Es ist ein ungewöhnlicher Anblick. Langsam bewegt sich der Hubsteiger des Baubetriebshofs des Kreises Viersen auf das Storchennest hinter der Wiese an der Clörather Mühle zu. Dort angekommen fährt Wolfgang Hintzen die vier Stützen des Fahrzeuges aus. Damit ist alles vorbereitet und Michael Jöbges kann mit seiner Arbeit beginnen, für die er eigens aus Recklinghausen in den Kreis Viersen gereist ist.
Der Rentner beringt im Ehrenamt und auf eigene Kosten Weißstörche. „Seit 1992 habe ich in ganz NRW über 3000 Weißstörche beringt. Ich habe schon mit acht Jahren meinen ersten Steinkauzkasten aufgehangen. Vögel sind von Kindesbeinen an meine Welt“, berichtet Jöbges während er zu Hintzen in den schmalen Korb steigt.
Im Gepäck hat er mehrere Ringe in Form von kleinen zweigeteilten schwarzen Kunststoffröhrchen und eine Decke. „Die Decke brauche ich, wenn einer der Jungstörche einen Notflug versuchen sollte. Ich legte die Decke über die Vögel, das beruhigt sie“, erklärt Jöbges. Langsam fährt Hintzen den Korb in die Höhe. 22 Meter wären möglich, aber so hoch hinaus geht es für das Storchennest nicht. Zehn Meter reichen in diesem Fall aus. Vorsichtig schiebt sich der Korb mit den beiden Männer an das Nest heran. Jöbges signalisiert kurz an die unten am Steiger Stehenden, dass es sich, wie vermutet, um drei Jungstörche handelt.
Petra Muth, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde, ihr Kollege Albert Erkens sowie Reinhard Bräutigam, der ehemaliger Leiter der Unteren Naturschutzbehörde und Ansgar Reichmann, der ebenfalls in Rente gegangene Leiter der Biologischen Station Krickenbecker Seen regsitrieren es zufrieden. Zwei der Jungstörche gehen direkt in Deckung, der dritte setzt indes zu einem Notflug an, den Jöbges aber mit der Decke verhindert. Die drei Jungvögel stellen sich allesamt tot und Jöbges kann mit dem Beringen beginnen.
Seine Erfahrung in diesem Bereich spiegelt sich auf der ganzen Linie wieder. Mit ruhigen und gezielten Bewegungen bringt er nacheinander an jedem linken oberen Bein der Störche den Ring an. Es gilt lediglich die beiden Ringhälften zusammen zu knipsen. Ein leises Klickgeräusch verrät das korrekte Einschnappen der Hälften. Eine Zange oder ähnliches braucht er nicht. „Das geht alles per Hand“, bemerkt der Fachmann lächelnd. Er betont, wie wichtig es ist, mit den Wildtieren vernünftig umzugehen und Störungen zu reduzieren.
Deshalb nimmt Jöbges auch direkt ein Stück Kunststoffseil mit, das im Nest liegt. „Der Plastikmüll, den ich in den Nestern finde, ist weniger geworden. Aber Bindegarn, wie jetzt auch hier, taucht oft auf. Letztlich musste ich einen Jungvogel freischneiden, der sich im Nest darin verwickelt hatte. Er hätte gar nicht fliegen können“, berichtet er. Außer dem gefundenen Fremdkörper präsentiert sich der Horst an der Clörather Mühle sauber. Auch das Wasser kann gut ablaufen. Es dauert nur wenige Minuten, dann tragen alle drei Störche Ringe mit der Kennung DEW, dem die Nummern 3V685, 3V686 und 3V687 folgen. Kurz noch Aufnahmen gemacht und es geht genauso langsam in die Tiefe, wie es hochging.
150 Ringe sind es insgesamt, die Jöbges in diesem Jahr anbringt. „Ich habe eigens für NRW eine Erlaubnis zum Beringen und kooperiere entsprechend mit den Biostationen, Naturschutzbehörden und Ehrenamtlern“, sagt der Fachmann. Das Zeitfenster für das Beringen liegt bei drei Wochen. Die Jungvögel sind sechs bis neun Wochen alt, wenn sie ihre Ringe erhalten. Die Beine der jungen Auenvögeln seien schnell ausgewachsen und so könnten die Ringe in diesem Alter perfekt angebracht werden, erklärt Jöbges.
Zwölf belegte Storchennester gibt es in diesem Jahr im Kreis Viersen. „Alle hatten Jungvögel, aber bei drei Paaren sind sie gestorben. Das ist dem Wetter mit extrem trockenen Phasen und auf der anderen Seite dem Starkregen geschuldet. Insgesamt sind es 17 Jungvögel“, sagt Reichmann, der ehrenamtlich mit im Storcheneinsatz ist. Von Clörath aus geht es zur Beringung weiter nach Neersen, wo ein Storchenpaar auf dem alten Kamin einer Gärtnerei gebrütet hat.