Schon als die sächsische Minderheitsregierung zu Beginn des Jahres ihren Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026 vorstellte, war klar, dass er so nie und nimmer beschlossen werden würde. Um eine Mehrheit im Landtag zu bekommen, brauchte die Koalition von CDU und SPD die Zustimmung aus den demokratischen Fraktionen in der Opposition. Und die pochten logischerweise darauf, dass sie beim Inhalt des Doppelhaushalts ein Wörtchen mitzureden hätten. Am Donnerstag, 19. Juni, kam es tatsächlich zu einer Einigung.
Die Fraktionen von CDU, SPD, Bündnisgrünen und Linken haben sich noch in dieser Woche auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten zum Doppelhaushalt 2025/26 in der kommenden Woche geeinigt. Eine Vereinbarung umfasst die Zustimmung zu Änderungsanträgen von Bündnisgrünen und Linken sowie der Koalition, gemeinsame Änderungen des Haushaltsbegleitgesetzes mit Vereinbarungen zum Sachsenfonds und einer Anpassung der Haushaltsordnung. Außerdem wurde ein gemeinsamer Entschließungsantrag vereinbart. Die Fraktionen ermöglichen durch die Vereinbarung, dass es im Landtag eine Mehrheit für den Haushalt gibt.
Darüber ist selbst die CDU-Fraktion erleichtert. Obwohl das für Sachsen ein echtes Novum ist.
Vier Fraktionen einigen sich
„Sachsen bekommt einen Haushalt vor der Sommerpause! Das ist eine gute Nachricht für Kommunen, Vereine, Träger und Institutionen im Freistaat – denn ihnen geben wir damit Planungssicherheit und Handlungsfähigkeit“, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Christian Hartmann. „Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht: Vier Fraktionen haben sich nach intensiven Gesprächen im Landtag auf einen Kompromiss der Vernunft im Interesse der Menschen verständigt.“
Dabei hatte die Minderheitsregierung anfangs sogar noch auf die BSW-Fraktion gesetzt, obwohl an der Verweigerung des BSW im Herbst 2024 die Bildung einer stabilen Regierung gescheitert war. Und selbst in den Haushaltsverhandlungen zeigte die BSW-Fraktion nicht wirklich Interesse an einer belastbaren Kooperation, wie Hartmann ernüchtert feststellt.
„Wir haben am Anfang sehr lange und intensive Gespräche mit dem BSW geführt. Diese waren von einer großen Ernsthaftigkeit geprägt. Aber am Ende reichte die angebotene Enthaltung der BSW-Fraktion nicht für eine stabile Mehrheit im Parlament“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende.
„Der Haushalt ist ein Realitätscheck für die Minderheitsregierung. Obwohl er mit über 50 Milliarden Euro das größte Volumen aller Zeiten hat, reicht das Geld nicht aus, um allen Wünschen gerecht zu werden. Politik muss diese Realität anerkennen und für eine Perspektive sorgen: Was ist mit den vorhandenen Ressourcen möglich – und was nicht? Mit diesem Haushalt stabilisieren wir die innere Sicherheit, gestalten Familienpolitik und tätigen notwendige Investitionen – ohne neue Schulden aufzunehmen. Das ist ein zentraler Markenkern von CDU-Politik.“
Plenarsaal von oben während einer Plenarsitzung des 8. Sächsischen Landtags. Foto: SLT/Stephan Floss
Sachsen bekommt vor der Sommerpause einen neuen Landeshaushalt
Blieben also nur die Bündnisgrünen und Linken, um mit demokratischen Partnern einen belastbaren Haushalt beschließen zu können. Die natürlich ihrerseits Korrekturen wünschten und auch in den Haushaltsbeschluss hineinverhandeln konnten.
Was nun auch Henning Homann, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, aufatmen lässt, denn damit kann der Haushalt mit über einem halben Jahr Verspätung nun endlich beschlossen werden.
„Sachsen bekommt noch vor der Sommerpause einen neuen Landeshaushalt. In einer schwierigen Lage ist es gelungen, einen tragfähigen Kompromiss aus der Mitte des Parlaments zu finden. Das ist ein starkes Zeichen für die Handlungsfähigkeit der Minderheitsregierung – und für die parlamentarische Demokratie insgesamt“, sagt Homann.
