22. Juni 2025

Notizen aus der Provinz- ein Bullshit-Tag in Halle zur Sommersonnwende

Was als musikalische Kulturveranstaltung gehypt war, geriet in weiten Teilen der Stadt zur Lärmbelästigung ohne Gegenliebe. Im Rahmen der „internationalen“ Fête de la Musique verwandelte sich die Peißnitzinsel und das angrenzende Stadtgebiet am Samstag in ein pulsierendes Areal wummernder und dröhnender Lautsprecher – und das bei auffällig geringer Publikumsresonanz.

Bereits ab dem frühen Nachmittag waberten dumpfe Bässe von zahlreichen Bühnen über die Ziegelwiese. Dort hatten die Veranstalter großflächig Bühnen aufgebaut, die mit Hochleistungstechnik auf Lkw-Grundgerüsten den Klang in alle Himmelsrichtungen schleuderten. Doch statt tanzender Menschen oder fröhlicher Picknickgruppen präsentierte sich die große Freifläche menschenleer, die Sonne spiegelte sich auf der ausgetrockneten, leeren Wiese, während aus den Boxen ohrenbetäubender Bass rollte.

Anwohnerinnen und Anwohner am Saaleufer berichteten von durchdringendem Lärm – ein monotoner Wumms, der sich über Stunden in die Häuser und Köpfe fraß. Besonders betroffen war das Naherholungsgebiet Ziegelwiese. „Es war wie ein Festival ohne Gäste – nur der Krach war da“, sagten betroffene Anwohner der umliegenden Wohngebiete.

Ziegelwiese, Fete de la Musique. c 19:30 h. zu den wummernden Klängen werden tänzerisch die Bierflaschen in der Hand bewegt.
Ziegelwiese, Fete de la Musique 2025. W“um wumm wu – doch keiner da
Ziegelwiese, Fete de la Musique. 1930 h, Ziegelwiese. Ordentlich was los hier.

Die musikalischen Darbietungen waren dabei keineswegs gering an Zahl oder Vielfalt: Von House, Reggae und Hip-Hop bis zu Techno, Dub und Trance – das offizielle Programm listete über 100 Acts an über 30 Standorten auf, darunter Digiti Stage, Neongrey’s, Unerhört Soundsystem, Tanz um die Waffel, und viele mehr. Doch selbst das Herzstück des Samstags, das Konzert von Iggy Pop auf der Freilichtbühne der Peißnitzinsel, wurde in seiner Akustik erheblich gestört.

Auf der anderen Seite des Saaleufers, auf der Peißnitzbühne: war indessen der „Godfather of Punk“ 19:30 Uhr auf die Bühne gegangen, begleitet von donnerndem Applaus und hoher Erwartung. Doch die Zuschauer, die auf den Moment der Live-Musik hin gefiebert hatten, sahen sich mit einer merkwürdigen Geräuschkulisse konfrontiert: Aus der Ferne drangen weiterhin Bässe und Beats von der Ziegelwiese herüber, mischten sich kakophonisch mit dem Klang der Band und störten die Konzentration auf das eigentliche Geschehen.

Mehrere Besucher sprachen am Rande des Konzerts von „verpasster Abstimmung“ und „Lärmunfall“. Auf beiden Uferseiten der Saale wurde zur gleichen Zeit beschallt – eine Planung, die kaum Rücksicht auf das Nebeneinander von Konzertbühne und Open-Air-Chaos auf der anderen Fluss-Seite nahm.

Die Stadt Halle steht nun vor Fragen: Wie verträgt sich ein dezentrales Musikfestival mit sensiblen Naherholungsräumen und abendlichen Hauptkonzerten? Warum wurden Bühnen in Reichweite der Ziegelwiese bis Mitternacht betrieben, obwohl dort kaum Menschen verweilten, während tausende Iggy-Pop-Fans auf der anderen Seite des Flusses störende Überlagerungen ertragen mussten? Und warum wird auf Einwohner, die keinerlei derartige Lärmveranstaltungen bestellt haben, keine Rücksicht genommen?