Bis heute ein Ohrwurm: Das Lied „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“ wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Das Schicksal des Liedtexters ist an Tragik kaum zu überbieten.
Einer der berühmtesten Schlager mit Heidelberg-Bezug wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. 1925 schrieb Komponist Fred Raymond die Musik, Fritz Löhner-Beda und Ernst Neubach verfassten den Text für „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“. Als Haupttexter gilt aber Löhner-Beda. Alle drei stammten aus Wien und lebten dort auch im Entstehungsjahr des Liedes. Eine steinerne Gedenktafel aus Buntsandstein an der Alten Brücke in Heidelberg erinnert noch heute an den Komponisten und die beiden Texter. Auf dem Stein ist unter anderem eingraviert, dass Fritz Löhner-Beda 1942 in Auschwitz ermordet wurde.
2014 hat die Stadt Heidelberg an der Gedenktafel den Hinweis auf die Lied-Texter Fritz Löhner-Beda und Ernst Neubach hinzugefügt
Texter Löhner-Beda war wohl nie in Heidelberg
Warum, für wen oder was dieses Lied geschrieben und komponiert wurde, ist unklar. Der österreichische Studentenhistoriker Raimund Lang erklärte dem SWR, es gebe keinerlei Belege oder Nachweise dafür, dass Fritz Löhner-Beda jemals in Heidelberg gewesen ist. Löhner-Beda hat allerdings seinerzeit ein weiteres Studentenlied geschrieben („In der Pfalz blühen unsere Reben“), das zumindest auf einen zeitweisen Aufenthalt in der Rhein-Neckar-Region hindeuten könnte – ein eindeutiger Beweis ist das aber nicht. Klar ist nur, dass beide Lieder „die leicht kitschigen Klischees der Studentenromantik und der alten Burschenschaften-Herrlichkeit“ bedienten, so Lang.
Vielleicht hat Löhner-Beda mal als Tourist oder „Sommerfrischler“ eine Beziehung zu dieser Gegend gehabt. Aber einen speziellen Grund oder Auftrag, dieses Lied zu schreiben, den gibt es nicht.
Ein Bild von Fritz Löhner-Beda in Wien aus dem Jahr 1928 (Fotograf: Karl Winkler)
Österreichische Nationalbibliothek, Wien (Fotograf: Karkl Winkler)
Heidelberg-Lied: Kitschige Studentenromantik damals Mode
Historiker Raimund Lang vermutet, dass Löhner-Beda beim Texten des Liedes einfach auf den damaligen Zeitgeschmack eingegangen ist. Die Heidelberger Studentenromantik habe schließlich eine lange Tradition – zum Beispiel durch Joseph Victor Scheffels Gedicht „Alt Heidelberg, du feine…“ (verfasst in der Mitte des 19. Jahrhunderts) oder durch die Reiseberichte Mark Twains. Außerdem brachte 1901 Wilhelm Meyer-Förster „Alt-Heidelberg“ auf die Bühne – seinerzeit eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Theaterstücke, das später auch verfilmt wurde.
Erfolgs-Schlager aus Heidelberg auch Thema in der Presse
Vor diesem Hintergrund musste „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“ eigentlich zwangsläufig ein Schlager werden. Der Erfolgshit war natürlich auch Thema in den Zeitungen. In den „Heidelberger Neuesten Nachrichten“ stand zum Beispiel am 24. Juli 1926 zu lesen, dass die bekannte Melodie des Liedes „aus jedem Café“ klinge. „Über alle Lippen (…) summts und brummts, von Heidelberg mit all den verlorenen Herzen. Und so wie hier, ist es auch auswärts. In ganz Deutschland und sogar im Ausland wollen sie alle miteinander ihr Herz in Heidelberg verloren haben.“
„Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“: Das Lied kennen nicht nur viele Heidelberg-Touristen auch noch im Jahr 2025
Wer war Fritz Löhner-Beda?