Und betont: „Dieser Haushalt setzt klare Prioritäten, trotz notwendiger Konsolidierung. Dieser Haushalt ist ein Haushalt des Zusammenhalts und der Perspektive. Er stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil wir gezielt in Zukunftsindustrien investieren, in Wachstum und sichere Arbeitsplätze. Gleichzeitig stellen wir die Menschen in den Mittelpunkt, die Unterstützung brauchen: Kinder, Jugendliche, Familien. Darüber hinaus haben wir klare Schwerpunkte gesetzt: Wir stellen weiter Lehrerinnen und Lehrer ein, führen die Schulsozialarbeit verlässlich fort, das Bildungsticket bleibt, und wir setzen einen Fokus auf die verlässliche Finanzausstattung der Kommunen. Das war der SPD von Anfang an wichtig, das war bereits im Regierungsentwurf sichtbar – und es ist auch in der nun vorliegenden Fassung erhalten geblieben.“
Mit der Einigung hätten die vier Fraktionen außerdem gemeinsame Prioritäten gesetzt, z. B. beim Kita-Moratorium, der verlässlichen Finanzierung der Demokratieförderung und der Förderung der breiten kulturellen Landschaft in Sachsen. Auch für zusätzliche Prioritäten, die von den Fraktionen vereinbart wurden, stehen insgesamt 250 Millionen Euro zur Verfügung.
Sachsenfonds für Investitionen
Vereinbart wurde nun auch der lange diskutierte Sachsenfonds, mit dem Investitionen von mindestens 4,8 Milliarden Euro in den kommenden zwölf Jahren ermöglicht werden sollen. Schwerpunkte sind dabei Investitionen in Krankenhäuser, Brand-, Zivil- und Katastrophenschutz, Infrastruktur und nachhaltige Mobilität, Sport- und Kulturinvestitionen, Pflege, Bildungsinfrastruktur inklusive Studierendenwerke.
„Auch die Kommunen werden vom Sachsenfonds umfänglich profitieren“, sagt Homann.
Die Summe besticht zwar auf den ersten Blick. Aber tatsächlich bedeuten die 4,8 Milliarden Euro lediglich 400 Millionen Euro pro Jahr. Eine Summe, die bei der Vielzahl der Aufgabenfelder schnell verzehrt sein dürfte.
Aber die Änderung der Haushaltsordnung könne, so Homann, künftig auch Spielräume für Kredite schaffen, „wenn es notwendig, sinnvoll und gerechtfertigt ist. Die vereinbarte Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung ist ein echter Fortschritt: Sie sichert Handlungsfähigkeit in Krisen und ermöglicht zukunftsgerichtete Investitionen. Zugleich kommt der aktuelle Haushalt ohne neue Schulden aus.“
Da hat sich erstaunlicherweise die CDU ein klein wenig bewegt, für die zusätzliche Kreditaufnahmen selbst in Krisenzeiten geradezu ein Graus ist. Aber die neuen Mehrheits- bzw-. Minderheitsverhältnisse im Landtag zwingen zu einer anderen politische Kultur.
Erstmals seit 35 Jahren hat man die letztlich völlig sinnfrei gewordene Brandmauer zur Linken durchlässig gemacht. Und auch gegenüber den Grünen, die man noch im Wahlkampf 2024 mit allen Mitteln gebasht hat, ist insbesondere die CDU über ihren Schatten gesprungen.
