Diktaturen leben davon, dass die meisten Menschen sich wegducken, anpassen und mitlaufen. Aber sie sind nie ohne Widerstand, auch wenn sie mit aller Gewalt jede Form des Widerstands zu brechen versuchen. Und eine markante Widerstandsform in Leipzig, die jahrzehntelange regelrecht „vergessen“ schien, haben insbesondere die Forschungen von Sascha Lange wieder sichtbar gemacht: den jugendlichen Protest der sogenannten „Meuten“. Die es aber nicht nur im Leipziger Westen gab, sondern auch im Leipziger Osten.

Von rund 1.500 Jungen und Mädchen spricht Sascha Lange, die sich Mitte der 1930er Jahre „in Jugendcliquen jenseits der Hitlerjugend“ trafen und sich gegen den Nationalsozialismus auflehnten.

Im April wurde das ursprünglich vom Jugendparlament initiierte Meuten-Memorial auf dem Lindenauer Markt feierlich eingeweiht. Aber es lenkt den Blick vor allem auf die im Leipziger Westen aktiven Jugendgruppen, insbesondere die Gruppe „Reeperbahn“. Dabei geht fast unter, dass es solche widerständigen Jugendgruppen auch in anderen Leipziger Stadteilen gab. Und der Leipziger Osten brauchte sich da gar nicht zu verstecken.

Auf den möchte jetzt die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat die Aufmerksamkeit mit einem Antrag lenken, der den Benhardiplatz in Reudnitz besonders in den Fokus nimmt.

„Der jugendliche Widerstand gegen den Nationalsozialismus durch die Leipziger Meuten ist ein wichtiger Teil unserer Stadtgeschichte. Nachdem die Meuten in Wissenschaft, Kunst und Kultur zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen haben, wurde durch den Stadtrat die Schaffung eines Erinnerungsorts an die größte Gruppe der Meuten (Reeperbahn), welche im Leipziger Westen aktiv war, beschlossen. Dieser Erinnerungsort wurde mittlerweile als Denkmal an alle Leipziger Meuten am Lindenauer Markt realisiert“, stellt die Fraktion in ihrem Antrag fest.

„Mit dem Erinnerungsort wird ein wichtiger Teil der widerständigen Jugendkultur im Nationalsozialismus gewürdigt. Gleichwohl ist festzuhalten, dass dieser Erinnerungsort der Dezentralität der verschiedenen Orte, an denen die Meuten aktiv waren, nicht vollständig gerecht wird und ein Erinnern an den jeweiligen konkreten Orten nicht ersetzen kann. Schließlich beschränkte sich das Wirken der Meuten nicht auf den Leipziger Westen.“

Der Lilienplatz in Reudnitz

Und ein Platz könnte sich im Osten direkt eignen, um eine hier aktive Meute zu würdigen, schlagen die Grünen vor: „Am Bernhardiplatz, damals Lilienplatz, im Leipziger Osten gab es – neben der zweiten großen Gruppe ‚Hundestart‘ in Kleinzschocher – mit der ‚Lille‘ eine dritte große Gruppe mit ca. 40 Mitgliedern. Im Oktober 1938 wurden mutmaßliche Rädelsführer der Meuten Hundestart und Lille wegen ‘Vorbereitung zum Hochverrat’ vor dem Leipziger Volksgerichtshof zu verhältnismäßig harten mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, infolge derer es teilweise zu Suiziden der Betroffenen kam.“

Der 90. Jahrestag im Jahr 2028 könnte ein geeigneter Zeitpunkt für die Realisierung eines Gedenkorts im Leipziger Osten sein, um die Erinnerung an den Widerstand der Jugendlichen gegen den Nationalsozialismus auch hier lokal sichtbar zu machen, schlagen die Grünen vor: „Geeignete Erinnerungsformen an den jeweiligen Wirkungsstätten der verschiedenen Meuten können dazu beitragen, in die Stadtteile auszustrahlen und das Erinnern im Kontext der jeweils verschiedenen Stadtteilkulturen zu ermöglichen.“

Aber auch hier sollen Akteure vor Ort die richtige Form eine Erinnerung an die „Lille“ entwickeln, finden die Grünen und beantragen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine differenzierte Form des Erinnerns an den Widerstand der Leipziger Jugend im Leipziger Osten gegen die nationalsozialistische Diktatur zu schaffen.

Hierzu ist ein Beteiligungsprozess zu organisieren, der insbesondere Jugendliche vor Ort, Stadtbezirksbeirat, Kulturakteur/-innen und Vereine vor Ort aktiv einbezieht. Hierfür sind angemessene Mittel im Doppelhaushalt 2027/2028 einzustellen und ist eine Realisierung bis Oktober 2028 vorzusehen.“