Die Nacht war in Teheran relativ ruhig, bis die Nachricht über die US-Schläge eintraf. Obwohl der Lärm der iranischen Luftabwehr die Bürger gestört hatte, waren sie zunächst enttäuscht ins Bett gegangen. Die Angriffe der israelischen Armee begannen in der Regel zwischen 1 und 2 Uhr morgens – und um 3 Uhr morgens war noch nichts passiert.
Viele, die auf einen Regierungswechsel setzen, hatten die Hoffnung auf einen neuen Angriff aufgegeben. In Instagram-Beiträgen brachten viele iranische Nutzer ihre Unsicherheit und Angst über die Möglichkeit eines Friedensabkommens zwischen ihrem Heimatland und den Vereinigten Staaten zum Ausdruck. „Wenn sie Frieden schließen und die Islamische Republik überlebt, wird es ein Blutbad geben“, befürchten viele.
Mahtab Gholizadeh ist eine iranische Journalistin und Expertin für Wirtschaftspolitik. Seit einem Jahr lebt sie in Berlin und verfügt noch immer über ein gutes Netzwerk in ihrer Heimat.
Doch nach nur zwei Stunden Ruhe im unruhigen Nahen Osten überschlagen sich plötzlich die Nachrichten: „Es gab einen Angriff“ – „Fordo wurde getroffen“ – „Die B-2 sind gestartet“ – „Sie haben Natanz getroffen… und Isfahan auch…“ – „Trump hat im sozialen Netzwerk Truth gepostet, dass seine Falken den iranischen Luftraum verlassen haben…“
Im Iran löst die Meldung von den schnellen und erfolgreichen US-Angriffen auf drei iranische Atomanlagen auf Instagram und X, in Telegram-Kanälen und WhatsApp-Gruppen Begeisterung aus. Wer im Iran so früh wach ist, bleibt es – viele wollen die Rede des US-Präsidenten live hören.
Ein Morgen voller Aufregung und Ungewissheit
Nur wenige Stunden später versucht der Tagesspiegel, trotz Zensur und instabilem Internet Menschen vor Ort zu kontaktieren.
„Ich bin froh, dass die USA in den Krieg eingetreten sind“, schreibt Ramin, 22, aus einer Großstadt im Süden Irans. „Die Allianz zwischen den USA und Israel macht sie stärker, und das bedeutet, dass der Krieg früher enden und die Islamische Republik fallen wird. Ich hoffe, sie nehmen Chamenei bald ins Visier und bringen es zu Ende.“
„Es ist Zeit, zu kämpfen“ steht auf dieser Anzeigetafel an einer Straße in Teheran.
© AFP/ATTA KENARE
Ihre Köpfe seien voller Fragen und Zweifel, erzählen Nima und Razieh, ein Ehepaar aus einer Stadt im Westen des Irans, in einem Gespräch via „Google Meet“. Beide sind sich einig, dass die Zerstörung der iranischen Atomanlagen nicht bedeuten dürfe, dass die iranische Bevölkerung mit dem Regime allein gelassen werde.
„Was wird danach mit uns passieren, wenn der Westen sich mit Chamenei doch einigt? Was wird mit dem iranischen Volk geschehen?“, fragt Nima. „Und wenn Chamenei stürzt: Wie wird die Sicherheit des Irans gewährleistet? Werden die Vereinigten Staaten und der Westen uns dabei helfen?“
„Nieder mit den USA“: An vielen Orten in Teheran ist anti-israelische oder anti-amerikanische Propaganda des Regimes zu finden.
© AFP/-
Razieh stimmt dem zu. „Ein Iran ohne Kleriker ist der Traum von uns allen“, sagt sie. „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich darüber aufregt, dass Mitglieder der Revolutionsgarde oder Regimetreue getötet werden. Aber ich habe Angst davor, dass die Nachbarn des Iran unsere Grenzen überschreiten oder dass innerhalb des Landes ein Chaos ausbricht. Was ist, wenn einige Provinzen ihre Unabhängigkeit fordern? Mein Heimatland ist für mich wichtiger als alles andere.“
Unsere Jugend ist in Rauch aufgegangen
Arash, 30, beschreibt über Telegram seine Ernüchterung: „Das, was bombardiert wurde und sich in wenigen Minuten in Rauch aufgelöst hat, hat meine gesamte Jugend geprägt. Zwanzig der besten Jahre meines Lebens habe ich unter Sanktionen und Repressionen verbracht – weil Chamenei seinen nuklearen Abenteuern nachjagte. Millionen von Dollar, die dem Volk meines Landes gehörten, wurden für diese Atomprogramme ausgegeben, nur um einen Konflikt mit der Region und der Welt zu provozieren. Wir haben dagegen auf der Straße protestiert, wir haben uns vor Kugeln gestellt. Viele von uns wurden verletzt, sind ins Gefängnis gegangen und wurden im schlimmsten Fall getötet.“
Sein einziger Trost sei, dass er jetzt die Chance habe, den Iran wieder aufzubauen. „Jetzt können wir mit unseren eigenen Händen einen neuen Iran aufbauen: im Bündnis mit den Vereinigten Staaten, in Frieden mit Israel und ohne Unterdrückung – ungeachtet des Geschlechts, der Religion oder der Überzeugungen der Menschen.“
Viele kehren in die Haupstadt zurück
Viele Teheraner, die zuvor aus der Hauptstadt geflohen waren, kehren nun zurück – so viele, dass sich in den Einfallstraßen der Stadt Berichten zufolge Staus gebildet haben. Im Iran beginnt am Samstag die Woche, und nach etwa neun Tagen bei Verwandten, Freunden oder in Kurzzeitmietwohnungen im Norden sind die Menschen erschöpft und wollen in ihre eigenen Häuser zurückkehren.
Sie verlassen sich darauf, dass Israel keine Wohngebäude angreifen wird. Gleichzeitig ist ein Großteil ihrer begrenzten Ersparnisse aufgebraucht, so dass es immer schwieriger wird, fern von zu Hause zu bleiben. Der Stress, bei der Großfamilie zu wohnen oder die beengten Verhältnisse in den sogenannten „sicheren Städten“ zu ertragen, hat ebenfalls seinen Tribut gefordert.
Teherans Straßen sind noch immer leerer als sonst, das Regime hält die Einwohner an, zuhause zu bleiben.
© REUTERS/Majid Asgaripour
Die Einwohner berichten von einer Art Kriegsrecht in Teheran, das zwar nicht offiziell verhängt worden ist, aber dennoch still zu gelten scheint. Überall in der Hauptstadt gibt es Checkpoints, was die Geduld der Menschen auf die Probe stellt. Sicherheits- und Militärkräfte halten Autos an, kontrollieren Taschen, durchsuchen das Innere von Fahrzeugen und weisen die Menschen an, nach Hause zu gehen.
Wie lange sie noch das Sagen haben werden, ist unklar. Es gehe den USA nicht um einen Regimewechsel, erklärte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth am Sonntag.
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„Die Islamische Republik und die Kleriker haben uns in einen Krieg hineingezogen, der uns nicht gehört“, sagt Lena, 39, aus Teheran müde. „Ich hoffe nur, dass wir nach all den Entbehrungen den Sturz des Regimes erleben – durch die Hand des Volkes – und endlich ein Leben in Frieden erfahren. Und sei es nur für kurze Zeit.“