Brüssel – Ein neues Umweltgesetz sollte Hersteller verpflichten, bei Werbung für ihre Produkte noch strengere Regeln einzuhalten – um ihre Kunden nicht in die Irre zu führen. Was für Verbraucher auf den ersten Blick gut klingt, hätte für die Unternehmen aber ein Vielfaches an Bürokratie bedeutet.
Jetzt hat die EU-Kommission überraschend angekündigt, die Richtlinie zu neuen Mindeststandards für Umweltversprechen möglicherweise zu stoppen. Vorangegangen war Druck aus dem Europäischen Parlament und EU-Staaten. Erst am Mittwoch hatte die konservative EVP (dazu gehören auch CDU und CSU) in einem Schreiben den Stopp der „Green Claims Directive“ gefordert.
Widerstand aus Österreich und Schweden
Auch Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (45) hatte in einem Brief an die Kommission (liegt BILD vor) das Gesetz kritisiert: „Mit der vorgeschlagenen Richtlinie über Umweltaussagen riskieren wir eine erhebliche Überregulierung und Überschneidungen sowie eine kostspielige und zeitaufwendige Belastung der Unternehmen, insbesondere der kleinen mittelständischen Unternehmen und Kleinstunternehmen.“ Ebenso wie Schweden forderte er die Aussetzung der Verhandlungen.
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Hintergrund: Künftig hätten Drittanbieter die Werbung von Unternehmen mit einem Zertifikat versehen sollen. Innerhalb von 30 Tagen hätten Gutachter dann jegliche Umwelt-Aussagen („ozeanfreundlich“, „bienenfreundlich“ oder „CO2-frei produziert“) prüfen und zertifizieren müssen.
So sollten Werbe-Slogans verhindert werden, die Erzeugnisse umweltfreundlicher aussehen lassen, als sie eigentlich sind (sogenanntes „Greenwashing“).
Richtlinie könnte 30 Millionen Unternehmen treffen
Inzwischen sieht auch die EU-Kommission zu viel Bürokratie. „Die derzeitigen Diskussionen um den Vorschlag laufen der Vereinfachungsagenda der Kommission zuwider“, erklärte ein Sprecher. Das Vorhaben könnte 30 Millionen Kleinstunternehmen betreffen.
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Svenja Hahn (35, FDP), Vorsitzende der Liberalen im Europa-Parlament, zu BILD: „Werbe-Slogans vorab genehmigen zu lassen, wäre ein unverhältnismäßiger Aufwand und Kostentreiber in Zeiten von Wirtschaftskrise und Inflation. Das macht Produkte nicht besser, sondern teurer.“
Aus Unternehmen habe sie immer wieder gehört, wie realitätsfremd das Gesetz wäre. „Eine Vorab-Zertifizierung durch eine Drittstelle wie den TÜV kennen wir sonst von Autos oder Medizinprodukten, bei Werbung wäre es schlicht und einfach Überregulierung.“
Am Montag soll noch einmal zwischen Kommission und Parlament verhandelt werden – wohl zum letzten Mal. Aus der SPD heißt es allerdings, in der Kommission bestehe keine Einigkeit darüber, ob der Gesetzesvorschlag wirklich zurückgezogen werden soll.
Die zuständige Verhandlungsführerin des Parlaments, Delara Burkhardt (32, SPD), möchte eine schnelle Einigung: „Wir sehen es als politischen Affront, sich so kurz vor Abschluss der Verhandlungen in die Arbeit des Parlaments und der EU-Staaten einzumischen.“