Die Zeiten, als das Wahre, Gute und Schöne sich friedlich die Hände gereicht haben, sind lange vorbei. Schönheit ist verdächtig. Und was soll das sein, „schöne Musik“? Das Team des Münchner Adevantgarde-Festivals um die Komponisten Alexander Strauch und Markus Lehmann-Horn experimentiert mit Antworten. Es lässt Tiktok-Schönheiten auf die „Schönheitskönigin von Schneizlreuth“ treffen, mischt die kristallinen Klänge von Pierre Boulez mit Neo-Romantik. Mit ästhetischen Explosionen ist dabei zu rechnen. Das Publikum ist eingeladen, daran teilzuhaben, von Dienstag, 24. Juni, bis Sonntag, 6. Juli.

Große Werke bilden den Rahmen des Eröffnungskonzerts „Euphonia“: Das Sprachspiel „a-ronne“ des Jubilars Luciano Berio, das Worte des Kommunistischen Manifests in gespenstisch schöne Vokallinien bannt und die „Partita für 8 Voices“ der Pulitzer-Preisträgerin Caroline Shaw. Dazwischen Uraufführungen, unter anderem von Johannes X. Schachtner, der das Ensemble Vokalzirkel leitet (Bayerische Akademie der Schönen Künste, 24. Juni, 19 Uhr).

Dass auch Ideen an sich schön sein können, beweist „Freund:innen“. Am zweiten Festival-Abend treten die Komponierenden der ersten Adevantgarde-Stunde auf, darunter Moritz Eggert und Helga Pogatschar, und erweitern ihren Kreis. Je einer der Komponierenden, die inzwischen teils silbriges Haupthaar auf dem Kopf haben, geht dabei auf einen jungen Kollegen zu (Schwere Reiter, 25. Juni, 20 Uhr).

Zwar keine Carte blanche, aber immerhin eine „Carte belle“ schenkt man dem Ensemble „der gelbe klang“, das in Uraufführungen von Nina Deuse, Leon Zmelty und Manuel Zwerger mit den räumlichen Konventionen eines Konzerts bricht (Schwere Reiter, 27. Juni, 20 Uhr).

Danach sucht das Jugendensemble für Neue Musik Bayern (Jumble) Kontakt zu den Avantgarde-Hohepriestern Pierre Boulez und Wolfgang Rihm, bekommt zu seinem zehnten Geburtstag aber auch Neues: „The Celestial Order of Chinese Animals“ von Markus Schmitt (Schwere Reiter, 28.6., 18 Uhr). Zur Feier gibt es noch eine Matinee, bei der Vincent Neeb am Flügel sitzen und „alles andere als ein Klavierkonzert“ spielen wird, wie Alexander Strauch sagt (Schwere Reiter, 29. Juni, 11 Uhr).

Das Ensemble „der gelbe klang“ bricht mit den Konzertkonventionen.Das Ensemble „der gelbe klang“ bricht mit den Konzertkonventionen. (Foto: Astrid Ackermann)

Das Münchener Kammerorchester beleuchtet die Kontraste des Schönen mit dem Hässlichen, so in einer der Uraufführungen des Abends, „Bad politics“ von Margareta Ferek-Petrić (Schwere Reiter, 29. Juni, 20 Uhr). Das Quasar Saxophon Quartet aus Montreal spielt sechs brandneue Werke, nachdem zuvor deren Urheber zu Wort gekommen sind (Schwere Reiter, 4. Juli, Diskussion 19.30 Uhr, Konzert 20 Uhr). Liebevoll wird der Folgeabend. Denn die titelgebenden „Dialoghi d’amore“ hat Nikolaus Brass für die Hochzeit des musizierenden Duos Brigitte Helbig (Klavier) und Kai Wangler (Akkordeon) geschrieben (Schwere Reiter, 5.7., 20 Uhr).

Einen fulminanten Abschluss verspricht das finale „Isarmärchen“. Es entsteht als Hommage an die queere, gängige Körperideale unterlaufende Volkssängerin Bally Prell. Gleichzeitig zeigt es eine zärtlich-bösartige Auseinandersetzung mit der schönen Stadt München (Einstein Kultur, Halle 3, 6. Juli, 20 Uhr). Der poetische Höhepunkt eines Festivals, das die Prozesse umkehrt: Schönheit ist hier nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt.

18. Adevantgarde-Festival, Dienstag, 24. Juni, bis Sonntag, 6. Juli, Informationen unter www.adevantgarde.de