Der Nato-Gipfel in Den Haag ist im Gang. US-Präsident Donald Trump sorgte noch im Flugzeug für Verwirrung und bekam für die ¨Nacht ein royales Upgrade.

Die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen und der Nato-Generalsekretär Mark Rutte (rechts) herzen ihren «Freund», den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen und der Nato-Generalsekretär Mark Rutte (rechts) herzen ihren «Freund», den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.

Jonas Roosens / EPA

So sicher war Ruurd Abma noch nie – und gleichzeitig noch nie so unselbständig. Der Rentner wohnt im innersten Sicherheitsperimeter des Nato-Gipfels von Den Haag, darum darf er ausserhalb seiner eigenen vier Wände seit vergangenem Freitag keinen Schritt mehr ohne Polizeibegleitung tun. Geht er einkaufen, kontrollieren schwer bewaffnete Sicherheitskräfte seine Tasche. Und das Dach seines Wohnhauses wurde auf mögliche Scharfschützen untersucht. Denn in wenigen Stunden wird er hier eintreffen – der wohl bestgeschützte Mensch der Erde.

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«Kommt Trump, oder kommt er nicht?», war die wohl meistgestellte Frage im Vorfeld des Gipfels. Nicht nur hat der amerikanische Präsident verschiedentlich Zweifel über das Engagement seines Landes in der Verteidigungsallianz aufkommen lassen. Auch hat sich die Lage im Nahen Osten in den letzten Tagen derart zugespitzt, dass ein Verbleib des Commander-in-Chief in Washington nicht auszuschliessen war.

Doch Trump stieg ins Flugzeug und äusserte dort gegenüber Reportern sogleich eine seiner gefürchteten Ambiguitäten. Auf die Frage, ob die USA weiterhin hinter der Kollektivverteidigung der Nato stünden, antwortete er, dass es dazu verschiedene Definitionen gebe. Er sei «dem Leben und der Sicherheit verpflichtet».

Russland könne Krieg bis 2027 finanzieren

Nato-Vertreter waren in der Folge bemüht, den Äusserungen Trumps nicht zu viel Gewicht beizumessen. Wichtiger seien die Fakten – und dabei gebe es keinerlei Anzeichen, dass sich die USA nicht mehr dem berühmten Artikel 5 der Nato verpflichtet fühlten. Das entsprechende Bekenntnis steht auch in der Schlusserklärung, die am Mittwoch verabschiedet werden soll.

Ein kollektives Verteidigungsversprechen hat freilich nur so lange einen Wert, wie sich potenzielle Gegner – in erster Linie Russland – davor fürchten. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski skizzierte düstere Szenarien. «Russland plant neue militärische Operationen auf Nato-Territorium, also in euren Ländern», sagte er am Rüstungsindustrie-Forum der Nato. Es gelte, den russischen Präsidenten Wladimir Putin unverzüglich zu stoppen.

Wie verlustreich dessen Feldzug ist, legten Nato-Diplomaten am Rande des Gipfels unter Berufung auf Anonymität dar. Gemäss neusten nachrichtendienstlichen Erkenntnissen sind im ersten Halbjahr 2025 pro Tag nicht weniger als 1300 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Seit Beginn des flächendeckenden Krieges seien mehr als 250 000 Russen gefallen. Trotz diesen gigantischen Verlusten und den wirtschaftlichen Schäden des Krieges geht die Nato davon aus, dass Russland den Angriff auf den Nachbarstaat noch mindestens bis 2027 weiter finanzieren kann.

Ukrainische Rüstungsindustrie unterfinanziert

Entsprechend muss die Ukraine weiterhin in grossem Ausmass von den westlichen Partnerstaaten unterstützt werden. Im Fokus stehen in erster Linie die Europäer, denn die USA haben seit Trumps Amtsantritt kein einziges neues Hilfspaket beschlossen. Nato-Generalsekretär Mark Rutte gab sich alle Mühe, Selenski Mut zu machen. Die europäischen Alliierten und Kanada hätten der Ukraine im ersten Halbjahr bereits 35 Milliarden Dollar an Militärhilfen zugesagt, deutlich mehr als in der gleichen Vorjahresperiode.

Wenn die europäischen Nato-Staaten nun wie geplant ihre Verteidigungsausgaben massiv in die Höhe schrauben, sollte sich der finanzielle Spielraum noch vergrössern. Selenski warb am Dienstag dafür, dass ein Teil der Gelder in die Waffenproduktion mit der Ukraine fliessen solle. Sein Land verfüge über Produktionskapazitäten in der Höhe von 35 Milliarden Dollar, für 40 Prozent davon fehle aber eine solide Finanzierung.

Für Golf reichte die Zeit nicht mehr

Die europäischen Partner würden damit auch ihre eigene Sicherheit erhöhen, sagte Selenski. «Alle von uns hergestellten Waffen sind Teil eines stärkeren europäischen Verteidigungssystems.» Im Vorfeld des Gipfels mahnten Nato-Diplomaten allerdings, dass eine zu starke Aufrüstung der ukrainischen Industrie schlimmstenfalls kontraproduktiv sein könnte, falls nämlich die Kapazitäten eines Tages in die Hände der russischen Armee fallen sollten.

Der eigentliche Kern des Nato-Gipfels findet am Mittwoch im World Forum statt. Trump sollte dort entspannt eintreffen. Für die ursprünglich geplante Golfpartie reichte die Zeit zwar nicht mehr. Dafür erhielt er als einziger der 32 Staats- und Regierungschefs ein royales Upgrade: Nach dem Galadinner im Königspalast durfte er gleich vor Ort übernachten.