Fritz Löhner-Beda war als Jura-Student in Wien zeitweise Mitglied der nationaljüdischen, teils auch zionistischen Studentenverbindung „Kadima“. Während des Studiums entdeckte Löhner-Beda sein Talent für Lyrik. Er begann damit, tagespolitische Gedichte für Wiener Zeitungen zu schreiben. Darüberhinaus schrieb er auch für unzählige Operetten (für Komponist Franz Lehar) und verfasste Schlager – darunter „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“, aber auch „In der Bar zum Krokodil“, das später die Comedian Harmonists in ihr Repertoire aufnahmen, „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?“ und „Ausgerechnet Bananen“.
1938 wird Löhner-Beda ins KZ Dachau deportiert
Bereits kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 wurde der jüdische Autor und Lyriker Fritz Löhner-Beda ins Konzentrationslager (KZ) Dachau deportiert. Später wurde er ins KZ Buchenwald verlegt. Dort schrieb er das „Buchenwaldlied“, auf Anweisung der SS. Das Lied sollte unter anderem beim täglichen Appell von den Häftlingen vorgetragen werden. Heute ist das Buchenwaldlied ein fester Bestandteil von Gedenkfeiern zur Befreiung des Konzentrationslagers. Von Buchenwald wurde Löhner-Beda schließlich ins KZ Auschwitz verlegt.
Das Chemiewerk der I.G. Farben in Auschwitz (Archivbild)
Zwangsarbeiter im Chemiekonzern I.G. Farben
Der Chemiekonzern I.G. Farben ließ ab 1941 in direkter Nähe zum KZ Auschwitz eine Fabrik zur Produktion von Buna errichten – „einem für die Kriegswirtschaft wichtigen synthetischen Kautschuk“, erläutert das Nürnberger Museum „Memorium Nürnberger Prozesse“. In dieser Fabrik – samt „firmeneigenem Konzentrationslager Buna-Monowitz“ – wurde Fritz Löhner-Beda als Zwangsarbeiter eingesetzt. Menschen, die zur Zwangsarbeit nach Buna-Monowitz abkommandiert waren, „lebten im Durchschnitt nur noch etwa drei Monate“, so das Museum.
Grausamer Tod in I.G.-Farben-Fabrik
Laut dem Historiker Raimund Lang, der sich auf überlieferte Aussagen von Ohren- und Augenzeugen beruft, inspizierten am 4. Dezember 1942 mehrere I.G.-Farben-Direktoren die Fabrik und kritisierten die Arbeitsleistung Löhner-Bedas (damals 59 Jahre alt). Einer der Direktoren soll gesagt haben: „Dieser Sau-Jude könnte auch schneller arbeiten“. Danach wurde Löhner-Beda – vermutlich von einem Vorarbeiter – zu Tode getreten und geschlagen. Berichten zufolge musste sich dieser Vorarbeiter tatsächlich später vor Gericht verantworten. Allerdings entging er einer Verurteilung, weil „das Gericht die Beweislage in diesem Todesfall als nicht hinreichend“ einschätzte.
„Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“ u.a. als Remix
Das Lied „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“ aus der Feder Fritz Löhner-Bedas hat die Zeiten überdauert und ist bis heute aktuell und beliebt. Als Glockenspiel ist es zum Beispiel bis heute regelmäßig vom Dach des Heidelberger Rathauses zu hören. Und vor zwei Jahren (2023) verpasste das Heidelberger DJ-Duo „Speedboys“ dem alten Schlager in einem Remix einen komplett neuen Sound. Wer eher den „alten Sound“ mag, hat eine Riesenauswahl: Das Lied haben in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem Gus Backus, Heino und Hermann Prey eingesungen. Dazu kommen jede Menge Parodien dieses Lieds – zum Beispiel von Komiker Mike Krüger („Ich hab heut` Nacht mein` Führerschein verloren“) oder vom österreichischen Pop-Duo „Ausreißer“ („Ich hab mein Herz im Karussell verloren“).