Außenansicht des Sächsischen Landtags in Dresden. Foto: SLT/Oliver Killig
Was Homann zu der Aussage bringt: „Der Haushalt zeigt: Konstruktive Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg ist möglich – und notwendig. Er ist ein Beispiel dafür, dass die neue politische Kultur, die wir versprochen haben, funktioniert – wenn man sich auf Augenhöhe begegnet. Kompromisse sind keine Schwäche, sondern eine Stärke der Demokratie. Ich danke ausdrücklich den Fraktionen von Bündnisgrünen und Linken. Gemeinsam mit ihnen und unserem Koalitionspartner ist es gelungen, einen zukunftsfähigen Haushalt zu einen. Wir sind die vier Fraktionen, die sich dazu entschieden haben, Verantwortung zu übernehmen.“
Susanne Schaper: Wir haben den Haushalt sozialer gemacht
Sichtlich froh, endlich auch einmal als Fraktion bei Haushaltsverhandlungen gefragt zu sein, zeigte sich am Donnerstag die Vorsitzende der Linksfraktion, Susanne Schaper:
„Eine Zeit ohne Haushalt ist das schlimmste Kürzungsprogramm: Seit einem halben Jahr darf Sachsen nur für die allernötigsten Zwecke Geld ausgeben. Tausende Jobs sind gefährdet. Zu Recht fordern viele Menschen aus der Zivilgesellschaft, die Kommunen, Verbände und Unternehmen, dass der Landtag endlich einen Haushalt verabschiedet. Die Linksfraktion wird es der Minderheitskoalition ermöglichen, ihren Entwurf zu beschließen. Wir konnten den Regierungsentwurf in schwierigen Verhandlungen deutlich verbessern. Das Zahlenwerk enthält dennoch Härten, die niemand begrüßen kann. Ein Etat, der von der Linken aufgestellt worden wäre, sähe deutlich anders aus. Wir holen jetzt die Kuh vom Eis, müssen aber weiter dafür kämpfen, dass sie Futter bekommt.“
Käme allerdings kein Haushalt zustande, wären die Folgen noch viel schlimmer, so Schaper: „Zahlreiche Träger vor allem im sozialen Bereich wären ruiniert, zehntausende Menschen würden arbeitslos werden. Ein Scheitern der demokratischen Parteien bei den Haushaltsverhandlungen würde der extremen Rechten weiteren Zulauf verschaffen, vor allem bei Neuwahlen. Es ist unsere antifaschistische Verantwortung, beides zu verhindern!“
Freilich fehlte der gerade einmal sechsköpfigen Linksfraktion noch die Stärke, alle Kürzungen zu verhindern, betonte Schaper: „Aber wir haben sie abgeschwächt und an wichtigen Stellen höhere Budgets durchgesetzt. Das wird das Leben vieler Menschen ganz konkret verbessern! Dafür lohnt es sich, Politik zu machen. Vier sehr unterschiedliche Fraktionen haben das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt und Kompromisse erzielt, die wir noch vor wenigen Wochen für undenkbar gehalten haben.“
Eigentlich etwas Selbstverständliches in der Demokratie. Aber das galt im Sächsischen Landtag gerade gegenüber der Linken 35 Jahre lang nicht.
Geld für Krankenhäuser, Bildung und die Eisenbahnverbindung nach Chemnitz
„Weil wir ernsthaft verhandelt und uns nicht verweigert haben, konnten wir den Entwurf sozialer machen und so manches erreichen. Wir konnten Kürzungen im Sozialbereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, der Kultur sowie bei der Förderung von Demokratieprojekten abwenden“, betont Schaper.
„Unser Land wird künftig Investitionskredite aufnehmen können. Wir werden dann viel mehr Möglichkeiten haben, Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Brücken, Gleise und Sportstätten zu bauen oder zu sanieren. Die Linksfraktion wird außerdem über die Verteilung der Bundes-Investitionsmittel mitentscheiden, die in den nächsten zwölf Jahren in jeweils dreistelliger Millionenhöhe nach Sachsen fließen. Wir werden dafür sorgen, dass damit in erster Linie den Krankenhäusern geholfen, aber auch in Pflege, Bildung und Brandschutz investiert wird. Außerdem haben wir durchgesetzt, dass spätestens 2029 ein Landesgesundheitsamt die Bevölkerung besser vor Krankheiten schützen kann.“
Für zentrale Bereiche wird jetzt deutlich mehr Geld verfügbar.
„Was klein aussieht, kann für manche Leute die Welt bedeuten: So können etwa Menschen mit Suchterkrankungen oder Essstörungen weiter eine Anlaufstelle finden”, erklärt Schaper.
„Viele Engagierte in Demokratieprojekten, im Integrationsbereich, in Vereinen und Verbänden werden doch nicht gekündigt, weil wir die Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen gerettet haben. Eltern müssen weniger Angst vor höheren Eigenanteilen haben, weil der Freistaat mehr Geld für die Kitas lockermacht. So können die Kommunen auch bei sinkenden Kinderzahlen die Betreuung verbessern. Die Studierendenwerke haben weniger Druck, Mieten und Mensaessen zu verteuern und können Studierende weiter beraten. Der barrierefreie Umbau von Wohnungen wird weiter gefördert. Das hilft vor allem Älteren und Menschen mit Behinderung. Und weil die Planungsmittel fließen, ist der zweigleisige Ausbau der Eisenbahnlinie Chemnitz-Leipzig jetzt doch möglich – eine gute Nachricht für Pendlerinnen und Pendler.“