Seit mehr als einer Woche läuft die israelische Operation „Rising Lion“ gegen den Iran nun schon. Ein Ziel der Mission ist es, Irans Atomprogramm so hart wie nur möglich zu treffen.

Israel ist überzeugt, dass der Iran kurz vor dem Bau einer Atombombe stand – eine existenzielle Bedrohung für den jüdischen Staat. Das war auch der Grund, warum Israels Premier Benjamin Netanjahu den Angriff ausführen ließ.

Konkret geäußert hat sich die israelische Regierung bisher aber nicht zu den Gründen, warum sie ausgerechnet jetzt den Befehl zum Angriff gab. Schwammig sprach die Regierung von neuen Geheimdienstinformationen über das iranische Atomprogramm, einen „Point of no return“, also einen Punkt, an dem es für den Iran kein Zurück mehr gibt; wo aus der Drohung, Israel zu vernichten, eine reale Gefahr wird.

Dass der Iran sich die Möglichkeit verschaffen will, eine Atombombe zu bauen, ist unter Beobachtern und westlichen Geheimdiensten schon seit Jahren unstrittig. Wozu sonst sollte er massenhaft Uran auf 60 Prozent angereichert haben? Also auf einen Wert, der für die zivile Nutzung der Kernkraft völlig unnötig ist – der liegt nämlich bei unter fünf Prozent Anreicherung.

Dieses von der iranischen Atomorganisation (AEOI) zur Verfügung gestellte Foto zeigt Zentrifugen in der Urananreicherungsanlage Natans im Jahr 2019.

© dpa/AP/Atomic Energy Organization of Iran

Jenseits der gefährlich hohen Anreicherung des Urans hatte sich im Iran aber zuletzt wenig in dieser Hinsicht getan; jedenfalls nichts, was über westliche Geheimdienste oder die Internationale Atomenergiebehörde an die Öffentlichkeit gelangte.

Was sagt die Internationale Atomenergiebehörde IAEA?

Ende Mai 2025 zeigte sich die Atomenergie-Behörde IAEA „ernsthaft besorgt“ darüber, weil der Iran seine Produktion von bis auf 60 Prozent angereichertem Uran stark ausgeweitet hatte. Der Iran verfügte laut der Behörde Mitte Mai über 408,6 Kilogramm dieses hoch angereicherten Urans – über 130 Kilogramm mehr, als noch in einem Bericht von Februar festgehalten worden war.

Für den Bau einer Atombombe wird Uran in einem Anreicherungsgrad von etwa 90 Prozent benötigt. Die Menge, die der Iran auf diesen Wert hätte anreichern können, hätte laut Schätzungen für den Bau von einem halben Dutzend bis zu einem Dutzend Bomben gereicht.

Der Chef der IAEA, Rafael Grossi, scheint – anders als die Regierung in Jerusalem – nicht restlos davon überzeugt zu sein, dass der Iran kurz vor der Fertigstellung der Nuklearwaffe stand. „Wir hatten keine Beweise für eine systematische Bemühung, sich in Richtung einer Atombombe zu bewegen“, sagte Grossi bei CNN. Es sei unbekannt, wie lange der Iran zur Fertigstellung der Bombe wirklich brauche, fügte er hinzu.

Die entscheidende Frage aber ist nun: Was genau hat sich im Iran geändert, dass die israelische Regierung jetzt einen dringenden Handlungsbedarf gesehen hat?

Diese Frage beantwortet nun das britische Magazin „Economist“ in einem Bericht über die Geheimdienstinformationen aus dem Iran, die Israel zum Angriff veranlasst haben – und die Israel auch den USA und anderen westlichen Staaten übermittelt hat.

Das Magazin hat die Dokumente nach eigener Aussage nicht selbst vorliegen, aber mit einer Quelle gesprochen, die Einblick in die Unterlagen hat. Demnach waren es vor allem zwei Entwicklungen, die die Israelis alarmierten:

  1. „Erstens hat ein iranisches Wissenschaftsteam eine Menge an Nuklearmaterial mit unklarem Anreicherungsstatus versteckt, das den Beobachtern der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) unbekannt ist.“
  2. „Das zweite Indiz ist, dass die Wissenschaftler ihre Arbeit beschleunigt haben und sich mit Kommandeuren des iranischen Raketenkorps treffen wollten, um offenbar die zukünftige ‚Paarung‘ eines nuklearen Sprengkopfes mit einer Rakete vorzubereiten.“

Der erste Punkt ist dabei weniger entscheidend, zeigt er eigentlich nur, dass Teile des iranischen Nuklearprogramms der Beobachtung der IAEO entzogen waren.

