2. Fußball-Bundesliga
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So aufstiegsreif ist der Hertha-Kader zum Trainingsstart
Mo 23.06.25 | 08:16 Uhr | Von Marc Schwitzky
Bild: IMAGO / mix1
Hertha BSC ist in die Saisonvorbereitung gestartet. Die Berliner wollen nicht weniger als den Aufstieg. Doch gibt der aktuelle Kader das her? Oder hat Sportdirektor Benjamin Weber noch viel zu tun? Eine Bestandsaufnahme. Von Marc Schwitzky
Rund 35 Spieler wird Trainer Stefan Leitl am Montag zum Trainingsauftakt von Hertha BSC begrüßen dürfen. Wahrlich keine kleine Zahl, doch im Vergleich zu den vergangenen Jahren wirkt der Berliner Kader zum Vorbereitungsauftakt so weit ausgereift wie schon lange nicht mehr. Durch zahlreiche Vertragsverlängerungen, feststehende Abgänge und Neuverpflichtungen sorgt Sportdirektor Benjamin Weber dafür, dass Trainer Leitl schon ein Großteil seines kommenden Saisonkaders von Beginn an zur Verfügung steht.
Und dennoch wird noch viel im Hertha-Aufgebot passieren – allein schon, weil es noch klare Schwachstellen gibt.
Bleibt Ernst, ist im Tor alles klar
Tjark Ernst hat eine durchwachsene Zweitliga-Saison hinter sich, stagnierte in seiner Entwicklung. So musste der 22-Jährige seinen Nummer-eins-Status zwischenzeitlich sogar an Marius Gersbeck abgeben. Leitl sprach Ernst jedoch sein volles Vertrauen aus, zum Saisonende besserte sich dessen Form wieder. Sollte Ernst in Berlin bleiben – es ist immer wieder von Interesser anderer Klubs zu hören – bleibt er auch Herthas Stammtorhüter.
Herausforderer Marius Gersbeck wird nach einer Schulter-Operation noch Monate fehlen. Zudem konnte sich der 30-Jährige in den letzten zwei Jahren nicht aufdrängen. Er bleibt die Nummer zwei. Torhüter-Talent Tim Goller soll die Zukunft gehören, doch er wird erstmal weiter das Tor der U23 hüten. Dennis Smarsch bleibt als Trainingstorhüter und Notlösung. Robert Kwasigroch soll erneut verliehen werden.
Fazit: Ernst wird vermutlich bleiben, muss sich aber deutlich steigern, um ein Aufstiegstorhüter zu werden. Die Konkurrenz ist zwar breit, fordert ihn aber nur wenig heraus. Hier ist Hertha solide, aber nicht vollends überzeugend aufgestellt.
Ein potenzielles Überangebot in der Innenverteidigung
Das Trio aus Kapitän Toni Leistner, Marton Dardai und Linus Gechter dürfte auch als Stammbesetzung in die Saisonvorbereitung gehen. Sie stabilisierten Herthas Abwehr im Endspurt der letzten Saison merklich.
Allerdings ist die Liste der Herausforderer nicht klein. Vor allem Neuzugang Niklas Kolbe, der von Zweitliga-Absteiger Ulm kommt, wird auf Einsätze brennen. Auch Pascal Klemens, der zukünftig wieder öfter in der Innenverteidigung spielen könnte, hat keine kleinen Chancen auf Einsätze.
Tim Hoffmann und John Anthony Brooks haben Außenseiterchancen. Hoffmann kommt von einer soliden Leihe an Drittligist Aue zurück, soll sich in der Vorbereitung beweisen. Hier ist allerdings eine weitere Leihe denkbar. Brooks fiel die komplette Vorsaison verletzt aus. Niemand kann voraussagen, auf welchem Niveau der mittlerweile 32-Jährige zurückkehrt.
Fazit: Das etablierte Trio könnte zu einer der besten Defensivreihen der Liga werden, wenn sich Dardai und Gechter weiter stabilisieren. Kolbe und Klemens sind eine starke Konkurrenz. Brooks hat Überraschungspotenzial. Hier ist Hertha bereits sehr gut für die kommende Saison gerüstet. Es droht aber ein kleines Überangebot.
Mit Jonjoe Kenny verliert Hertha einen der besten Außenverteidiger der 2. Bundesliga. Auf der rechten Schiene im 3-4-1-2-System werden sich zukünftig Deyovaisio Zeefuik und Julian Eitschberger einen Konkurrenzkampf liefern. Zeefuik ist zwar defensiv herausragend, offensiv aber wenig effektiv. Eigengewächs Eitschberger spielte eine exzellente Leih-Saison bei Rot-Weiss Essen, wurde jüngst von Fachmagazin kicker zum fünfbesten Außenverteidiger der 3. Liga gewählt. Der 21-Jährige hat großes Potenzial und könnte zur Entdeckung der kommenden Saison werden, wird aber auch Eingewöhungszeit in der 2. Liga brauchen.
