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Russlands Wirtschaftsminister gibt zu bedenken: Die Wirtschaft taumelt am Rande einer Rezession. Nur die Rüstungsindustrie entwickelt sich noch positiv.
St. Petersburg – Russlands Wirtschaft kränkelt. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow warnt auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, ungewöhnlich deutlich: „Den Zahlen nach haben wir eine Abkühlung, den aktuellen Empfindungen der Unternehmer nach sind wir schon an der Grenze zum Übergang in eine Rezession“, sagte er.
Russlands Wirtschaft in der Krise – Putin spricht auf Wirtschaftsforum in St. Petersburg Wladimir Putin: Die zivile Wirtschaft in Russland trifft auf Probleme. © Gavriil Grigorov/dpa
Das derzeitige Zinsniveau demotiviere Unternehmer zu investieren, sagte Reschetnikow. Im dritten und vierten Quartal könnten die Investitionen nach Schätzung des Ministers unter dem Vorjahresniveau liegen. Wladimir Putin soll am Nachmittag des 20. Juni eine Rede auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg halten und sich zur Lage der russischen Wirtschaft äußern.
Wirtschaftsminister Reschetnikow fordert zudem die russische Zentralbank auf, „ein wenig Liebe für die Wirtschaft“ zu zeigen, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Zentralbankchefin Elvira Nabiullina wehrte sich gegen den Vorwurf einer falschen Geldpolitik. Russlands Wirtschaft sei zwei Jahre lang trotz der Sanktionen durch Programme zur Importverdrängung gewachsen – dank Geldern aus dem Wohlstandsfonds und bestehenden Kapitalreserven des Bankensystems.
Inflation in Russland: Zentralbank-Chefin verteidigt sich
„Wir müssen verstehen, dass viele dieser Ressourcen tatsächlich aufgebraucht sind, und wir müssen über ein neues Wachstumsmodell nachdenken“, sagte Nabiullina. Die Zentralbank hat ihren Leitzins im Oktober vergangenen Jahres auf 21 Prozent angehoben, um die Inflation einzudämmen. Dieses Niveau hielt sie bis Anfang dieses Monats, als sie eine Senkung auf 20 Prozent vornahm.
Die russische Wirtschaft hatte sich nach dem von Putin befohlenen Angriff auf die Ukraine erstaunlich gut gehalten – trotz der westlichen Strafmaßnahmen. In erster Linie ist dies auf eine rigorose Umstellung der Wirtschaft auf eine Kriegsproduktion zurückzuführen. Der Putin-Vertraute Sergej Tschemesow, der die Rüstungsindustrie leitet, brüstete sich zuletzt mit einer Steigerung bei Munition und Waffen um das „Zigfache gegenüber 2021“.
Wirtschaft in Russland: Rüstungsindustrie boomt
Kritiker bemängeln, dass die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Russland nicht das Potenzial der Wirtschaft widerspiegele, neue Waren für die Bürger herzustellen – oder deren wachsenden Lebensstandard. Vielmehr zeige es nur an, dass die von Haushaltsgeldern finanzierte Rüstungswirtschaft immer mehr Drohnen, Raketen und Panzer produziere.
Zivile Sektoren hingegen kränkeln seit geraumer Zeit. Sie kämpfen mit hohen Kosten, Personalmangel und technologischem Rückstand, der sich durch die Sanktionen nur noch manifestiert. Der Bau- und Immobiliensektor etwa ist stark in der Krise. Auch der Autobau stockt, seitdem westliche Produzenten und Zulieferer Russland den Rücken zugewendet haben. China verkauft zwar vermehrt Autos in Russland, produziert aber vor Ort nicht selbst. (mit Material der dpa)