Noch heute wundert sich Yvonne R., wie leicht das damals alles ging. Während der Corona-Pandemie arbeitete die Busfahrerin und Mutter von fünf Kindern aus Essen zunächst in einem Testzentrum mit Antigen-Schnelltests. Irgendwann, so berichtete die 52-Jährige, am Mittwoch vor der 3. Strafkammer am Landgericht München I, habe sie jedoch gehört, dass praktisch jeder ein solches Testzentrum betreiben und gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Testleistungen abrechnen könne.

Das habe sie ausprobieren wollen, sagte Yvonne R. und fügte hinzu: „Ich hätte nie gedacht, dass so was ohne Prüfung vonstattengehen kann.“ Doch das war der Fall. Yvonne R. täuschte gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen den Betrieb von Testzentren vor und rechnete Leistungen ab, die niemals erbracht wurden. Alles in allem knapp 1,5 Millionen Euro. Rund 620 000 Euro wurden ihr überwiesen. „Das Geld ist alles weg“, erklärte R.s Verteidiger, Rechtsanwalt Martin Gelbricht, der Vorsitzenden Richterin Susanne Blaschke. Yvonne R. scheint dies peinlich zu sein, sie begann in diesem Moment zu weinen.

Um zu verschleiern, dass sie hinter den Testzentren steht, soll Yvonne R. laut Anklage der bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen ihre Bekannte Tina S. dazu gebracht haben, ein Bankkonto bei einem Berliner Geldinstitut zu eröffnen. Anschließend soll Yvonne R. begonnen haben, die angeblichen Corona-Tests abzurechnen. Doch der Schwindel flog auf.

2022 wurde Yvonne R. wegen ähnlich gelagerter Fälle vor einem Amtsgericht in Essen wegen Betrugs in fünf Fällen und fünf weiterer Betrugsversuche zu insgesamt drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Zwei Drittel der Strafe musste sie absitzen. Die Reststrafe wurde ihr erlassen. Die 52-Jährige begann wieder zu arbeiten. Dann aber standen erneut die Ermittler der Polizei vor ihrer Tür und konfrontierten sie mit den nun vor dem Landgericht München I angeklagten Taten. Anfang November vergangenen Jahres kam Yvonne R. erneut in Untersuchungshaft. Dies, so die Busfahrerin, habe „ihre Existenz wieder vollständig zerstört“. Die Vorwürfe aus der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft räumte Yvonne R. in einer Erklärung, die ihr Verteidiger für sie verlas, „vollumfänglich“ ein.

Doch damit gab sich Richterin Blaschke nicht zufrieden, sie hakte nach. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass sie nach ihrer Verurteilung in Essen später im sogenannten offenen Vollzug Geld vom Konto, auf das die Beträge der KVs geflossen seien und das auf den Namen ihrer Freundin lief, Geld abgehoben habe. „Ein starkes Stück“, befand die Richterin. Yvonne R. schwieg. Ihr Verteidiger indes gestand: „Ich war auch erstaunt.“ Mit den Abhebungen kaufte Yvonne R. unter anderem zwei Autos sowie Essen und Kleidung. Einen Teil überließ sie einem ehemaligen Häftling und ihrer Freundin. Die habe auch Geld gebraucht, so Yvonne R., zum Beispiel für zwei Pferde.

In ihrer Anklage fordert die Generalstaatsanwaltschaft, dass die Busfahrerin das zu Unrecht erhaltene Geld, also knapp 620 000 Euro, wieder zurückzahlt. Das dürfte schwierig werden. Denn privat sitzt Yvonne R. noch auf einem Schuldenberg von rund 80 000 Euro. Ein Urteil in dem Prozess wird für Mitte Juli erwartet. Der Prozess gegen Yvonne R.s Freundin steht noch aus.