Als Jonathan* am Freitagnachmittag seine Wohnung verlässt, um mit seinem Hund im Kreuzberger Park am Gleisdreieck spazieren zu gehen, wusste er nicht, dass er wenig später um sein Leben fürchten muss. Wie gewohnt legt der 60-Jährige seine Davidsternkette um und trägt an diesem Sommertag auch ein T-Shirt mit dem Symbol des Volkes Israel und des Judentums auf der Brust.
Schon als er wenig später den Park betritt, wird er, wie eigentlich täglich, so sagt er, antisemitisch beschimpft. „Free Palestine“, ruft ihm eine Gruppe junger Frauen entgegen, als er an den Tischtennisplatten nahe des Kreuzberger Möckernkiez entlangläuft. Jonathan ignoriert die täglichen Beschimpfungen, die ihm auf den Straßen Kreuzbergs begegnen, mittlerweile schon fast. Ganz egal, ob aus dem Auto oder auf dem Gehweg: Mit „Kindermörder!“-Rufen oder Genozidvorwürfen sieht sich der Mann fast täglich konfrontiert.
„Ich verstehe das als Todesdrohung“ Hamas-Sympathisanten attackieren Berliner Schule
Doch was an dem bis dahin sonnigen Freitag im Park geschah, hat auch seine bisherigen Erfahrungen um einiges überschritten. Als er kurz den Bouleplatz passierte, lief ein jüngerer Mann mit Kufiya an ihm vorbei. Dieser drehte sich schlagartig um, nahm Jonathans Davidstern wahr und fing an zu schreien. „Du Mörder. Hau ab!“ rief er, zeigte Jonathan den ausgestreckten Mittelfinger und zog aus seiner Hosentasche ein Messer.
Jonathan habe Blut an den Händen, rief der Mann zudem. Ein Vorwurf, der für Jonathan nicht selten ist. Doch der Ton und die Wut, die herauszuhören waren, seien selbst für ihn ungewohnt gewesen. Wie der Tagesspiegel außerdem erfuhr, soll der Mann auch Jonathans Davidstern mit dem Hakenkreuz verglichen haben.
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Vom Stern bis zum Dreieck Diese Parolen und Symbole wertet die Berliner Polizei als antisemitisch
Als der 60-Jährige den bewaffneten Mann nicht mehr besänftigen konnte und nachdem er einen Sicherheitsabstand aufgebaut hatte, rief er die Polizei. Doch das schien den wütenden Kufiya-Träger nur noch mehr in Rage zu versetzen. Nur sein Hund und wenige Meter trennten den bewaffneten Mann und ihn.
Ich stech dich ab!
ruft der bewaffnete Mann dem 60-Jährigen mutmaßlich wegen seiner Religionszugehörigkeit zu.
Kurz darauf rannte der Mann mit dem gezogenen Messer auf Jonathan zu und bedrohte sein Leben sowie das seines Hundes: „Ich stech dich ab! Ich stech den Hund ab!“, schrie er unter anderem. Und das alles so laut, dass es auch mehrere Besucher des Parks deutlich hörten.
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Ausschnitte der Szene hat eine Parkbesucherin gefilmt. Das Video wurde auf der Plattform X geteilt. Auch dort ist zu sehen, wie ein Mann Jonathan unter anderem mit den Worten „Du Kindermörder!“ schreiend hinterherrennt. Der Hund wirkt nervös, knurrt und bellt den Angreifer an.
Fast zeitgleich traf die Polizei ein. Doch die Einsatzkräfte mussten fast bis zum Äußersten ihrer Mittel greifen. Da sie inmitten der Bedrohungslage eintrafen, zog ein Beamter seine Schusswaffe und trat dem Angreifer mit einer entschlossenen Schusshaltung entgegen, berichtete eine Sprecherin der Polizei.
Erst kurz darauf warf der Mann das Messer weg. Laut der Sprecherin befindet sich der 29-Jährige am Sonnabend in einer psychiatrischen Einrichtung. Er soll bislang nicht polizeibekannt gewesen sein. Wie auch bei anderen antisemitischen Straftaten ermittelt in diesem Fall der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA). Nach Tagesspiegel-Informationen ist der Mann österreichischer Staatsbürger, er hat zudem einen nicht-europäischen Migrationshintergrund.
Opfer und Ehefrau besuchen Mahnwache gegen antisemitische Gewalt
Auch einen Tag nach dem Vorfall ist Jonathan noch spürbar betroffen. „Das war nur die Spitze des Eisbergs“, berichtet er dem Tagesspiegel. Rückblickend ist er vor allem von der mangelnden Zivilcourage anderer Parkbesucher enttäuscht. Der Angreifer habe ihn schließlich mehrere Minuten lang lautstark mit antisemitischen Parolen angeschrien und niemand hätte eingegriffen. Eine Zivilcourage, die er auch sonst auf Berlins Straßen beim Thema Antisemitismus viel zu oft vermisst.
Trotz des traumatischen Erlebnisses fuhren Jonathan und seine Ehefrau im Anschluss zur wöchentlichen Mahnwache am Fraenkelufer. Dort versammeln sich jeden Freitagabend zum Erev Shabbat Menschen, um die jüdische Gemeinde zu unterstützen und ein sicheres Geleit zum Gottesdienst zu gewährleisten.
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Die Initiative wurde nach dem Brandanschlag auf die jüdische Kahal-Adass-Jisroel-Gemeinde in der Bernauer Straße im Jahr 2023 gegründet. Kurz nach dem Terrorangriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel warfen Unbekannte zwei Molotowcocktails in Richtung der Gemeinde in Berlin-Mitte. Personen wurden nicht verletzt, am Haus entstand kein Schaden.
*Name geändert