Schock für Langlaufstar Victoria Carl und den Deutschen Skiverband nach einem positiven Dopingtest: Das verbotene Mittel soll in einem Hustensaft gewesen sein, den ein Bundeswehrarzt der Thüringerin verschrieben habe. Carl und der DSV hoffen, dass die Strafe milde oder sogar ganz ausfällt.
Skilanglauf-Olympiasiegerin Victoria Carl vom SC Motor Zella-Mehlis ist positiv auf das verbotene Dopingmittel Clenbuterol getestet worden. Das gab der Deutsche Skiverband (DSV) am Mittwoch (25. Juni 2025) bekannt. Der DSV spricht von einem „bedauerlichen Einzelfall“ und hofft auf „vollständigen Freispruch“.
Hustensaft vom Bundeswehrarzt verordnet
Nach Angaben des Verbandes habe Carl nach dem Ende der Weltcupsaison bei den Militärweltspielen am 26. März einen Hustensaft eingenommen, den sie durch einen Bundeswehrarzt verordnet bekam und der das verbotene Mittel enthalten habe. In einer Stellungnahme übernahm der Santitätsdienst der Bundeswehr die Verantwortung für die Verabreichung. „Die ärztliche Verordnung war medizinisch nachvollziehbar, aber organisatorisch fehlerhaft. Die Sportlerin trifft keinerlei Schuld“, so der leitende Sanitätsoffizier der Militär-Wettkämpfe.
Verbotenes Spasmo Mucosolvan statt erlaubtes Mucosolvan
Carl habe laut DSV-Mitteilung während der Wettkämpfe unter einer spastischen Bronchitis gelitten. Bei der Behandlung des Hustens sei dem Arzt dann ein Fehler unterlaufen. „Statt des ursprünglich bestellten Hustensafts Mucosolvan (Ambroxol) wurde durch die Bundeswehrapotheke irrtümlich das Kombinationspräparat Spasmo Mucosolvan (Ambroxol + Clenbuterol) geliefert“, heißt es. „Der behandelnde Truppenarzt verabreichte das Mittel unter hohem Zeitdruck, versäumte jedoch, auf den dopingrelevanten Inhaltsstoff hinzuweisen oder einen Notfallantrag für eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu stellen.“
Stefan Schwarzbach: „Carl medizinisch nicht verantwortlich.“
DSV-Sprecher Schwarzbach: „Sperre weder gerecht noch verhältnismäßig“
Carl habe das verabreichte Mittel bei der Dopingkontrolle „vollständig und proaktiv angegeben“. Aus Sicht des DSV trifft Carl keine Schuld. Stefan Schwarzbach, Vorstand Kommunikation im DSV erklärt dazu: „Victoria Carl wird derzeit mit möglichen Konsequenzen konfrontiert, für die sie medizinisch nicht verantwortlich ist. Eine Sperre, insbesondere mit Blick auf die Olympischen Spiele, wäre aus unserer Sicht weder gerecht noch verhältnismäßig.“
Carl: „Habe alles offengelegt“
Die 29-Jährige äußerte sich ebenfalls: „Ich war krank, hatte starke Hustenanfälle und habe das Medikament auf ärztliche Anweisung genommen. Ich habe alles offengelegt – mir war nicht bewusst, dass ein verbotener Wirkstoff enthalten ist. Ich hoffe sehr, dass die Umstände nachvollzogen und fair bewertet werden“, wird die Thüringerin zitiert.
Carl droht Sperre und Olympia-Aus
Der DSV fordert eine „differenzierte Einzelfallprüfung“ und hofft auf einen „vollständigen Freispruch.“ Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) hat bereits ein Verfahren aufgenommen. Carl droht eine Sperre, durch die sie die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo verpassen könnte. Bei den Winterspielen 2022 hatte Carl Gold im Teamsprint zusammen mit Katharina Hennig und Silber mit der 4×5-Kilometer-Staffel geholt.
Victoria Carl in Aktion – wird sie im kommenden Jahr Langlaufrennen laufen? Nach der positiven Dopingprobe bleibt das unklar.
Zum aktuellen und weiteren zeitlichen Ablauf nach Bekanntwerden der positiven Dopingprobe von Carl machte der DSV keine Angaben.
Clenbuterol bei Bodybuildern beliebt
Clenbuterol ist ein Arzneistoff, der nicht nur bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen, sondern auch in der Kälbermast und als Dopingmittel eingesetzt wird. Vor allem im Bodybuilding ist das Mittel beliebt, weil es dabei hilft, Körperfett schneller zu verbrennen. Immer wieder wurde das Mittel bei Leistungssportlern nachgewiesen, beispielweise bei Leichtathletin Katrin Krabbe oder den Radsportlern Alberto Contador und Frank Vandenbroucke.
Fall Johaug: Sperre in ähnlichem Fall
Ob Carl um eine Dopingsperre ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen 2026 in Italien herumkommt, ist noch unklar. Ihn einem ähnlichen Fall von einem offenbar fälschlicherweise verabreichten Medikament musste Langläuferin Therese Johaug eine 18-monatige Sperre absitzen. Die damals 28-jährige Norwegerin wurde 2016 gesperrt, nachdem bei ihr ein androgenes Steroid nachgewiesen wurde.
Therese Johaug (li.) wurde 2016 für 18 Monate gesperrt und verpasste so Olympia 2018.
Dieses Mittel befand sich nach Johaugs Angaben in einem Lippenstift, den sie zur Behandlung eines Sonnenbrandes eingesetzt habe. Die mehrfache Olympiasiegerin hatte die Creme von ihrem Arzt bekommen. Der Mediziner übernahm die Verantwortung. Johaug wurde dennoch gesperrt.
Dirk Hofmeister/pm