Wenn der Gottesdienst beginnt, schließt sich die Kirchentür. Dies gelte auch allzu oft im übertragenen Sinne, bedauert Hans-Georg Furian, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Berlin Süd-Ost. Doch am kommenden Wochenende heißt es: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Denn die evangelische Kirche lädt zu einer großen Feier ein, die sich explizit nicht nur an Gläubige richtet. Und der Kirchentag am 28. und 29. Juni findet auch nicht in einer der Lichtenberger Gotteshäuser statt, sondern in der ehemaligen Stasi-Zentrale.
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„Die Christen in der DDR haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass es überhaupt zur Wende gekommen ist“, so Furian. Auch um an diese Geschichte zu erinnern, soll das Kirchenfest in der ehemaligen Stasi-Zentrale stattfinden. „Wir wollen uns diesen Ort neu aneignen“, sagt er.
Dafür hat der Kirchenkreis ein vielfältiges Programm vorbereitet: Auf der Bühne zu sehen und zu hören sind am Samstag das Andrej Hermlin Swing & Dance Orchestra, eine international besetzte Berliner Big Band. Am Sonntag gibt es um 11 Uhr einen Fest-Gottesdienst, im Anschluss wird das Kindermusical „Jona und der Wal“ sowie eine große Chor-Produktion aufgeführt. Vor dem Abschlusssegen um 17 Uhr ist zudem ein Bläserkonzert angekündigt.
Lena Kuhl vom Stasi-Unterlagen-Archiv hält die Idee vom Kirchenfest an diesem Ort für „genau das Richtige“: „Die ehemalige Stasi-Zentrale steht für die Repression in der DDR, ist aber auch ein Symbol der Friedlichen Revolution“, sagte sie. Ein Ort, verbunden mit der Hoffnung auf Freiheit, mit der Hoffnung auf Zukunft. „Das ist zumindest die Bedeutung, die wir dem Ort heute geben wollen“, sagt sie.
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„Freiheit“ ist komplex, und für manche eine Zumutung.
Hans-Georg Furian, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Berlin Süd-Ost
Für Superintendent Furian soll das Fest auch Anlass sein, um über diese Begriffe nachzudenken. Das Wort „Zukunft“ habe zur Wendezeit einen unbeschränkt positiven Inhalt gehabt, sagt er. „Heute ist das Wort Zukunft nicht mehr ein Versprechen, sondern für manche fast schon eine Drohung“, so Furian. Auch der Begriff „Freiheit“ sei „ambivalent“: „Freiheit ist komplex und für manche eine Zumutung“, sagt er.
Was hat Kirche noch zu bieten?
Allein im letzten Jahr haben die katholische und die evangelische Kirche rund eine Million Mitglieder verloren, mehr als die Hälfte davon durch Kirchenaustritte. Fragt man Furian, was seine evangelische Kirche den Menschen heute überhaupt noch zu bieten habe, muss er nicht lange für seine Antworten überlegen: „Wir bieten Menschen, die authentisch sind, die Angebote zur Orientierung mitbringen“, sagt er.
Christliche Werte wie Nächstenliebe seien gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je: „Allein wenn ich an das Thema Bürgergeldempfänger denke: Da werden aus Einzelfällen Sanktionsforderungen für alle abgeleitet. Das finde ich unmöglich“, sagt der gläubige Christ. Ähnliches gelte für die Diskussion über Geflüchtete.
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In der Woche vor dem Fest laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Besonders viel zu tun hat Cornelia Ewald, Kirchenmusikerin in der Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Lichtenberg. Unter ihrer Leitung soll das berühmte Oratorium „Messiah“ von Georg Friedrich Händel aufgeführt werden – und zwar mit 130 Sängerinnen und Sängern. „Dieses Stück an genau diesem Ort zu singen, das ist mir schon sehr wichtig“, sagt sie. „Und natürlich werden mit dem ‘Halleluja’ enden.“ Das komplette Programm des Kirchentags finden Sie hier.