt.de

Havertz hatte zwar in der ersten Saison seinen großen Moment, als er im Finale der Champions League das entscheidende Tor zum Titel gegen Manchester City (1:0) schoss – an der ihm gegenüber kritischen Haltung änderte das aber nichts. In drei Spielzeiten kam Havertz bei Chelsea nur auf 48 Torbeteiligungen in 139 Pflichtspielen – zu wenig für einen Offensivakteur, der so viel Geld gekostet hat.

Entsprechend hämisch fiel dann auch teilweise das Urteil aus, als der FC Arsenal ihn 2023 trotzdem für 75 Millionen Euro kaufte. Das Portal „The Athletic“ führte unter anderem eine Umfrage unter Beratern durch, die den Havertz-Deal zum schlechtesten des Sommers wählten. In den Medien wurde Chelsea teilweise für den Verkauf beglückwünscht und geurteilt: „Havertz könnte eine kolossale Geldverschwendung werden.“

Kai Havertz wird von Jürgen Klopp getröstet.

Arne Slot und starke Mitspieler geben Wirtz Sicherheit

Doch Havertz startete durch, war unter Mikel Arteta wieder der Topspieler, der er bei seinem Abschied als Deutschland gewesen war. Es brauchte diese Kontinuität auf der Trainerposition und einen Coach, der seinem Spieler Vertrauen schenkt. Insofern ist Wirtz im Vergleich im Vorteil, weil Arne Slot einer der Hauptüberzeuger in den Gesprächen war. Der Meistertrainer und Nachfolger von Jürgen Klopp hat seinem Star-Neuzugang aufgezeigt, welch tragende Rolle er übernehmen soll.

Diese Rolle passt perfekt in das Spielerprofil, das sich Wirtz selbst zuschreibt. Er wird der Freigeist im Zentrum sein. Umgeben von herausragenden Spielern, die ihm den Rücken freihalten, mit ihm kombinieren, seine Vorlagen verwerten oder ihm Tore ermöglichen. Ryan Gravenberch, Mac Allister, Luis Diaz, Mohamed Salah, Dominik Szoboszlai und Co. haben der Konkurrenz in England schon in der vergangenen Saison keine Chance gelassen, mit Wirtz soll die „Reds“-Offensive noch besser werden.

Florian Wirtz im Dribbling gegen die Liverpooler Diaz und Mac Allister

Wirtz soll Liverpool tragen, aber kann sich Pausen nehmen

Dem Ex-Leverkusener kommt die Klasse der Kollegen zudem zugute, weil er sich so seine Pausen nehmen kann, es wartet nicht alles auf seine Aktionen. Wirtz kann inmitten vieler herausragender Spieler weiter wachsen, aber es wird angesichts der unglaublichen Ablösesumme nie so sein, dass er nur mit dem Strom mitschwimmen darf. Von Wirtz wird verlangt, dass im Erfolgsfall eine Verantwortung dafür hat, er muss einen erkennbaren Einfluss auf Liverpool haben. Die Chance für ihn ist groß, aber die Fallhöhe noch größer.

Havertz ist ein warnendes Beispiel, dass Topleistungen in der Premier League trotz aller Veranlagungen und herausragender Darbietungen in der Bundesliga nicht zwangsläufig sind. Auch Wirtz muss sich anpassen, er wird auch körperlich robuster werden müssen, sich das ein oder andere Kilogramm an Muskelmasse draufpacken. Das ist auch nötig, um den riesigen Rucksack, mit dem er nach Liverpool reist, tragen zu können.