Mit dem Wohnprojekt „6×9“ untersuchen die Architekten Max Hacke und Leonhard Clemens die Möglichkeiten verdichteten Bauens in innerstädtischen Lagen. In einem Hinterhof im Berliner Prenzlauer Berg verbinden sie minimale Grundfläche mit einem ungewöhnlichen Nutzungskonzept – ein Experiment mit Vorbildcharakter, das gleichzeitig soziale Fragen aufwirft.

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons, Boonekamp das ist Günter Haase, CC BY-SA 4.0

 

In einem Hinterhof der John-Schehr-Straße im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg haben Max Hacke und Leonhard Clemens ein außergewöhnliches Wohnhaus fertiggestellt. Auf einem Grundstück, das nur sechs Meter breit und neun Meter tief ist, entwarfen sie ein siebenstöckiges Gebäude mit sieben kompakten Wohnungen.

Obwohl der Baukörper durch seine schmale Form aus dem Raster der umgebenden Gründerzeitbauten fällt, fügt er sich unauffällig in die dichte Struktur des Quartiers ein. Erst aus der Luft erkennt man die städtebauliche Pointe des Projekts: Eine großzügige Dachterrasse wurde auf dem angrenzenden Altbau geschaffen und über einen schmalen Steg mit dem Neubau verbunden. Dieser Zugang dient gleichzeitig als gesetzlich geforderter zweiter Rettungsweg – eine technische Notwendigkeit, die die Architekten als gestalterischen Ausgangspunkt nutzten.

Ein Prototyp für urbane Nachverdichtung: Warum die Architekten mit „6×9“ kleinteilig, aber funktional denken

Das Projekt „Hinterhaus 6×9“ versteht sich laut den Planern als Prototyp für die nachhaltige Bebauung innerstädtischer Restflächen. Jede der sieben Einheiten im Neubau bietet rund 38 Quadratmeter Wohnfläche. Ergänzt wird das Ensemble durch vier neu ausgebaute Wohnungen im Dachgeschoss des Altbaus.

Drei dieser Einheiten erhalten direkten Zugang zur Dachterrasse, die damit nicht nur Erschließungsfläche, sondern auch Aufenthaltsort für die Bewohner ist. Allerdings erfolgt der Zugang ausschließlich über den Neubau. Eine Verbindung über das Treppenhaus des Altbaus wurde aus praktischen und genehmigungsrechtlichen Gründen nicht vorgesehen. Dieses gestalterische Konzept schafft außergewöhnliche Aufenthaltsqualitäten.

Gestaltung mit klarer Haltung: Wie reduzierte Materialien und funktionale Elemente das architektonische Konzept prägen

Das Erscheinungsbild des Hauses ist bewusst zurückhaltend. Eine glatte, graue Putzfassade umhüllt das schlanke Gebäude, während das außenliegende Treppenhaus durch weißes Wellblech hervorgehoben wird. Die Architekten setzen auf Reduktion und Robustheit, sowohl außen als auch im Inneren der Wohnungen.

Im Innern dominieren einfache, langlebige Materialien, die auf intensive Nutzung ausgelegt sind. Jedes Apartment verfügt über ein Bad, eine kompakte Küche, eine Schlafnische und einen rund sechs Quadratmeter großen Balkon zur Südseite. Eine Besonderheit bildet die von den Architekten entwickelte Küchenzeile aus Edelstahl. Sie erfüllt die baurechtlichen Mindeststandards und kann durch gängige Module ergänzt werden – eine flexible Lösung, die auch in anderen Projekten Anwendung finden könnte.

Planung, Umsetzung und Kosten: Was das Projekt über die Machbarkeit kleinteiliger Architektur in Berlin zeigt

Für die Planungs und Entwurfsarbeit in den Leistungsphasen 1–5 waren Hacke und Clemens selbst verantwortlich. Die Bauleitung übernahm das Berliner Büro Rautenbach Architekten. Das Projekt weist eine Bruttogrundfläche von 750 Quadratmetern auf und wurde mit einem Budget von etwa zwei Millionen Euro umgesetzt.

Trotz komplexer Rahmenbedingungen (darunter ein beengtes Grundstück, verschiedene Baukörper und rechtliche Auflagen) konnte das Projekt innerhalb des vorgesehenen Rahmens realisiert werden. Es zeigt damit, dass auch schwierige städtebauliche Situationen Lösungen ermöglichen, wenn Planung, Gestaltung und Nutzungskonzept eng aufeinander abgestimmt werden.

Wohnen auf engstem Raum mit hoher Miete: Warum Mikroapartments als Markttrend zugleich Kritik hervorrufen

Unabhängig von der architektonischen Qualität reiht sich das Projekt „6×9“ in eine Wohnform ein, die stadtweit an Bedeutung gewinnt: die der Mikroapartments. Diese Wohnungen sind häufig möbliert, befinden sich in zentralen Lagen und lassen sich hochpreisig vermieten. Viele unterliegen aufgrund ihres Neubau-Status nicht der Mietpreisbremse.

Zwar bieten sie kurzfristige Lösungen für bestimmte Zielgruppen wie Studierende, Berufseinsteiger oder Pendler, doch sie sind selten auf langfristiges Wohnen ausgelegt. Eine dauerhafte soziale Integration der Bewohnerinnen und Bewohner findet in vielen Fällen nicht statt. Damit stellt sich auch bei architektonisch ambitionierten Projekten wie diesem die Frage, wie Mikroapartments sinnvoll in eine nachhaltige Stadtentwicklung eingebunden werden können.

Quellen: Baunetz, AD, büro hacke