Feuchtfröhliche Stimmung und gute Laune – die gab es reichlich beim Karneval der Kulturen zum Pfingstwochenende Anfang Juni. Viele Tausend Menschen feierten friedlich, der Umzug bewegte sich zum ersten Mal durch die Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain. Dort zeigen sich die Anwohner nach der Premiere allerdings ganz und gar nicht zufrieden.
„Alles wurde komplett vollgepisst“, sagt eine junge Frau dem Tagesspiegel. Sie will anonym bleiben. Die Hauseingänge in der denkmalgeschützten Karl-Marx-Allee sind groß und tief, sie bieten Sichtschutz.
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Die Spuren sind noch Tage später zu sehen. Die Gebäude aus Sandstein reagieren besonders empfindlich. „Uns ist schleierhaft, warum man so ein Massenevent hier veranstalten muss“, sagt die Anwohnerin. Es sei auch niemand gekommen, der anschließend geputzt habe. Angeblich über 750.000 Gäste hingegen feierten, gerade mal 38 Ordnungswidrigkeiten wegen öffentlichen Urinierens wurden ausgesprochen.
„Hunderte Menschen haben in unseren Eingang uriniert“, erzählt die Frau. Es habe gar nicht mehr aufgehört. Die Personen seien auch nicht weggegangen, als man sie angesprochen habe. „Die wollten uns zum Tanzen einladen. Aber wir wollten einfach nur, dass sie nicht vor unsere Tür pinkeln.“ Und ja, es habe auch jemand vor die Tür gekotet, „als mein Freund gerade den Müll herunterbringen wollte“. Danach sei jemand reingetreten und habe die Exkremente im ganzen Haus verteilt.
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Nächstes Jahr brauchen wir Poller gegen Wildpinkler vor unseren Hauseingängen.
Eine Anwohnerin der Karl-Marx-Allee nach dem Karneval der Kulturen.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte die Verlegung des Karnevals nach Friedrichshain bisher als Erfolg verkauft. Nächstes Jahr sollen, „bei einer möglichen erneuten Anmeldung an diesem Standort“ die mobilen Dixi-Toiletten verdreifacht werden, heißt es in einer Mitteilung.
Achim Bahr begrüßt das zwar, sieht darin aber keine Rettung für die Anwohnenden. Er ist Vorsitzender des Vereins „Stalinbauten e.V.“, der sich um den Erhalt des denkmalgeschützten Quartiers kümmert – und selbst Anwohnender ist.
Fast zwei Wochen nach dem Karneval der Kulturen stehen die Poller in der Lebuser Straße noch.
© Robert Klages
„Mehr Toiletten werden da auch nicht helfen“, sagt Bähr dem Tagesspiegel. „Die Dixis waren nach zwei Stunden überlaufen und eklig, niemand geht da mehr rein.“ Bähr möchte den Karneval am liebsten gar nicht in der Allee sehen, aber wenn das 2026 wieder stattfinden sollte, fordert er von den Veranstalter:innen, dass sie jeden einzelnen Hauseingang bewachen lassen.
„Niemand will Spielverderber sein“, so Bähr. „Aber ich bekomme zahlreiche Anschreiben von Anwohnenden. Anscheinend wurde überall alles vollgepisst. Und das geht nicht. Es war schlimmer als beim Bierfest.“
Diese „Biermeile“ fand mehr als zwei Jahrzehnte in der Karl-Marx-Allee statt, bis 2019 Schluss war, da die Kosten zu hoch wurden. Anwohnende berichteten damals von Drogen, Urin und Müll in den Hausfluren.
Die Grünflächen der Allee am Tag danach.
© Achim Bahr.
Anna Seifert, Organisatorin des Karnevals der Kulturen, bat öffentlich darum, die Besucher sollten doch die öffentlichen Toiletten nutzen und nicht wildpinkeln. Das scheint wenig gebracht zu haben.
Eine Anwohnerin berichtet, bei ihnen sei mehrfach das Tor zum Hofeingang aufgebrochen worden und hunderte Personen hätten den Hof als Toilette verwendet. Sie habe zwei Mal am Pfingstwochenende die Polizei gerufen.
Auch auf dem begrünten Mittelsteifen der Allee wurde wildgepinkelt. Da der Bezirk diesen vor dem Karneval mähen ließ, ist das Gras nach der Hitze der letzten Tage nun mittlerweile arg verdorrt.
Mehr zum Thema: Zweifel an der Besucherzahl Wie viele Zuschauer hatte der Karneval der Kulturen wirklich? Premiere in Friedrichshain Die schönsten Eindrücke vom 27. Karneval der Kulturen in Berlin 750.000 Besucher Karneval der Kulturen tanzt im Osten Berlins – Bezirk zufrieden mit neuer Route
Der Bezirk teilte mit, dass „einzelne Bereiche“ entlang des zwei Kilometer langen Bereiches „stärkeren Belastungen ausgesetzt waren“. Allerdings hätten die Schutzmaßnahmen funktioniert. Vor Ort sieht das anders aus: brauner Mittelstreifen und eingetrocknete Urinlachen in den Hauseingängen.
Auch die Grünanlagen in den Nebenstraßen und hinter der Karl-Marx-Allee wurden in Mitleidenschaft gezogen. Zudem fragen sich einige Anwohner, wann denn eigentlich die mobilen Sicherheits-Poller wieder abgeholt werden. Diese wurden in den Seitenstraßen zum Karneval der Kulturen aufgestellt worden und stehen, fast zwei Wochen später, noch immer dort.
„Nächstes Jahr brauchen wir Poller gegen Wildpinkler vor unseren Hauseingängen“, sagt die Anwohnerin.