Die Fraktionsspitzen der schwarz-roten Koalition in Berlin haben sich am Wochenende auf Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz geeinigt. Es soll den Rechtsrahmen für mögliche Vergesellschaftungen vorgeben. Bis zum Jahresende soll ein Gesetzentwurf ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Das verkündeten am Sonntag CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Damit wollen sie eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag umsetzen.
„Wir reden hier nicht von Enteignungen“, sagte Stettner bei der Vorstellung des Kompromisses am Sonntag im Abgeordnetenhaus. Es gehe darum, dass der Staat eingreifen könne, „wenn es offensichtliche, manipulative Fehlentwicklungen gibt“. Auch Saleh sagte, dass das Rahmengesetz vor allem einen „regulierenden Charakter“ habe, es also nicht zwangsläufig zu Vergesellschaftungen kommen müsse. Der SPD-Politiker sprach von einem „ganzen Instrumentenkasten“, der dem Land dadurch zur Verfügung stehe. Als Beispiel nannte er die Preisregulierung.
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Das Gesetz soll frühestens zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft. Damit will die Koalition erreichen, dass es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden kann, bevor es angewendet wird. Das Gesetz soll Grundsätze für eine angemessene Entschädigung festlegen, daneben Indikatoren, wann Vergesellschaftungen in den Geschäftsfeldern der Daseinsvorsorge wie etwa bei der Wasser- oder Energieversorgung oder im Bereich Wohnen angebracht sind.
Demnach soll eine Vergesellschaftung möglich werden, wenn Unternehmen gesetzliche Regeln dauerhaft missachten und lange Zeit zu wenig investieren, zugleich aber Gewinne aus dem Unternehmen für die Rendite der Eigentümer abgezogen werden. Ein weiterer Indikator sind die Klimaziele von EU, Bund und Land – wenn also Unternehmen zu wenig tun, um diese zu erreichen.
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Bei Vergesellschaftungen soll es aber verhältnismäßig zugehen. Es sollen keine maximalen Einschnitte erfolgen, sondern das jeweils mildeste geeignete Mittel eingesetzt werden, um den Zweck der Vergesellschaftung nach dem Grundgesetz zu erreichen. Infrage kommen laut den Eckpunkten der Koalition „andere Formen der Gemeinwirtschaft“, gesetzliche Preisregulierungen, das Verbot der Gewinnmaximierung per Gesetz oder eine anderweitige marktorientierte Eigentumsnutzung.
„DW & Co. enteignen“ arbeitet seit zwei Jahren an einem Gesetzentwurf
Im September 2021, parallel zu den chaotischen Wahlen im Bund und zum Abgeordnetenhaus, hatten sich die Berliner bei einem Volksentscheid mehrheitlich für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen ausgesprochen. Knapp 58 Prozent der Stimmen gingen an den Vorschlag der Initiative „Deutsche Wohnen (DW) & Co. enteignen“.
Mit dem Volksentscheid wurde der Senat aufgefordert, Maßnahmen einzuleiten, um die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen vorzubereiten. Eine unter Rot-Grün-Rot eingesetzte Expertenkommission kam zu dem Ergebnis, dass eine Vergesellschaftung verfassungskonform ist, sie hielt mehrheitlich Entschädigungen unter Verkehrswert für möglich. Den Bericht legte die Kommission nach der Neuwahl in Berlin und dem Regierungswechsel hin zu Schwarz-Rot Mitte 2023 vor.
Der Initiative „DW & Co. enteignen“ reicht das von der Koalition angekündigte Rahmengesetz nicht aus. Bereits im September 2023 hatte die Gruppe angekündigt, einen neuen Volksentscheid anzustreben. Dazu wollte sie ein konkretes Gesetz zur Abstimmung einbringen. Nach fast zwei Jahren liegt noch immer kein Entwurf vor.
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Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte eine Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne unter seiner Führung mehrfach ausgeschlossen. CDU-Fraktionschef Stettner sagte dazu nun: „Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Das Vergesellschaftungsrahmengesetz biete jedoch „viele andere Instrumentarien, was Einflussnahme angeht“.