Herthas Eitschberger blüht mit drei Tore und einer Vorlage in Essen auf. (Foto: IMAGO / frontalvision.com)
Zeefuik musste letzte Saison zur Dauerkompromisslösung auf Herthas linker Außenbahn werden – sie bleibt bislang auch die größte Problemzone der Blau-Weißen. Es findet sich nach wie vor kein gelernter Linksverteidiger im Kader. Neben Zeefuik können zwar auch Michal Karbownik und Marten Winkler dort aushelfen, doch ideal ist das alles nicht. Hertha braucht dringend einen neuen linken Schienenspieler, um Leitls Fußball gerecht werden zu können. Es ist eine Schlüsselposition für sein System.
Fazit: Herthas rechte Schiene kann mit Zeefuik und Eitschberger im Konkurrenzkampf sehr spannend werden, doch der Kenny-Abgang wiegt schwer. Die linke Flanke ist Herthas größtes Kaderproblem, hier braucht es dringend eine Verstärkung. Lösen die Hauptstädter dieses Problem nicht, ist der Aufstieg ernsthaft gefährdet.
Mit Neuzugang Paul Seguin und Diego Demme dürfte die Stammbesetzung für die Doppelsechs bereits gefunden sein. Dahinter finden sich mit Klemens, Karbownik und Neuzugang Leon Jensen allerdings gleich drei Spieler mit Startelfansprüchen. Zudem soll Toptalent Boris Mamuzah Lum gefördert werden.
Hinzu kommt Bilal Hussein, der nach einer Verletzung zurückkehrt, aber wohl keine Zukunft beim Hauptstadtklub haben wird. Und mit Jeremy Dudziak ist ausgemacht, dass er nach einer überzeugenden Vorbereitung mit Herthas U23 wieder ein Thema für die Profis werden kann. Zu viele Spieler für nur zwei Positionen.
Fazit: Mit Seguin und Demme hätte Hertha ein für Zweitligaverhältnisse sehr starkes Zentrum. Auch die Konkurrenzsituation dürfte leistungsfördernd sein – allerdings nur, wenn noch ein paar Spieler gehen und so jede eine klare Perspektive hat. Zurzeit ist diese Position unbefriedigend überbesetzt.
Trotz Maza-Abgang eine gute Zehnerbesetzung
Ibrahim Mazas Abgang zu Bayer Leverkusen dürfte der schwerwiegendste in diesem Sommer sein – und dennoch ist Hertha auf der Spielmacherposition gut besetzt. Das liegt maßgeblich am Verbleib von Michael Cuisance. Durch dessen Vertragsverlängerung hält Hertha einen der besten Kreativspieler der Liga. Seine Hauptkonkurrenz wird Kevin Sessa sein, der zwar ein enttäuschendes erstes Jahr in Berlin erlebt hat, aber zweifelsohne das Talent dafür besitzt, ein Unterschiedsspieler in dieser Liga zu sein.
Mit dem 18-jährigen Julius Gottschalk kann dahinter ein vielversprechendes Eigengewächs entwickeln. Eine recht ideale Dreierbesetzung der „Zehn“. Palko Dardai und Jon Dagur Thorsteinsson sind weitere Kandidaten für die Position, haben aber kaum eine Perspektive und werden den Verein bei passenden Angeboten verlassen dürfen.
Fazit: Mit Cuisance und Sessa ist Hertha auf der Zehn wohl so gut besetzt wie kaum ein anderer Zweitligist. Hier sind die Hauptstädter definitiv aufstiegsfähig. Es müssen allerdings noch Lösungen für Dardai und Thorsteinsson gefunden werden, sonst entsteht Frustpotenzial.
Ibrahim Maza (l.) und Michael Cuisance waren letzte Saison das Kreativzentrum von Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Jan Huebner
Ohne Zweifel: Mit Fabian Reese hat Hertha den womöglich besten Spieler der 2. Bundesliga im Sturmzentrum. Eine der besten Stürmer-Positionen ist somit erstklassig besetzt. Was noch fehlt, ist ein geeigneter Partner. Mit Sturmtank und Flankenabnehmer Sebastian Grönning ist zwar schon das richtige Profil verpflichtet worden, doch es muss sich noch zeigen, ob der 28-jährige Däne auf Zweitliganiveau auftrumpfen kann.
Luca Schuler hat ein enttäuschendes erstes Jahr hinter sich, vier Tore in 20 Spielen sind deutlich zu wenig. Es ist zweifelhaft, ob Trainer Leitl auf den 26-Jährigen bauen wird. Der Verein wird nach den Abgängen von Derry Scherhant, Florian Niederlechner und Smail Prevljak nicht drum herum kommen, noch einen weiteren Mittelstürmer mit Stammspielerpotenzial zu verpflichten – auch um Reese in manchen Momenten zu entlasten.
Fazit: Zehn Tore in zehn Spielen haben bewiesen, dass Fabian Reese auch als Mittelstürmer ein Ausnahmespieler für die 2. Liga ist. Mit ihm ist Hertha definitiv aufstiegsfähig. Doch die Mannschaft ist derzeit noch zu abhängig von Reese und braucht im Mittelsturm dringend weitere Alternativen.
Beitrag von Marc Schwitzky