Die Mutter wollte nur „ein paar Bahnen“ ziehen. Sie setzte ihre vier Jahre alte Tochter auf eine Bank im Stadtbad von Berlin-Lankwitz und erwartete, dass das Mädchen dort auch sitzen bleiben würde. Doch die Kleine machte sich mit einem lustigen Papageien-Schwimmring auf den Weg zu einem anderen Becken, vielleicht wollte sie zur großen Rutsche. Ein anderer Badegast rettete die Vierjährige vor dem Ertrinken. „Das Kind trieb auf dem Boden, ich sprang sofort ins Wasser“, schilderte der Retter am Freitag vor dem Amtsgericht Tiergarten. Zweimal musste das Mädchen reanimiert werden.
Auf der Anklagebank sitzt mit Parwin A. die Mutter des Mädchens. Die damalige Berufsschülerin ist 23 Jahre alt, derzeit suche sie nach einem Job, sagte die Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr eine Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vor. Sie habe ihre Tochter am 14. November vorigen Jahres unbeaufsichtigt abgesetzt, um selbst im 25-Meter-Becken zu schwimmen.
Badegast wurde zum Lebensretter
„Während sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzte, hatte sie weder ihre Tochter im Blick noch eine andere Person beauftragt, ihr Kind zu beaufsichtigen“, heißt es in der Anklage. Gegen 19 Uhr sei die bewusstlos wirkende Tochter der Angeklagten von einem anderen Badegast im Spaßbad gefunden worden. Der 37-jährige Dmytro Demchenko, der zum Lebensretter wurde, holte das Kind aus dem Becken und rief um Hilfe – ein Bademeister leistete Erste Hilfe bis zum Eintreffen der Feuerwehr.
Es war doch nur ein kurzer Moment.
Aussage der Mutter vor Gericht
„Es war doch nur ein kurzer Moment“, sagte die Mutter nun. Vorher seien sie zusammen im Wasser gewesen – „wir hatten viel Spaß“. Sie habe ihr Tochter dann zu einer Bank gebracht, ihr gesagt: „Bleib hier sitzen, ich will ein paar Bahnen schwimmen.“ Sie habe sich immer auf die Kleine verlassen können. Beim Schwimmen sei sie dann kurz mit dem Kopf unter Wasser gewesen und habe beim Auftauchen entsetzt entdeckt: „Plötzlich war sie nicht mehr da.“ Ein Mann habe blitzschnell geholfen – „er war schneller als ich“.
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Der Verteidiger sagte, das Mädchen habe an einer kleinen Mauer gesessen, nicht an der Seite mit der Rutsche. Die Richterin hielt entgegen: „Sie hatte das Kind nicht die ganze Zeit im Blick, man kann so ein kleines Kind nicht im Schwimmbad irgendwo absetzten und darauf vertrauen, dass es dort auch bleiben wird.“ Ob die Angeklagte so etwas schon häufiger gemacht habe, fragte die Richterin. „Ich liebe meine Tochter“, schluchzte die Angeklagte.
Die Mutter wiederholte mehrmals, dass es doch nur ein „ganz kurzer Moment“ gewesen sei. Der Verteidiger sagte, es seien drei Bademeister im Schwimmbad gewesen und Besucher. „Die Verantwortung liegt zu 100 Prozent bei den Eltern, gerade bei Nichtschwimmern“, entgegnete die Richterin.
Kind macht nun das „Seepferdchen“
Ein Bademeister schilderte, seine Kollegin sei etwa eine Minute vor dem Hilfe-Ruf des Retters von einer Runde gekommen. Niemand hatte bemerkt, dass das Mädchen allein war, sich in Gefahr begab. Als er den Badegast mit dem bewusstlosen Kind auf dem Arm sah, habe er sofort die Feuerwehr alarmiert, so der 30-jährige Zeuge. Die Mutter habe er erst gesehen, als sie bereits im Erste-Hilfe-Raum waren.
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Ob es häufiger vorkommt, dass Eltern ihre Kinder im Schwimmbad nicht im Blick haben, wollte die Richterin wissen. „Leider des Öfteren“, sagte der Bademeister. „Wir gehen dann zum Kind, fragen nach den Eltern, sprechen diese dann an und machen ihnen klar, dass sie eine Aufsichtspflicht haben.“
Die Angeklagte wandte sich an Lebensretter Demchenko, einen Parkettleger aus der Ukraine, und an den Bademeister. „Ich bin so dankbar“, sagte die Mutter. Ihrer Tochter gehe es gut – „sie macht jetzt ihr Seepferdchen“. Das Gericht will einen weiteren Bademeister befragen. Am zweiten vorgesehenen Verhandlungstag, dem 11. Juli, könnte es auch zu einem Urteil kommen.