Die neue U-Bahn für Berlin nennt die BVG „J“. Per Pressemitteilung wurde daraus nun „J steht für Janz groß“. Man könnte auch sagen, „J steht für Janz spät“. Vor 30 Jahren stellte Berlin zuletzt neue Züge für die Linien des Großprofils (U5 bis U9) in Dienst. Dass das viel zu lange her ist, bemerken Fahrgäste seit vielen Jahren. Fahrten fallen aus, weil die Züge kaputt sind oder wegen irreparabler Schäden bereits verschrottet wurden. 2024 wurde der mit dem Senat vereinbarte Takt wegen der Not auf mehreren Linien ausgedünnt.
Aber die Zukunft wird immerhin schon getestet. Am Donnerstagabend stellten die Berliner Verkehrsbetriebe einen der beiden Prototypen vor. Auf einem 500 Meter langen Testgleis ging es hin und her, inklusive Gefahrenbremsung. Laut BVG werden auch die Geräuschentwicklung und die Entgleisungssicherheit getestet.
Die Chefs von BVG und Stadler, Jure Mikolčić (links) und Henrik Falk.
© dpa/Fabian Sommer
Bis Fahrgäste einsteigen dürfen, wird es aber noch ein Jahr dauern. Die BVG rechnet mit sechs Monaten Tests, dann müssen die Fahrer ausgebildet werden. Auf welcher Linie die neuen Züge starten, stehe noch nicht fest, sagte BVG-Chef Henrik Falk, das sei nicht nur eine betriebliche, sondern auch eine politische Entscheidung.
Klarer sieht die Zukunft im Kleinprofil aus. Der kleine Bruder von „J“ heißt „JK“ und wird im September auf der U2 (Pankow-Ruhleben) starten. Parallel werde die Serienlieferung beginnen, bis Ende Dezember sollen alle 140 Wagen da sein. Die neuen Züge sollen den Betrieb „stabilisieren“, der seit Jahren unter zunehmenden Ausfällen leidet. BVG-Chef Falk verspricht all das regelrecht – zu lange warten die Fahrgäste bereits. Doch die 140 Wagen reichen nicht einmal für die U2 aus, dazu werden 216 benötigt.
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Insgesamt hat die BVG 484 Wagen bestellt: 140 kleine und 344 große, diese sollen bis 2027 anrollen. Laut Rahmenvertrag mit dem Pankower Hersteller Stadler können bis 2035 bis zu 1500 Wagen geliefert werden. Es ist der größte Beschaffungsauftrag in der Geschichte der BVG.
Zuletzt hatte es 1995 neue Züge für das Großprofil gegeben, die Baureihe „H“. Als 2018 eine ganze Serie der Baureihe „F“ wegen irreparabler Mängel auf den Schrottplatz geschoben werden musste, hatte die damalige Aufsichtsratschefin Ramona Pop (Grüne) die Sparpolitik ihrer Vorgänger kritisiert: „Wir merken, dass 20 Jahre nichts investiert wurde in neue Züge.“
Berlin braucht immer zwei verschiedene Züge, da zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Röhren kleiner gebaut wurden als später. Das sind heute die Linien 1 bis 4.
Im Kleinprofil kamen zuletzt 2015 bis 2020 knapp 220 Wagen vom Typ „IK“. Und da die Not im Großprofil noch größer war, werden die „IK“ auch dort eingesetzt. Eine typische Berliner Notlösung: Da es nicht gelang, einen großen Zug „I“ parallel zu bestellen, wurde der Mangel anders behoben: An die schmalen Züge wurde seitlich eine Schwelle geschraubt, damit Fahrgäste mit dem Fuß nicht zwischen Zug und Bahnsteigkante stolpern.
Mehr Komfort und Platz gibt es in den neuen U-Bahn-Wagen.
© dpa/Fabian Sommer
Dadurch fehlen natürlich auf den Linien 1 bis 4 Züge. Teilweise rollen noch Modelle aus den 60er Jahren über die Gleise, die immer störanfälliger werden. Die Lage am Beispiel der U4: Früher kam alle fünf Minuten ein Zug. 2024 wurde der Fahrplan auf sechs/sieben Minuten gestreckt. Faktisch fährt nur noch alle 20 Minuten ein Zug, so auch am Freitag.
Der Vertrag mit der Firma Stadler umfasst auch die Ersatzteilversorgung für 32 Jahre, er hätte vollständig ein Volumen von drei Milliarden Euro. Bislang ist nur ein Drittel im Haushalt eingestellt. Ob Berlin das Geld für den Rest hat, ist offen und eine politische Entscheidung.
Die neuen Züge sind leiser, haben eine bessere Lüftung, aber keine Klimaanlage. Innen wirken sie deutlich großzügiger, weil alle Monitore an den Seitenwänden angebracht sind. Dadurch allerdings haben die neuen Wagen weniger Fenster als die alten. „Die bisherigen Ergebnisse der Tests stimmen uns sehr optimistisch“, sagte Falk: „Die neuen Züge sind ein wichtiger Baustein für mehr Stabilität im System.“
Auch Stadlers Deutschland-Chef Jure Mikolčić lobte die neuen Züge als „technologischen Quantensprung“. Sie setzten neue Maßstäbe in Sachen Sicherheit, Komfort und Barrierefreiheit.
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Den Prototyp „JK“ hatte die BVG bereits im Januar 2024 vorgestellt, also vor eineinhalb Jahren. Seitdem gab es immer neue Schwierigkeiten, vor allem mit der Software. Optimistischer ist die BVG bei den technisch weitgehend identischen, großen Zügen. Da es „deutlich komplexer ist, die Technik auf engerem Raum unterzubringen“, hieß es.
Dass es jahrelange Verzögerungen auch bei der Produktion der großen Wagen gab, zeigt ein Detail: Der am Donnerstag von Stadler und BVG präsentierte Zug wurde bereits am 19. April 2023 lackiert, wie eine kleine Aufschrift am Wagenkasten verrät. Zuvor hatte es mehr als ein Jahr Verzögerung gegeben, weil der unterlegene Konkurrent Alstom sich durch alle Instanzen klagte.