Die Opposition im Bundestag hat schwere Vorwürfe gegenüber dem Unionsfraktionschef
und dem ehemaligem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhoben. In einer Aktuellen Stunde zur Maskenbeschaffung sagte Linken-Chefin Ines Schwerdtner, Spahn habe
sich in der Coronapandemie vor allem „selbst versorgt – mit Kontakten, mit
Deals, mit Milliarden aus unserem Steuergeld“. Es gehe um politische
Verantwortung, Gerechtigkeit und den Umgang mit öffentlichem Geld. „Wir
mussten verzichten, sie haben verteilt, vor allem an Parteifreunde, ohne
Ausschreibung und Rat anderer Ministerien“, sagte Schwerdtner.
Schwerdtner warf Spahn Doppelmoral vor. „Sie schimpfen
auf Bürgergeldempfänger und fordern die härtesten Sanktionen, und Sie selbst
waschen sich hier im Reinen.“ Die Linken-Chefin forderte Spahn auf, eine
Pause von der Politik zu machen und sich zurückzuziehen, bis der Fall
vollständig aufgeklärt sei. „Wer in der Krise kassiert, wer Vertuschung
organisiert, der hat in der Politik nichts zu suchen.“
Spahn steht aufgrund eines Untersuchungsberichts zur
Maskenbeschaffung unter Druck. Mehrere Medien hatten in den vergangenen Wochen
Informationen aus dem unter Verschluss gehaltenen Bericht der Sonderermittlerin
Margaretha Sudhof veröffentlicht. Darin heißt es, dass Spahn „gegen den
Rat seiner Fachabteilungen“ in großem Umfang in die
Schutzmaskenbeschaffung eingestiegen war. Demnach waren für den Staat
Milliardenrisiken entstanden, obwohl mit der Beschaffung erfahrene Behörden
bereitgestanden hätten. Den Bericht hatte der Gesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) als Nachfolger von Spahn in Auftrag gegeben.
„Jede Menge Fragen völlig ungeklärt“
„Es geht um viel“, sagte Grünen-Fraktionsvize
Andreas Audretsch in der Aktuellen Stunde, die die Linksfraktion beantragt
hatte. Bis zu elf Milliarden Euro sind dem Steuerzahler als Schaden entstanden.
Die Union „drangsaliere“ Menschen beim Bürgergeld wegen zwei oder
drei Euro, sei im Fall der Maskenbeschaffung aber nur wenig an Aufklärung
interessiert. Der Grünen-Politiker warf CDU/CSU zudem vor, sich als erste
Reaktion nicht mit dem Bericht befasst zu haben, sondern gegen Sudhof
vorgegangen zu sein. Es seien auch nach Vorliegen des Berichts „jede Menge
Fragen völlig ungeklärt“.
© Lea Dohle
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Audretsch forderte in Bezug auf die Maskenbeschaffung, es
sei nötig zu wissen, wer die Bekannten von Spahn seien, die davon profitiert
hätten. Zudem kritisierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende die Pläne
von Union und SPD zur Einsetzung einer Corona-Enquetekommission. Diese habe
nicht die Instrumente, um die offenen Fragen zu klären, notwendig sei
stattdessen ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. SPD und Union hatten sich
im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine Enquetekommission einzusetzen. Solche
Kommissionen haben weniger Befugnisse als Untersuchungsausschüsse.
CDU diskreditiert Bericht
Die AfD-Abgeordnete Claudia Weiss sprach von einem
„politischen Totalversagen“ und „Leerstück in Missmanagement und
Verschwendung“. Es habe eine „erschütternde Gleichgültigkeit“ im
Umgang mit dem Geld der Bürger vorgeherrscht. Der Union und Spahn warf Weiss
„Mauern und Vertuschen“ vor.
Die CDU-Abgeordnete Simone Borchardt nannte den Bericht „ein
politisches Manöver“. Die Vorwürfe im Bericht entbehrten einer fairen
Bewertung der damaligen Situation. Borchardt begrüßte die geplante Einsetzung
der Enquetekommission, um die Pandemie wissenschaftlich aufzuarbeiten.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis kritisierte
die Union dafür, den Sudhof-Bericht zu diskreditieren. Der Bericht sei
parteiunabhängig erstellt worden. Es habe gravierende Fehler bei der
Maskenbeschaffung gegeben, die den Bundeshaushalt bis heute belasten. Die
Bürger erwarteten deshalb zu Recht vollständige Transparenz. „Unsere
Aufgabe als Parlament ist es deshalb, das Geschehen differenziert, aber
kompromisslos aufzuarbeiten“, sagte Pantazis.
Spahn sieht Vorwürfe entkräftet
Spahn selbst sagte nach einer Befragung durch Parlamentarier im Haushaltsausschuss des Bundestags am Abend, er halte die meisten Vorwürfe für entkräftet. „Es war der
gesundheitliche Kriegsfall und wir hatten, um im Bild zu bleiben, keine
Gewehre, keine Munition, keinen Schutz.“ Er sagte: „Wir haben getan, was
notwendig war, um Masken zu beschaffen.“ Der Finanzminister und er seien sich damals
einig gewesen: Es solle lieber Geld kosten als Menschenleben. „Das hat dazu
geführt, dass wir in drei Jahren 440 Milliarden Euro Bundesmittel für die
Bewältigung der Pandemie aufgewendet haben.“ Mit dieser enormen Summe seien
auch Schutzschirme für die Krankenhäuser, Impfstoffe und Tests beschafft
worden.
Spahn begrüßte, dass der Bundestag eine Enquetekommission
einsetzen will. Im Nachhinein habe man damals feststellen müssen, dass viele
Glücksritter Dinge angeboten hätten. „Es war Wildwest.“ Die Entscheidungen
seien aber jeweils mit Mehrheit im Bundestag getroffen worden. Zur Erklärung,
warum externe Firmen statt Behörden für die Beschaffung vorgesehen wurden,
sagte Spahn: „Wir waren am Limit, und wir waren so am Limit, dass wir auch
zusätzliche Unterstützung brauchten.“
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