Am 30. März 2015 wurde das Gemälde „Aufrecht stehen“ des Leipziger Malers Reinhard Minkewitz mit einer feierlichen Vernissage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seitdem kann man es im Hörsaalgebäude der Universität Leipzig betrachten. Das Gemälde entstand auf Initiative des Schriftstellers Erich Loest und wurde von der Stiftung Friedliche Revolution der Universität als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Die Feier „Zehn Jahre nach der Hängung – Veranstaltung über Haltung, Erinnerung und Verantwortung“ fand am 17. Juni 2025 im Hörsaal 8 statt. Das geschichtsträchtige Datum wurde bewusst gewählt, um das Gemälde auch in den Kontext zum Volksaufstandes in der DDR 1953 zu setzen.

Was sehen wir auf dem Bild?

Das müsste selbstverständlich heißen: Was sieht der Autor auf dem Bild? Man sieht ein Bild in einem Bild: Im Hintergrund ist die 1968 gesprengte Universität Leipzig zu sehen. Nicht nur die immer wieder symbolisch dargestellte Paulinerkirche, sondern auch das Augusteum, welches 1943 schwer beschädigt und 1968 ebenfalls gesprengt wurde.

Obwohl das Augusteum ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert war, ist es nicht nur mit den Namen berühmter Architekten wie Albert Geutebrück, Karl Friedrich Schinkel und Arwed Roßbach verbunden. Das Gebäude war auch ein Symbol für die alte humanistische Universität. An dieser studierten außer Johann Wolfgang von Goethe, Tycho Brahe, Thomas Müntzer und Friedrich Nietzsche beispielsweise auch Hans-Dietrich Genscher, um nur einige Namen zu nennen.

1906 begann auch Martha Beerholdt als erste Frau ihr Studium an der Universität Leipzig. Das alte Augusteum steht, wie die Paulinerkirche, für eine lange Tradition des Humanismus und der Wissenschaft in Leipzig. Aber ich schweife ab.

Vier der sechs Hauptfiguren, (v. l. n. r.) Herbert Belter, Georg-Siegfried Schmutzler und Werner Ihmels und Wolfgang Natonek, stehen symbolisch auf den zerbrochenen Idealen und Hoffnungen ihrer Jugend. Die Älteren, Ernst Bloch und Hans Mayer, beide sitzend dargestellt, haben diese erst in reiferem Alter verloren, sie stehen bildlich auf festem Grund.

Zwischen den Sitzenden, mit dem Rücken zum Betrachter, sitzt der Initiator Erich Loest und lauscht den Geschichten. Wer mehr über die Personen und die Geschichten hinter dem Bild erfahren möchte, findet die Informationen bei der Stiftung Friedliche Revolution.

Es ist, bei aller Schlichtheit gegenüber dem überladenen Tübke-Gemälde „Arbeiterklasse und Intelligenz“, ein starkes Bild. Wie oben gesagt, das ist mein persönlicher Eindruck – so lese ich das Bild.

Die Feier am 17. Juni 2025

Die Stiftung Friedliche Revolution lud gemeinsam mit der Universität Leipzig und der Werner-Schulz-Initiative e.V. ein, um die Entstehung des Bildes zu rekapitulieren und die Fragen: „Was bedeutet es heute, aufrecht zu stehen?“ sowie „Welche Relevanz hat das Werk in Zeiten neuer politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen?“ zu thematisieren.

Prof. Dr. Rainer Vor, Stiftung Friedliche RevolutionProf. Dr. Rainer Vor, Stiftung Friedliche Revolution. Foto: Thomas Köhler

Diesen Fragen stellten sich Dr. Jeannine Kunert, die durch die Veranstaltung führte, Prof. Dr. Rainer Vor (Stiftung Friedliche Revolution), Professorin Eva Inés Obergfell (Universität Leipzig) und Thomas Vogel (Werner-Schulz-Initiative). In den Redebeiträgen wurde das Leben und Wirken der Widerstandskämpfer gewürdigt und Parallelen zur Gegenwart mit ihren Herausforderungen gezogen.

Der angekündigte Autor und Aktivist Jakob Springfeld hatte leider kurzfristig abgesagt, dafür las Gesine Märtens aus seinem Buch „Unter Nazis“.

Gesine Märtens liest aus „Unter Nazis“Gesine Märtens liest aus „Unter Nazis“. Foto: Thomas Köhler

Als Ehrengast war die Autorin Linde Rotta, die langjährige Lebensgefährtin des 2013 verstorbenen Erich Loest, anwesend und las aus ihrem unveröffentlichten Manuskript. Die Auszüge schilderten die Geschichte des Bildes und die Rolle von Erich Loest und Werner Schulz.

Wer aber denkt, dass mit dem fertigen Bild und dem Angebot, dieses als Leihgabe der Universität zur Verfügung zu stellen, die Geschichte endet, der wurde eines Besseren belehrt. Wie Unwillen und Bürokratie das Projekt hätten scheitern lassen können, das beschrieb Linde Rotta ebenfalls.

Die Veranstaltung endete mit einem geselligen Beisammensein vor dem Bild, hier wurde auch eine Tafel präsentiert, die künftig unter dem Bild zu sehen sein wird.

Reinhard Minkewitz, Linde Rotta, Prof. Obergfell, Prof. Vor, Thomas Vogel Reinhard Minkewitz, Linde Rotta, Prof. Obergfell, Prof. Vor, Thomas Vogel. Foto: Thomas Köhler

Reinhard Minkewitz sagte bei dieser Gelegenheit an Linde Rotta gewandt: „Das scheint also langsam anzukommen und das macht mich als Künstler natürlich froh, dass dieses Bild dann sprechen kann. Und liebe Linde, Dein kommendes Buch beschreibt ja noch viel, viel mehr, auch über die Zeit in den 50er Jahren, was sozusagen eigentlich zu dem Klima dieses Bildes mit gehört.

Es ist ja ein Historienbild und redet über die Vergangenheit. Was mir aber bei Dir heute gefallen hat, und dafür danke ich Dir sehr: Du hast klargemacht, ein Kunstwerk lebt über Metaphern und redet über Metaphern. Das ist etwas anderes als ein Wissenschaftler. Vielleicht lag auch da ein Stück dieses Missverständnisses zwischen der Universität, Erich Loest und mir, dass ein Wortsatz, ein Schriftsatz etwas anderes bedeutet als ein Bild. Ein Bild ist ein offener Gedankenraum.“

GedenktafelGedenktafel. Foto Thomas Köhler

Ich fragte im Anschluss Professorin Eva Inés Obergfell zum Thema „Aufrecht stehen“ und der Rolle der Universität. Gerade in der heutigen Zeit, in der von den Lehrenden immer wieder die vermeintliche Neutralität verlangt wird.

In dem Zusammenhang verwies ich auf die Aussage von Professor Willingmann bei der Frühjahrssitzung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften: „Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, die im Lehramt tätig sind und die auch gelegentlich solche Diskussionen in ihren Vorlesungen haben, mir komme niemand mit dem Neutralitätsgebot, wenn es um die Frage der Verteidigung unserer Verfassung geht.“

Die Antwort von Prof. Obergfell im Video.

Auch Reinhard Minkewitz bat ich um ein kurzes Statement zu der Entstehung des Bildes und dessen Bedeutung.

Auch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung setzten viel der Anwesenden den Gedankenaustausch fort.

Diskussion der Gäste zum AbschlussDiskussion der Gäste zum Abschluss. Foto: Thomas Köhler

Die Leihgabe an die Universität Leipzig wird fortgesetzt, das Bild behält seinen prominenten Platz. Und das ist gut so.