Iran plante wohl entscheidendes Treffen zwischen Forschern und Generälen

Der zweite Punkt ist der eigentlich interessante. Denn wie der „Economist“ schreibt, hatte im Iran kaum ein Militär Einblick in die Entwicklung der nuklearen Kapazitäten, für die ein geheimes Team von Forschern verantwortlich war (viele der Wissenschaftler aus diesem Team hat Israel bei seinen aktuellen und früheren Angriffen und Attentaten getötet).

Eine Ausnahme war der von Israel schon am ersten Kriegstag getötete Armeechef Mohammad Bagheri. Er war auch Teil einer Gruppe, die nach israelischen Angaben Ende vergangenen Jahres die Entwicklung einer Atombombe noch einmal beschleunigte.

Tägliche Angriffe aus Israel So schwierig ist es, Irans Atomprogramm unschädlich zu machen

Der Hintergrund: Die vom Iran unterstützten Milizen im Libanon und Gaza waren von Israel weitgehend unschädlich gemacht worden, sie fielen also bei einer Konfrontation zwischen Israel und Iran als Abschreckung aus. Zudem hatten Israels Angriffe im Iran im Herbst 2024 offengelegt, wie schwach die iranische Luftverteidigung war und wie stark die israelische.

Der geistige Führer des Iran, Ali Chamenei, so die Lesart der Israelis, wollte also die Bombe als Faustpfand gegen künftige Aggressionen der Israelis. Machtpolitisch und militärisch wären die beiden Länder dann wieder gleichauf gewesen.

Konkret wurden die Bemühungen in einem geplanten Treffen zwischen den Wissenschaftlern, die an der Atombombe arbeiteten, und den Kommandeuren der iranischen Luftwaffe. Dabei sollte es darum gehen, wie die iranischen Raketen mit Atomsprengköpfen bewaffnet werden könnten. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste in der iranischen Luftwaffe angeblich niemand von dem geheimen Atomwaffenprojekt.

Das weist auf einen häufig übersehenen und unterschätzten Punkt bei der Entwicklung von Atomwaffen hin. Als Grundlage ist das bis auf 90 Prozent angereicherte Uran nötig, das der Iran innerhalb kurzer Zeit in den Zehntausenden Zentrifugen der Urananreicherungsanlagen in Natans und Fordow hätte herstellen können (die Zentrifugen in Natans sind nach den israelischen Angriffen inzwischen teilweise zerstört).

Das Material muss dann aber in den Gefechtskopf integriert und der wiederum in eine Rakete eingebaut werden – eine technisch hochkomplexe Angelegenheit, die viel Forschung und Entwicklung benötigt.

Wie weit der Iran in diesem Bereich war, darüber gibt es keine öffentlich verfügbaren Informationen. Laut dem „Economist“ gab es dazu in dem iranischen Team zumindest Computermodelle. Anzunehmen ist, dass der Iran diesen Prozess mit dem Treffen der Forscher und der Armeeverantwortlichen anschieben wollte.

Der Einschätzung der Israelis folgten die Geheimdienste in den USA bis zuletzt aber nicht. Laut CNN waren US-Geheimdienstanalysen zuletzt zu dem Schluss gekommen, dass der Iran nicht aktiv nach einer Atombombe strebe. Selbst wenn das Regime in Teheran derartige Pläne verfolge, bräuchte das Land noch mindestens drei Jahre, bis die Waffe tatsächlich einsatzbereit sei, glaubten die Analysten.

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Der Sender zitiert Tulsi Gabbard, die Direktorin des Nationalen US-Geheimdienstes, aus dem März 2025 mit den Worten, die US-Geheimdienste seien „weiterhin der Ansicht, dass der Iran keine Atomwaffen baut“.

US-Präsident Donald Trump sagte allerdings nach dem G7-Gipfel am vergangenen Montag, er sei der Meinung, der Iran stehe „sehr nahe“ an der eigenen Atombombe. Er scheint dabei also eher der Einschätzung der Israelis zu folgen als der seiner eigenen Geheimdienste.

Mitarbeit: Christoph Reichmuth