Bisher fuhren viele schwerkranke Briten zum Sterben in die Schweiz. Künftig können sie auch im eigenen Land Sterbehilfe in Anspruch nehmen.

Sowohl Gegner wie Befürworter der Sterbehilfe demonstrieren am Freitag auf dem Parliament Square, während die Vorlage im Unterhaus die entscheidende Hürde nimmt. Sowohl Gegner wie Befürworter der Sterbehilfe demonstrieren am Freitag auf dem Parliament Square, während die Vorlage im Unterhaus die entscheidende Hürde nimmt.

Vuk Valcic / Imago / www.imago-images.de

Kaum ein innenpolitisches Thema hat in der britischen Bevölkerung in den letzten Monaten mehr Emotionen ausgelöst als die Debatte um die Legalisierung der Sterbehilfe. Am Freitag nun hat die Vorlag die entscheidende parlamentarische Hürde genommen: Die Unterhausabgeordneten stimmten dem Gesetzesentwurf mit 313 zu 291 Stimmen zu, womit bloss 23 Stimmen den Ausschlag gaben.

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Nun geht die Vorlage zur Detailberatung ins Oberhaus, worauf eine letzte Bestätigung des Unterhauses ansteht. Am Grundsatzentscheid zugunsten der Sterbehilfe wird sich aber aller Voraussicht nach nichts mehr ändern. Damit steht einer der grössten gesellschaftlichen Liberalisierungsschritte der letzten Jahre kurz vor der Umsetzung. Kommentatoren zogen Vergleiche mit der Abschaffung der Todesstrafe, der Legalisierung von Abtreibungen oder der Öffnung der Ehe für Homosexuelle.

Sterbetourismus in die Schweiz

Bis anhin ist die Sterbehilfe im Vereinigten Königreich ganz verboten und kann mit einer Maximalstrafe von 14 Jahren Gefängnis geahndet werden. Gemäss Schätzungen fuhr bisher jede Woche im Durchschnitt eine Person von Grossbritannien in die Schweiz, um sich dort mit der Unterstützung der Organisation Dignitas das Leben zu nehmen. Ein britisches Paar meldete sich im letzten Jahr auch an, um die umstrittene Suizidkapsel Sarco zu nutzen.

Der assistierte Suizid wird in Grossbritannien nun unter strengen Voraussetzungen legalisiert. So ist die Sterbehilfe nur für Erwachsene möglich, die wegen einer Erkrankung eine Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten haben. Zudem müssen die Patienten einen klaren und beständigen Willen zum Tod äussern, wobei dieser ohne Zwang und Druck zustande kommen muss. Schliesslich müssen zwei Ärzte bescheinigen, dass der Sterbewillige die Voraussetzungen erfüllt.

Das Gesetz entspringt keiner Vorlage der Regierung, sondern geht auf eine parlamentarische Initiative einer gewöhnlichen Labour-Abgeordneten zurück. Da es sich um eine Gewissensfrage handelt, waren alle Abgeordneten vom Fraktionszwang entbunden und konnten frei abstimmen. Die Vorlage spaltete alle Fraktionen: Premierminister Keir Starmer stimmte für die Legalisierung der Sterbehilfe, sein Gesundheitsminister Wes Streeting lehnte sie ab.

Angst vor Druck und Zwang

Die Gegner argumentierten, die Sterbehilfe verändere grundsätzlich das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat, da das Gesundheitswesen auf einmal nicht mehr ausschliesslich dem Erhalt des Lebens diene. Auch Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury und spirituelles Oberhaupt der anglikanischen Kirche, warnte vor den Folgen einer Legalisierung. So könnten sich alte Menschen zum Suizid gedrängt fühlen, da sie ihren Angehörigen und dem Gesundheitswesen nicht zur Last fallen wollten. Zudem drohe später eine Ausweitung der Gesetzgebung auf Personen, die nicht unheilbar krank seien.

Viele Befürworter im Parlament berichteten von Eltern und Bekannten, die aufgrund einer unheilbaren Erkrankung und trotz klarem Todeswunsch bis zu ihrem Ableben qualvolle Schmerzen erdulden mussten. Gemäss Umfragen befürworten zwei Drittel der britischen Bevölkerung eine Legalisierung.