M assenflucht in Autokolonnen, aus Teheran heute wie 2022 aus Kyjiw. Die Bilder gleichen sich. Wieder richtet ein Krieg immenses Leid an und sortiert die Welt neu.

Donald Trump und Wladimir Putin ziehen an einem Strang, und das hat System. Trump hat die Ukraine aufgegeben, Putin lässt Iran fallen. Sollte Irans Regime untergehen, wird Russland stillhalten, so wie Trump für die Ukraine keinen Finger rührt. Das ist der Deal. In der Ukraine hat Putin freie Hand. Irans Schicksal liegt in Trumps Händen. Er muss sich nur noch überlegen, ob, wann und wie die USA an der Seite Israels in den Krieg einsteigen.

An sich sind Iran und die Ukra­ine grundverschieden. Iran hat ein nach innen und außen aggressives, autoritäres Regime, predigt die Vernichtung Israels und unterhält einen Ring terroristischer Verbündeter. Die Ukraine ist eine freie Gesellschaft, die mühsam ihre Selbstständigkeit und Identität zurückholt. Sie wehrt sich seit über zehn Jahren gegen russische Aggression, während sich in Iran das Volk ebenso mutig gegen das eigene Regime wehren muss.

Das ukrainische Selbstverständnis ist dem historisch gewachsenen Selbstverständnis Israels nahe. Die Solidarität des Westens gilt selbstverständlich diesen beiden Ländern, jede Unterstützung des iranischen Regimes verbietet sich, obwohl Iran der Angegriffene ist – wobei sich die Frage einer Unterstützung der iranischen Bevölkerung spätestens dann stellen wird, wenn massive Flüchtlingsströme die Türkei erreichen.

Mit Trump ist die Dynamik beider Konflikte verknüpft

Aber all das hilft nicht, um die Trump-Putin-Welt zu verstehen. Die Kriege gegen Iran und die Ukra­ine sind sich strukturell ähnlich. Putin und Netanjahu agieren wie Brüder im Geiste. Sie bezeichnen ihre Gegner beide als Nazis und fordern beide deren Entmilitarisierung und Unterwerfung. Sie rechtfertigen ihre Aggression beide als notwendige Abwehr einer unmittelbaren existenziellen Bedrohung. Was für Putin die Nato-Osterweiterung ist, ist für Netanjahu das iranische Atomprogramm: ein Teufel an der Wand seit 30 Jahren, dessen Zerstörung ihr Lebenswerk sein soll.

Seit Trumps Amtsantritt ist die Dynamik beider Konflikte verknüpft. Sein Sonderbeauftragter Steve Witkoff ist für beides zuständig. Am 12. April setzte Trump Iran eine Frist von 60 Tagen für einen Atomdeal – da befand sich Witkoff gerade in Moskau, und nach seiner Rückkehr fertigte Trump seinen absurden „Friedensplan“ für die Ukraine, mit Erfüllung der russischen Kernforderungen als Vorleistung.

Es folgten im Mai parallele Verhandlungen zwischen den USA und Iran und zwischen Russland und der Ukraine. Auf das Scheitern der Ukraine-Gespräche in Istanbul folgten die massivsten russischen Luftangriffe seit Kriegsbeginn. Auf den Ablauf der 60-Tage-Frist der USA an Iran folgte am frühen Morgen des 13. Juni der israelische Großangriff, mit Wissen der USA.

Würde von Irans Atomprogramm wirklich eine unmittelbare Gefahr ausgehen, könnte Israel keine Militärschläge wagen, weil dann Iran sofort viel massiver zurückschlagen könnte. Wäre die Ukraine wirklich das Sprungbrett einer aggressiven Nato, hätte Russland 2022 keinen Überfall wagen können, weil das einen vielfach größeren Nato-Gegenschlag provoziert hätte. Putin und Netanjahu können unbekümmert angreifen, weil sie beide wissen, dass sie lügen. Ihre Propaganda ist Projektionsfläche für ihr eigenes Ego.

Putin und Netanjahu sind selbstverliebt und skrupellos, Regeln zählen für sie im Krieg nicht. Sie behalten sich beide das Recht vor, feindliche Bevölkerungen zu vernichten, fremde Gebiete zu besetzen und Instabilität zu schüren. Sie beide erkennen nicht einmal feste Grenzen ihrer Staaten an.

Wenn Israel für uns die „Drecksarbeit“ macht, kann man sich jedes Gerede über eine regelbasierte Weltordnung sparen

Die westliche Solidarität mit der Ukraine und Israel steckt nun in einer Sackgasse. Putins Krieg zu kritisieren, aber zu Netanjahus Krieg zu schweigen, ist verlogen – und umgekehrt. Wenn Israel tatsächlich „für uns alle“ die „Drecksarbeit“ macht, wie es Friedrich Merz in unnachahmlicher Klarheit ausdrückt, kann man sich jedes Gerede über Völkerrecht und eine regelbasierte Weltordnung sparen.

Foren des „Westens“ wie G7 und Nato sind da zum Leerlauf verurteilt. Beim G7-Gipfel trat Trump als Fürsprecher Putins auf. Dass Trump in der Nato kommende Woche die Europäer zum 5-Prozent-Ziel für ihre Verteidigungsausgaben auffordern wird, ist kein Signal gegen Putin – vielmehr kann er dann in Zukunft nicht nur die Ukraine fallen lassen, sondern ganz Europa.

Russlands Großangriff auf die Ukraine war für den „Globalen Westen“ im Rückblick bloß eine Belastungsprobe. Israels Großangriff auf Iran geht an die Substanz. Das ist die neue Welt seit dem 13. Juni 2025, eine globale Zeitenwende wie der 24. Februar 2022.